Staat - Legislative
Gesetzgebungsfunktion

Die Artikel 76, 77 und 78 GG bestimmen den Bundestag zu institutionell wichtigsten Organ der Gesetzgebung, ohne dessen Beschlussfassung kein Gesetz in der BRD zustande kommen kann. Auch besitzt der Bundestag (neben Bundesrat und Bundesregierung) das Recht zur Gesetzesinitiative. Von besonderem Interesse ist hier die Gewichtung der legislativen Positionen auf unterschiedlichen Akteursebenen, die die legislative Stellung des Bundestages beeinflussen oder gar untergraben können.

So kommt es im Rahmen transnationaler Integrationsprozesse zur Verlagerung der legislatorischen Kompetenzen auf supranationale Institutionen, die die Stellung der nationalen Parlamente tendenziell beeinträchtigt. Dies kann darüber hinaus mit einer Verbesserung der Position der Exekutive einhergehen, da zumeist die Vertreter der nationalen Regierungen in den Organen supranationaler Körperschaften an der Initiierung und Kreation von Rechtsakten beteiligt sind, die auf nationaler Ebene Verbindlichkeit besitzen.

  • Regionale Integration und parlamentarischer Funktionsverlust: Die nationale Exekutive erhält durch ihr Mitwirken an supranationalen Körperschaften und Gesetzesakten eine höheres relatives Gewicht gegenüber der Legislative. Im Falle der EU gibt "der Kompetenztransfer auf die europäische Ebene (...) den Regierungen die Möglichkeit, Entscheidungen der EU in die nationale Politik zu ‚reimportieren', ohne im eigenen Land allzu großen Widerstand fürchten zu müssen. Die (nationalen) Parteien, Verbände, das Parlament und ie Öffentlichkeit (...) werden damit zu den eigentlichen Verlierern des Integrationsprozesses" (Decker, Frank, 2000: Demokratie und Demokratisierung jenseits des Nationalstaats: Das Beispiel der Europäischen Union, in: Zeitschrift für Politikwissenschaft 10 (2), 585 - 629, hier 597).


  • Das Maastricht-Urteil (BVerfG, 12.10.1993) als Beispiel Output-Orientierter Kettenlegitimation: Geklagt wurde u.a. mit der Begründung, dass auf die EU eine Kompetenz-Kompetenz übertragen werde, die das Recht des Klägers auf Teilhabe an der Ausübung von Staatsgewalt einschränke, so dass die Staatsgewalt in der BRD nicht mehr von den Abgeordneten des Volkes ausgehe. Das Urteil führt eine demokratische Legitimation des Handelns europäischer Organe auf die Verbindung zwischen dem Ministerrat und den nationalen Parlamenten zurück. Das Europäische Parlament wird allerdings ebenso wenig berücksichtigt, wie die richterliche Fortbildung des sekundären EU-Rechts durch den EuGH oder die marktintegrative Anwendung des primären EU-Rechts durch die Kommission (negative Integration). Auch wird eine exekutivische Übermacht in den EU-Organen im Vergleich zum nationalstaatlichen Gewaltengefüge anerkannt.


  • Empirisches zur Denationalisierung: Seit Mitte der 1960-er Jahre ist ein beständiger Bedeutungszuwachs supranationaler Regelungen auf EG-Ebene festzustellen, dem kein äquivalenter Anstieg der Zahl nationaler Regelungen gegenübersteht. Im Bereich der bi- und multilateralen Regelungswerke ist eine Zunahme vertraglicher Neuabschlüsse zu beobachten, die es plausibel macht, von einer Zunahme der Vertragsdichte im Sinne eines Bedeutungsgewinns terrotorial-überstaatlicher Verregelungen auszugehen. Seit den 1960ern findet im allgemeinen ein Wandel der Verregelungsebene hin zu suprastaatlichen Regelungen statt, der allerdings auch mit verstärkten Forderungen von Regelungen auf subnationaler Ebene einhergeht. Die Dominanz nationalstaatlicher Institutionen geht infolge ihres Verlustes an territorialer Reichweite zurück. Der strukturelle Wandel der Nationalstaatlichkeit schlägt sich also auf die Ausgestaltung nationalstaatlich organisierter parlamentarisch-demokratischer Institutionen nieder. (Beinsheim / Dreher / Walter / Zangl / Zürn, 1999: Im Zeitalter der Globalisierung? Thesen und Daten zur gesellschaftlichen und politischen Denationalisierung, Baden-Baden.)