Abschnitt 2: Der heiße Norden, Stippvisitie in Nicaragua

Auf nach La Cruz

An Silvester verließen wir Heredia und machten uns im Bus auf den Weg in den Norden Costa Ricas. Früh standen wir auf und fuhren im Taxi zum Mercado Coca Cola, von dem in San José alle Überlandbusse abfahren. Die Stadt verfügt über keinen zentralen Busbahnhof, aber die Busgesellschaften haben ihre Betriebshöfe und Fahrkartenschalter alle in diesem weniger schönen Stadtviertel, das sich rund um eine ehemalige Fabrikanlage des Limonadenherstellers zieht. Das hat einige Nachtteile. Zum einen wirkt dieses Viertel recht verfallen und besitzt eine überdurchschnittlich hohe Kriminalitätsrate, zum anderen findet man sich als busfahrender Tourist nur schlecht zurecht. So mussten auch wir mit dem Taxi erst mehrere Busterminals ansteuern, bis wir endlich das richtige gefunden hatten. Ist man aber erstmal da, verläuft die Abfertigung erstaunlich organisiert. Man gibt sein Gepäck auf, nimmt dann in einer Wartehalle Platz und wird schließlich durch eine Tür zum Bus gelassen. Das Gepäck wird von einem mitfahrenden Angestellten im Laderaum verstaut und ist dort recht sicher untergebracht, da es nur gegen Vorlage eines Gepäckscheins wieder ausgehändigt wird.

Der Bus durchquerte San José und düste über die Carretera Interamericana nach Liberia im Norden Costa Ricas. Das Reisen in den Bussen der Firma Alfaro war, ganz entgegen vorheriger Befürchtungen, angenehm. Die Sitze waren nicht allzu eng und auch die Mitreisenden verhielten sich erstaunlich ruhig. Niemand fing an, Lieder zu trällern oder ähnliche Belästigungen von sich zu geben. Einzig ein Kind plärrte ständig und übergab sich irgendwo hin, was man gut riechen konnte. Zum Glück ließen sich die Fenster öffnen.

Am Mittag erreichten wir Liberia (25.000 EW). Die wegen ihrer ursprünglich mit hellem Quarzgestein gepflasterten Straßen auch "Weiße Stadt" genannte Ortschaft liegt in einer Klimazone, die ganzjährig heiß und trocken ist. Dieses Klima schlug uns nach unserer Ankunft auch sogleich entgegen und ließ uns den Schweiß in Strömen über das Gesicht laufen, als wir, schwer bepackt mit unseren Rucksäcken, nach dem örtlichen Busbahnhof (ZOB) suchten. Vielleicht wäre unser Bus auch dorthin gefahren, doch wir zogen es vor, lieber frühzeitig auszusteigen.

Wir irrten ein wenig umher und konnten uns Dank Claudias gutem Spanisch zum ZOB durchfragen. Hier galt es, in einen Anschlussbus nach La Cruz umzusteigen, der auch an die Nicaraguanische Grenze fuhr, weswegen er höllisch überfüllt war. Während der einstündigen Fahrt mussten wir zwischen schwitzenden Leibern auf dem Gang stehen, während wir hofften, La Cruz nicht zu verpassen. Zum Glück sagte uns eine nette Frau bescheid, als es soweit war.

La Cruz ist eine sehr aufgeräumt und durchaus sympathisch wirkende Kleinstadt im äußersten Norden Costa Ricas, die eine gewisse Bedeutung als Durchgangsstadt auf dem Weg nach Nicaragua besitzt. Etwas höher über dem nahen Meer gelegen, gibt es zuweilen prächtige Aussichten auf die darunter liegende Bahía Salinas, dem Strand.


Spinne in einem Netz, in dem selbst kleine Vögel ihre Schwierigkeiten hätten...
Nun galt es, unsere Unterkunft zu organisieren. Wohnen wollten wir in der Finca Canas Castillas in Sonzapote, die zu den Tucan Hotels gehören. Diese Hotels sind ein loser Zusammenschluss Schweizer Auswanderer, die sich u.a. mit der Vermietung von Unterkünften selbständig gemacht haben. Das Preisniveau liegt im mittleren bis oberen Bereich für Costa Ricanische Verhältnisse, dafür sind die Einrichtungen sehr angenehm und die Betreiber überaus hilfsbereit.

