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Kleiner Ausrüstungstest: Zelten bei Minusgraden

Was taugt preisgünstige Ausrüstung bei Minusgraden?

Braucht man teure Ausrüstung, oder tut es auch die Preisklasse unter der wohlfeilen Oberklasse? Folgt man der Zeitschrift Outdoor (8/2005), muss man für einen einigermaßen kältetauglichen Schlafsack, in dem auch ein paar Grad unter Null keine Frostbeulen verursachen, weit über 100 Euro hinblättern. Bei den getesteten Modellen reichte die Komforttemperatur (Außentemperatur, bei auch empfindliche Personen im Schlafsack nicht frieren) nur selten an die Null-Grad-Marke heran. Die Übergangstemperatur (Außentemperatur für Hartgesottene) erreichte bei Synthetik-Modellen max. - 2°C, bei den teureren Daunensäcken pendelte sie sich zwischen -2°C und lapplandtauglichen -10°C ein. Das kostet dann aber auch mindestens 300 Euro.

Von dieser erlauchten Preisklasse ist mein Schlafsack weit entfernt. Den Arctic Comfort der Sport-Karstadt eigenen Hausmarke SAM (Systems At Mountains) haben wir vor zwei Jahren für knapp 60 Euro gekauft - im Sonderangebot. Es handelt sich um einen Mumien-Synthetiksack, der mit Du Pont Thermolite Plus gefüllt ist und Abdeckleiste sowie Wärmekragen besitzt. So ausgestattet beträgt die Komforttemperatur satte - 8°C und im Extrembereich können sogar - 20°C vertragen werden . Nun sind uns Kunden die obskuren Messmethoden der Hersteller unbekannt, die zu solchen Fantasiewerten führen. Sie entstehen mutmaßlich an den Schreibtischen gutbeheizter Marketingabteilungen.Hier hilft also nur die eigene Erfahrung weiter.
Bei einigen Einsätzen in Nordskandinavien schwitze ich im Arctic Comfort auch bei ungemütlichen Wetterverhältnissen. Das ließ die Vermutung zu, dass man in ihm auch in der Nähe des Gefrierpunktes nicht verloren ist. Einziger gewichtiger Nachteil jedoch ist, dass er mit knapp zwei Kilo kräftig am Ruck- oder Packsack zieht.


Weitere Ausrüstung:

Natürlich kommt es beim Winterzelten vornehmlich auf die Eigenschaften des Schlafsacks an. Aber auch weitere Ausrüstungsgegenstände sind an Erfolg oder Mißerfolg beteiligt: Als Schlafstatt kommt die bewährte selbstaufblasende Isomatte von Therm-A-Rest zum Einsatz, mit der es bei ausgezeichnetem Liegekomfort und gutem Packmaß noch nie zu Problemen kam. Überdacht wir das gemütliche Lager mit dem ebenso bewährten Rejka Zatara Trekkingzelt.


Endlich, das ersehnte Winterhoch ist da!

Ähnlich wie im Sommer bedeutet ein Hochdruckgebiet im Winter schönes Wetter mit Sonnenschein. Nur, und das ist der wesentliche Unterschied, fallen die Temperaturen dann recht tief in den Keller. Am 9.Januar 2006 war es dann endlich soweit: Hoch Andreas hatte Norddeutschland in seine Fänge bekommen und der Wetterbericht sagte Kälte voraus. Schon am Tag stiegen die Temperaturen kaum über -4°C, folglich musste die Nacht die idealen Bedingungen für meinen kleinen Test bieten. Lübeck hat durch seine Seenähe ein relativ mildes Klima und strenger Frost kommt, nicht zuletzt dank der globalen Erwärmungstendenzen, ziemlich selten vor. Deshalb galt die Devise "carpe noctem", bevor das übliche Schmuddelwetter mit leichten Plusgraden wieder Einzug hielt.

Um 21 Uhr bepackte ich im Keller das Reiserad und radelte eine Handvoll Kilometer zum schwiegerelterlichen Schrebergarten. Kurz vor Zehn Uhr stand das Zelt unter einem sternenklaren Nachthimmel bei mittlerweile -6°C. Vom Aufbau war mir warm geworden und ich hatte den Anorak ausgezogen. Gemütlich schlürfte ich eine Flasche Bier und betrachtete den hellen Mond.


Temperatur um 22.30 Uhr Kaum stand das Zelt, bildeten sich auf der Außenhülle auch schon kleine Eiskristalle. Da mir nach meinem kleinen Schlummertrunk wieder kalt geworden war, joggte ich eine kleine Runde durch den Garten und kroch anschließend in die einladende Behausung, blies die Isomatte fest auf und legte mich in den Schlafsack. Natürlich zog ich die Überklamotten aus und lies lediglich meine lange Thermounterwäsche an.

