Abschnitt 3: Über San José in den feuchtheißen Südwesten

Über die Hauptstadt nach Golfito

An San José kommt man nicht vorbei. Wie sehr dieser Spruch aus einigen Reiseführen stimmt, merkten wir beim Studium der Überlandbus-Fahrpläne. Will man das nicht allzu große Land von Norden nach Süden durchmessen, hat man keine andere Wahl, als genau in der Mitte, sprich in San José, zu Übernachten. Das ist an sich nichts Tragisches, müsste man nicht eine zusätzliche Übernachtung in irgend einem schäbigen Großstadthotel einschieben, inklusive der dazugehörigen Taxifahrten.


San José hat nicht nur schöne Ecken

Die Überlandfahrt von La Cruz nach San José war kein Problem, nur war der Bus voller als auf der Hinreise. Auch wurde von Zeit zu Zeit angehalten, um Polizisten und Milizionäre an Bord zu lassen, die die Pässe der Reisenden kontrollierten - wohl wegen illegaler Nicos (Nicaraguaner). Am späten Nachmittag erreichten wir das Busterminal im ungemütlichen Coca-Cola Viertel der Hauptstadt und versuchten, uns zum Fahrkartenschalter der Firma des Anschlussbusses am nächsten Morgen durchzuschlagen. Mit vollem Gepäck verliefen wir uns ein paar Mal, bis uns ein Passant weiterhalf. Nach dem Fahrkartenkauf nahmen wir ein Taxi zu unserem Hotel, das unweit des Busterminals lag.

Nachdem wir die sonnigen, großzügigen und stilvoll eingerichteten Pavillons der Finca Canas Castillia kennen gelernt hatten, erschienen uns die muffigen Pritschen im dunklen Hotelzimmer um so hässlicher. Es gab nur ein Fenster, das auf einen überdachten Hinterhof mit Waschküche hinausging und sich nicht einmal vollständig schließen lies. Wir unternahmen einen kleinen Bummel durch das abendliche San José und aßen in einem Schnellrestaurant zu Abend, das von einem bewaffneten Posten bewacht wurde. Wahrscheinlich war die Küche nicht immer gut genug. Von unserem Tisch aus konnte ich ein Hinweisschild sehen, das per Piktogramm das Wunschpublikum des Ladens beschrieb: "bitte keine Männer mit langen Haaren!". Wir bekamen trotz meiner Frisur etwas auf den Teller.

Am nächsten Morgen sprangen wir früh aus den verwanzten Federn und ließen uns zum Busterminal fahren. Etwas später saßen wir müde, aber in freudiger Erwartung des feuchtheißen Südens im Pullman. Die Fahrt nach Golfito war schon für sich eine spannende Angelegenheit, weil die Route, stets der Interamericana folgend, über den berühmten Cerro de la Muerte führte. Hierbei handelt es sich um den höchsten Punkt der Interamericana, der auf einer Höhe von 3.300 m.ü.NN liegt.

Der Bus quälte sich durch San José samt seiner endlosen Vorstädte und erreichte schließlich die zentrale Verkehrsschlagader des Landes. Hinter Cartago begann sich die Straße ins Gebirge hinauf zu winden. Trotz der zunehmenden Höhe blieb die Vegetation erstaunlich dicht. Auf Höhen, in denen europäische Berge längst schneebedeckten Fels zeigen, gedieh eine üppige Pflanzenpracht. Selbst ganz oben auf dem "Gipfel des Todes" dominierte sattes Grün, wenn es auch nicht mehr in den Dimensionen und in jener Artenvielfalt wie im Tal vorkam. Den düsteren Namen hat der Pass in früheren Zeiten erhalten, als seine Überquerung lange nicht so komfortabel und gefahrlos möglich war, wie heute. Viele Menschen waren damals bei der Überquerung auf einfachen Ochsenkarren umgekommen, da oft dichter Nebel herrscht und die Temperaturen nachts ungemütlich tief fallen können.