Weil wir nichts gebucht hatten und zudem Silvester war, hatten wir ein wenig Angst, dass die Finca komplett belegt sein könnte, was zelten bedeutet hätte. Zum Glück waren aber noch feste Unterkünfte frei und nach einem Anruf holte uns Agi, die Frau des Betreibers, mit ihrem Jeep in La Cruz ab. Sonzapote ist ein winziges Kaff im Wald und liegt ein paar Kilometer entfernt von der kleinstädtischen Metropole. Bei unserer Ankunft verschlugen uns die schöne Lage der Finca und tolle Einrichtung der Pavillons schier die Sprache. Für knapp 50 US$ pro Nacht (incl. Abendessen und Frühstück) konnten wir in einer Umgebung residieren, für die man anderorts ein Vielfaches bezahlen müsste. Die stilvoll-schlicht eingerichteten Pavillons liegen inmitten üppiger tropischer Natur. Guido und Agi haben einen zudem einen prächtigen Garten angelegt, in dem man, fern ab von aller Hektik und Unrast, wie in einem grünen Paradies lustwandeln kann. Zudem bekamen wir auf der Finca jede Menge Getier zu Gesicht: Horden von Brüllaffen wohnten in den Baumwipfeln, ein Faultier döste in einer Palme vor sich hin und unzählige Insekten, von Ameisen bis zur exotisch-ekligen Spinne, kreuchten durch die Lande. Alles in allem also ein wunderbarer Ort zum Verweilen - vor allem nach dem Stress der Anreise und dem Krach der Großstadt. Obwohl Silvester war und Guido & Agi zusammen mit einigen Gästen eine kleine Feier veranstalteten, fielen wir gegen neun Uhr hundmüde in unsere Betten.



Stippvisite in Nicaragua


Saubere Straße und Gebäude im Kolonialstil in Granada
  Kleiner Überblick über die Geschichte Nicaraguas

Das Verhältnis Costa Ricas zu seinem nördlichen Nachbarn ist alles andere als gut. Die Ursachen dafür liegen zum einen in der Verwicklung des Landes in den Contra-Krieg (die USA ließen die Contras auch vom Boden des ihnen ergeben Costa Ricas operieren) und zum andern im niedrigen Lohnniveau des bitterarmen Nicaraguas, das viele nicaraguanische Wanderarbeiter veranlasst, für billigen Lohn in Costa Rica zu arbeiten. Immerhin ist Nicaragua das ärmste Land Lateinamerikas, sieht man man von der Insel Haiti ab. Dieses schlechte Verhältnis findet seinen Ausdruck nicht zuletzt auch darin, dass es eigentlich nur einen einzigen Grenzübergang zwischen beiden Ländern gibt. In dem öden Grenzort Penas Blancas verbindet die Interamericana die ungleichen Nachbarn.

Ein Reise nach Nicaragua zu unternehmen, lässt sich zwar auch auf eigene Faust organisieren. Weil jedoch bereits Grenzformalitäten und -übergangsprozedur ein bürokratisches Abenteuer höherer Ordnung darstellen und wir außerdem auf fachkundige Führung in diesem auch in politisch-historischer Hinsicht hochpotenten Land nicht verzichten wollten, ließen wir uns von Guido und Agi einen nicaraguanischen Guide vermitteln. Guide Alfonso, ein ehemaliger sandinistischer Offizier im Contra-Krieg, der nun als Fremdenführer arbeitete, organisierte für schlappe 90 US$ die kompletten Grenzformalitäten (incl. Gebühren) und fuhr uns den ganzen Tag in seinem Privatwagen durch das Land.


Zentraler Platz in Granada.
Erste Station am Morgen des Nicaragua-Tages war naturgemäß die Grenze in Penas Blancas. Während auf Costa Ricanischer Seite das Vorzeigen der Pässe genügte, mussten wir uns für die Einreise nach Nicaragua an lange Schlangen vor irgendwelchen obskuren Schaltern anstellen. Das heißt, nicht wir mussten uns anstellen, sondern Guide Alfonso. Weil dieser die Leute, wie er später sagte, aus Zeiten des Krieges gut kannte, wurde er allerdings bevorzugt behandelt. Nachdem er mit unseren Pässen glücklicher Weise schnell wiederkam, mussten wir einen 900 Meter langen Streifen Niemandsland zu Fuß durchschreiten und am Ende erneut unsere Pässe vorzeigen. Erst dann standen wir auf nicaraguanischem Boden und fuhren sogleich in die erste Stadt hinter der Grenze, nach Rivas.