Die Außentemperatur war mittlerweile auf frostige -7°C gefallen, im Zelt herrschten aber recht erträgliche 0°C, was auf die isolierende Wirkung von Innen- und Außenzelt sowie auf meine Anwesenheit als lebender Wärmespender zurückzuführen war. Bei dieser Temperatur lies es sich gut im Schlafsack liegen, ich hatte sogar den Wärmekragen geöffnet, damit ich die Hände frei zum Lesen hatte. Allerdings fror ich dabei an den Fingern. Dennoch erfreute sich der untere Teil meines Körpers wohliger Wärme. Als ich gegen Mitternacht das Zelt für den obligatorischen Blick auf das Außenthermometer öffnete, zeigte dieses -7,5°C an. Kälter sollte es von da an leider nicht mehr werden.


Ein kalter Morgen

Um halb eins war die Innentemperatur auf -1°C gesunken (Bild rechts) . Ein wenig später schlief ich ein und erwachte fröstelnd um halb sieben am nächsten Morgen. Die Innentemperatur betrug nun -2°C (bei -7°C Außentemperatur) und ich fror merklich, wenn auch nicht übermäßig, an den Beinen und Füßen. Dort, wo der Schlafsack nicht dicht anlag und es größere leere Räume gab, war das Kälteempfinden am stärksten.

Natürlich war ich nicht ohne zusätzliches Sicherheitsmaterial in die Frostnacht gezogen und hatte mir noch ein dünnes Fleece-Inlet mitgenommen, das ich jetzt zusätzlich als "Innen-Schlafsack" verwendete. So wurde es langsam wärmer. An Schlaf war in der Morgenstunde aber nicht mehr zu denken, und so döste ich träge vor mich hin und wartete auf den winterlichen Sonnenaufgang.

Als es langsam hell wurde, nahm ich die körpernahen Teile meiner Bekleidung in den Schlafsack, damit sie ein wenig angewärmt wurden (das hätte ich natürlich auch schon früher machen können…).

Schließlich verließ ich die schützende Hülle, zog mich an und kroch aus meiner Behausung. Das Kondenswasser der Nacht hatte sich am Außenzelt niedergelassen und war gefroren. Draußen empfing mich ein klarer und kalter Morgen, doch wies die schon auf -4,5°C gestiegene Temperatur darauf hin, dass das Winterhoch langsam abmarschierte. Trotzdem war es kalt genug, um einen frisch aufgestandenen Zelter gehörig frieren zu lassen. Wieder joggte ich paar kleine Runden und baute dann alles ab. Der Tee in den Aluflaschen war gefroren und ich konnte meinen Durst nicht stillen. Nicht schlimm, dachte ich, denn die warme Wohnung lag nicht weit. In der kalten Wildniss des Sarek aber hätte ich jetzt ein Feuerchen machen müssen.


Nicht repräsentatives Fazit: Es geht auch günstig!

Ganz klar, der Arctic Comfort hat den Frosttest bestanden. Zwar erwachte ich mit leicht kühlen Beinen und Füßen, hatte aber auch keinerlei Hilfsmittel verwendet und Zusatzkleidung angezogen. Mit einem in den Schlafsack gelegten Fleece-Inlet lässt sich die Situation eindeutig entschärfen, auch hätte ich noch ein paar wärmende Schlafklamotten mehr anziehen können. Wenn man das alles berücksichtigt, könnte man durchaus bei unter -10°C im Zelt nächtigen und etwa Schweden auch zu kühleren Jahreszeiten einen Besuch abstatten.

Ganz klar ist aber auch, dass dieses Ergebnis ein punktuelles ist und ein relatives noch dazu. Es gilt nämlich nur für diese ganz spezielle Konstellation an Ausrüstungsstücken und für meine individuelle Psyche und Physis. Dazu zählen Wille und Fähigkeit, sich auch in unangenehmen Situationen zurechtfinden zu lernen, was durchaus erlernbar ist und trainiert werden kann. Dann kann man bei einem nützlichen Mindestmaß an tauglicher Ausrüstung auf den teuren Equipmentwahn verzichten, der letzten Endes nur dazu dient, dem modernen Sesselpupser den gewohnten Wohnkomfort auch in der Wildnis zu gewährleisten. Dann aber braucht auch man kein Trekking mehr zu betreiben.



 
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