Im Captain Beefheart - Look im Garten der La Purruja Lodge
Nach dem kurzen Gipfelerlebnis wand sich die Interamericana wieder unablässig talwärts, und wir wurden schließlich von herrlichstem Sonnenschein und brütender Hitze empfangen. Ein wenig später hielt der Bus einige Kilometer vor Golfito am Straßenrand an und lies uns mitten auf der Straße aussteigen, da unser auserwähltes Quartier nicht besonders zentral gelegen war. Schwitzend wie die Hunde trugen wir unsere schwere Last zur La Purruja Lodge, die ebenfalls zu den Tucan-Hitels zählt (Purruja heisst im Übrigen eine winzige Moskitoart, die für das menschliche Auge fast unsichtbar ist, aber so gut stechen kann wie ihre größeren Schwestern).

Hier im Süden war das Klima eindeutig ein anderes. Zur Hitze kam eine stickige Feuchtigkeit hinzu und jede Bewegung wurde mit erhöhter Transpiration belohnt. Da in der Lodge alle Hütten belegt waren, mussten wir unsere erste Nacht im Zelt verbringen. Allein der Aufbau unserer Behausung kostete literweise Schweiß; und als das Zelt schließlich stand, nahmen wir ein erfrischendes Bad im Pool. Kaum hatten wir gebadet, zeigte das Tropenklima auch schon seine andere Seite: es begann wolkenbruchartig zu schütten, was in der Wärme bei weitem nicht so unangenehm ist, wie etwa im kühlgemäßigten Deutschland. Dafür ist man ja auch im Regenwald...




Sehenswertes in der Umgebung Golfitos: Mangrovensümpfe und Regenwald


Vor den Mangrovenwäldern
Golfito liegt im Süden Costa Ricas recht malerisch am Golfo Dulce, einem Meeresarm, der das Festland von der Halbinsel Osa trennt - oder umgekehrt. Das Städtchen selbst zieht sich entlang einer etwa fünf Kilometer langen Hauptstraße, die parallel zur Küste verläuft. Auf der dem Meer gegenüberliegenden Seite begrenzen bewaldete Hügel schnell die Besiedlung, so dass Golfito eher lang als breit ist. Es gibt kaum Sehenswürdigkeiten, dafür aber Supermärkte, Restaurants, Internet-Cafés und die Freihandelszone, von der noch die Rede sein wird. Außerdem gibt es noch einen kleinen Flugplatz für Inlandflüge. Als besonders schön oder gar charmant kann man die Ortschaft also nicht bezeichnen, dafür ist sie ein guter Ausgangspunkt für allerlei Unternehmungen im sehenswerten Umland.



Trotz seiner kleinen Größe besitzt der Pfeilgiftfrosch ein hochpotentes Kontaktgift. Hier gilt die alte Regel: alles Bunte ist verdächtig...
Golfito liegt inmitten des Refugion Nacional de Fauna Silvestro Golfito, einem staatlichen Schutzgebiet, das zu 70% aus Primärwald besteht. Zusammen mit einer fachkundigen Begleiterin aus der Purruja Lodge unternahmen wir kleinere "Flußwanderungen" am Rand des Walddickichts. Dabei folgten wir einigen Bachläufen und betrachteten Flora & Fauna. Außer Insekten, Brüllaffen und aggressiven Ameisen sahen wir viele farbenfrohe Pfeilgiftfrösche, die ein auch für Menschen recht giftiges Sekret auf ihrer Haut tragen. (Wie wir am Ende unseres Aufenthaltes in Golfito feststellten, gibt es in Deutschland tatsächlich Vereine, die sich nur mit diesen Tierchen befassen, Zeitschriften zu diesem Thema publizieren und einzig wegen ihnen Abordnungen nach Costa Rica schicken. Wenigstens lungern die Leute dann nicht auf den Straßen herum...). Die tropische Flora war dabei am besten als Riesenausgaben all jener Pflanzen zu beschreiben, die man zu Hause teuer im Fachgeschäft kaufen muss. Eine erfrischende Abwechslung auf diesen Wanderungen waren die kühlen Bäder, die wir in Bachtümoeln nahmen, in denen sich kristallklares Wasser tief genug aufgestaut hatte.