In Rivas, einer bunten Stadt am Ufer des riesigen Lago de Nicaragua, fiel uns erstmals auf, dass die Städte in Nicaragua um ein Vielfaches schöner sind, als in Costa Rica. Die Straßen sind sehr sauber, die baulichen Anlagen gepflegt und weiträumig. Die Schattenseiten erscheinen dann aber außerhalb der Zentren, wenn sich die Armut des Landes in Form unübersehbarer Slums bemerkbar macht. Auch ist die Natur um einiges langweiliger. Wälder bekamen wir keine zu Gesicht, dagegen wurde die Landschaft von weiten Feldern oder steppenhaften Flächen dominiert. In Rivas machten wir eine Stadtrundfahrt per Fahrradrikscha, was zunächst recht befremdlich war. In Rivas schienen Rikschas allerdings ein gängiges Fortbewegungsmittel zu sein.

Weiter gings nach Granada, einer sehr sauberen Stadt mit gut erhaltenen Kolonialbauten im Zentrum. Die Straßen der drittgrößten Stadt des Landes (und ältesten Mittelamerikas) wirkten in der Tat sauber wie geleckt. Ihr Flair war in der milden Wärme des Vormittags unvergleichlich. Sogar ein künstlicher Weihnachtsbaum stand am zentralen Platz. Der Weihnachtsschmuck unterschied sich im Übrigen kaum von dem in Mitteleuropa, obgleich den Menschen in Mittelamerika Schneemänner, Rentiere oder sogar spitz zulaufende Nadelbäume wenig bis gar nicht bekannt sein dürften. Bettelnde Kinder allerdings erinnerten uns trotz der schönen Kolonialgebäude daran, wie arm die Bevölkerung dieses Landes ist.

Vor einem künstlichen Weihnachtsbaum in Granada

Nach dem Mittagessen fuhren wir mit Alfonso weiter in Richtung Masaya. Gerne hätten wir die nicht mehr allzu weit entfernte Hauptstadt Managua besichtigt, doch das mitgereiste deutsche Pärchen (unsere Pavillon-Nachbarn aus La Cruz), wollte lieber Beschaulicheres sehen. Und so führte unsere Route zu etwas klassischeren touristischen Zielen um die Stadt Masaya. Als Ex-Sandinist Alfonso Claudias und mein Interesse für die politische Geschichte Nicaraguas bemerkte, änderte er die Art seiner Erläuterungen und hielt ausführliche Vorträge über den Contra-Krieg und die Somoza-Herrschaft. Zur Verdeutlichung der Greueltaten des Somoza-Clans besichtigten wir mit ihm ein ehemaliges Gefängnis vor den Toren Masayas, in dem Sandinisten eingekerkert, gefoltert und getötet wurden. Im Lichte seiner Taschenlampe wurden wir durch die unverändert erhaltenen Kerkerräume geführt - ein schauriger Ort, der sicher nicht auf dem Plan üblicher Touristenziele stehen dürfte. Zum Ausgleich hatte man von den steinernen Gefängnismauern einen weiten Blick über das Land, sogar bis hin zur gigantischen Kloake des Lago Managua.

In Masaya, einem für seine Hängemattenherstellung bekanntes Örtchen, besuchten wir eine Markthalle, in der von allerlei Handwerksarbeiten über Lederwaren bis hin zum Aschenbecher aus getrockneten Krokodilbabys alles mögliche und unmögliche zu erstehen war. Als Rucksacktouristen konnten wir nicht viel kaufen, was im Hinblick auf die Reisekasse vorteilhaft war, da so manches Schnäppchen im bunten Gewimmel zu finden war.


Der Kratersee Laguna de Apoyo

Die nächste Station an diesem bereits zum Nachmittag hin langen Tages war das Dorf Catarina, das im wesentlichen aus schönen Gärten und vielen bunten Tonarbeiten zu bestehen schein. Oberhalb des Ortes gibt es einen Aussichtspunkt über die Laguna die Apoyo, einen mit Wasser gefüllten alten Vulkankrater. Hier tummelten sich neben vielen Touristen auch viele Händler und Handwerksläden, leider auch einige Musikanten, die volkstümliche Weisen von sich gaben und damit an die unsäglichen Indios in den heimischen Fußgängerzonen erinnerten.

Letzte Station dieses ausgefüllten Tages in Nicaragua war ein Supermarkt in Rivas, in dem wir uns mit original nicaraguanischem Rum eindeckten, der dort zu vergleichsweise deflationären Preisen erhältlich war. Anschließend fuhr uns Alfonso zurück zur Grenze und kümmerte sich um die Ausreiseformalitäten. Ohne seine Hilfe hätten wir möglicherweise für die nächsten zwei Tage nicht zurück nach Costa Rica gekonnt, da ein nicaraguanisches Gesetz die minimale Aufenthaltszeit im Lande auf 72 Stunden festlegt. Die Formalitäten verliefen reibungslos und ein wenig später saßen wir, überladen mit zahllosen Eindrücken, im Jeep von Guido, der uns zurück zur Finca fuhr.


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