Im Wasserstraßen-Labyrinth des Mangrovenwaldes

Im Süden der Stadt gibt es ausgedehnte Mangrovensümpfe, die von einem unüberschaubaren Labyrinth von Wasserwegen durchzogen sind. Am Tag nach unserer Ankunft mieteten wir uns ein Motorboot mitsamt Steuermann und ließen uns in einer mehrstündigen Fahrt durch den feuchten Urwald schippern. Ab und an stellte der Kapitän den Motor aus, so dass wir in der Stille ein Auge auf die Fauna werfen konnten. Dabei bekamen wir außer einigen bunten Pfeilgiftfröschen auch ein scheues Krokodil zu Gesicht, das mit seinen Glupschaugen vorsichtig über die Wasseroberfläche lugte. Krokodile sind Meister der Tarnung und vom ungeübten Auge kaum von Treibholz o.ä. zu unterscheiden. Nicht auszudenken, wenn das Boot gekentert wäre. So eintönig Mangrovenwälder sind, so sehr faszinieren sie auch mit ihrer ungewohnten Optik. Nach einigen Stunden Fahrt hatten wir schließlich nicht nur viele Eindrücke aufgesammelt, sondern uns auch gehörig die Haut in der Sonne verbrannt. Zurück in der Lodge genehmigten wir uns dann unser wohlverdientes Feierabendbier, mit dem man sich jederzeit aus einem Kühlschrank versorgen konnte. Zur Abrechnung wurde eine Strichliste geführt und die Preise waren überaus zivil.

Am nächsten Tag unternahmen wir eine kleine Wanderung im Bosque Esquinas (Regenwald der Österreicher),die uns einen ersten Eindruck vom Trekking im Dschungel vermittelte. Beim "Regenwald der Österreicher" handelt es sich um das Projekt eines österreichischen Vereins, der sich dem Ankauf dieses neben dem Cocovado letzten Tieflandregenwaldes an der mittelamerikanischen Pazifikküste widmet. Der Wald gehört zu den artenreichsten der Erde und wird auf diese Weise vor Zerstörung geschützt. Mit dem PKW fuhren wir zum Eingang des Schutzgebietes, wo auch die Esquina-Lodge liegt, in der man zu fürstlichen Preisen in einer fürstlichen Anlage aus geschmackvollen Pavillons und tropischem Garten residieren kann. Die hohen Preise kommen aber, so sagte man uns jedenfalls, der Finanzierung des Projektes sowie der Unterstützung der lokalen Infrastruktur zugute.


In Golfitos Hinterland, in der Nähe des Bosque Esauinas

Durch den Wald führten einige Trails, halbwegs begehbare Trampelpfade, die auf einem Plan verzeichnet waren und aus denen man sich, je nach Lust und Kondition, längere oder kürzere Runden zusammenstellen konnte. Wir waren in Begleitung zweier Gäste aus unserer Lodge und wählten daher eine kürzere Runde von ein bis zwei Kilometern Länge. Die hatten es aber in sich. Zunächst ging es auf matschigem Grund bergauf, dann unter ebensolcher Rutschgefahr wieder bergab.
Bei alledem herrschte das übliche feuchtheiße Klima, das den Schweiß schon bei der geringsten Anstrengung aus den Poren quillen lässt. Im Wald herrschte eine erstaunliche Dunkelheit, so dicht war der Bewuchs in den Baumkronen, denn es gehört zur Überlebensstrategie der Pflanzen, sich einen möglichst guten Platz an der Sonne zu sichern, um ein Maximum an Licht abzubekommen. Dieses Licht aber kommt am Boden nicht mehr an und kleine Pflanzen sowie Wanderer tappen förmlich im Dunkeln. Auf halber Strecke nahmen wir ein erfrischendes Band in vertrauenswürdigen Tümpeln.

Wieder zurück, fuhren wir weiter nach Rio Claro, das an der Interamericana liegt und im wesentlichen eine Aneinanderreihung unterschiedlichster Geschäfte ist. Ein sprödes Einkaufsparadies in den Tropen. Wir bummelten ein wenig durch die Läden, unter denen sich auch eine Bäckerei befand, die mit ihrer Auswahl an Backprodukten jeden heimischen Bäcker vor Neid erblassen lassen dürfte. Zurück in unserer Lodge widmeten wir uns dann wieder dem Kühlschrank mit den kühlen Flaschen. Auch konnten wir unser Zelt abbauen und ein Zimmer beziehen.




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