Glühweintour 2009 - oder vom jähen Ende einer Radreise (Dez. 2009)

Das Vorhaben: Eine Rundreise zu den Weihnachtsmärkten von Lübeck, Schwerin, Rostock und Wismar


Noch lange nicht am Ziel...
Die Idee war so nett wie jahreszeitlich angemessen: Vier Weihnachtsmärkte sollten auf einer winterlichen Radreise ins westliche Mecklenburg angesteuert werden. Meinen ersten Glühwein wollte ich auf dem Schweriner Weihnachtsmarkt zu mir nehmen, die nächsten in Rostock und Wismar, die letzten schließlich in Lübeck. Ein sportliches Vorhaben, bei dem in nur vier Tagen weit über 400 Kilometer zu radeln gewesen wären - bei eher schlechten Wetterbedingungen und nur sehr kurzen Tagen.

Leider kam ich nur bis nach Schwerin, wo ein unachtsamer Autofahrer meinem Vorhaben ein so jähes wie ärgerliches Ende bereitete. Ich hatte mein Zelt bereits unter strömendem Regen auf dem Campingplatz in Raben-Steinfeld aufgebaut und war zum Abendessen nach Schwerin geradelt, als ein junger Mann aus einer Supermarktausfahrt herausfuhr, mich trotz Beleuchtung übersah und mir ins Rad fuhr. Ich blieb zum Glück unverletzt, mein Rad jedoch war wegen zerbeulter Felgen und kaputter Antriebsteile nicht mehr zu gebrauchen. Mein Fazit muss daher lauten, dass selbst hohe Achtsamkeit einen Radler nicht vor den Fehlern der KFZ-Fraktion schützt. Und auch, dass das Führen von Kraftfahrzeugen das menschliche Gehirn generell kognitiv überfordert.

Auf nach Schwerin!


Mecklenburgische Landwege
Das Rad ist gepackt und ich habe mich in dicke Klamotten gehüllt. An den Beinen trage ich eine lange Thermo-Radhose mit Knielingen darunter, auf dem Oberkörper ein paar Lagen Thermo-Unter- und Überwäsche nach dem Zwiebelprinzip und auf dem Kopf eine lustige Wollmütze. Noch ist das Wetter einigermaßen gut, doch Temperaturen düpeln um die zwei bis drei Grad herum und der Wetterbericht hat nichts vorhergesagt, worauf man sich freuen könnte.

Um nach Schwerin zu kommen, nehme ich den Standardweg für Radfahrer um nach Schwerin zu kommen. Das bedeutet, dass ich mich über kleine gemütliche Landsträ&szlöig;chen von Kaff zu Kaff nach Südosten hangele - was im Übrigen auch der Richtung des nicht gerade zaghaft blasenden Windes entspricht. Wie immer verlasse ich Lübeck über Herrnburg, das zwar unmittelbar an die Hansestadt anschließt, jedoch schon auf mecklenburgischem Boden liegt. Es ist bereits später Vormittag, was für mich bedeutet, mich zu sputen. In Norddeutschland setzt die Däerung schon gegen drei Uhr Nachmittags ein und eine knappe Stunde später ist es vorbei mit dem Tageslicht. Im Hellen werde ich zwar heute nicht mehr ankommen - aber zum Gück kenne ich den nicht ganz einfachen Weg zum Campingplatz recht gut und dürfte ihn auch im Dunkeln gut finden.


Mecklenburgisches Dorf


Auf dem Weg nach Gadebusch

Im Regen in die Dämmerung


Gadebusch
Über Lüdersdorf, Wahrsow und Stove geht es entlang der eher langweiligen L2 nach Carlow. Kurz hinter Groß Rünz verlasse ich die L2 und biege auf einer kleinen Stichstraße in Richtung Roggendorf ab. Die Dörfer werden immer kleiner und auch die Fahrbahn scheint mich mit immer weiteren Schäden beglücken zu wollen. Erste Regentropfen landen auf meiner Jacke und schon längst ist es nicht mehr so hell, wie bei meiner Abfahrt. Der kühle Gegenwind macht scheint auch nicht viel davon zu halten, mich noch im Hellen in die Nähe Schwerins kommen zu lassen.

Hinter Breesen biege ich auf einem weiteren Nebenweg nach Gadebusch ab, weil ich mir die verkehrsreiche B208 ersparen möchte. Eine gute Wahl, denn für die nächsten Kilometer radele ich durch ein bilderbuchartiges Landidyll mit lauschigen Alleen. Im Sommer muss diese Gegend besonders schön sein.

Noch bevor ich Gadebusch erreiche, ist Jackenwechsel angesagt. Der Regen hat deutlich zugenommen und meine luftige Radlerjacke lässt die Nässe so langsam durch. Von einer Regenjacke beschützt geht es nun durch die gemütliche Kleinstadt. Von ihren 5.700 Einwohnern ist kaum einer auf den Straßen zu sehen, was bei diesem Wetterauch kein Wunder ist. Die Dämmerung hat nun endgültig eingesetzt und selbst die gelben Natriumdampflampen scheinen nur blassgrau zu leuchten.


Kalter Asphalt


Räderwerk-Reiserad vor seiner Beschädigung

Nass in Schwerin


Bei Gegenwind nicht nett: Anstieg zum Hütterberg
Von Gadebusch ist es eigentlich nur noch ein Katzensprung bis nach Schwerin. Über die Vietlübber Chaussee radele ich nach Dragun, wobei es anfangs hartnäckig bergauf geht. In Drieberg Dorf ist es dann soweit: Nun muss ich zur Regenjacke auch noch meine Regen-Überhose anziehen, weil es mittlerweile in Strömen regnet. Auch meine Radlerbrille kommt ins Etui, weil man man vor lauter Wassertropfen kaum mehr durch die Gläser schauen kann. Dunkel genug ist es ohnehin.

Zwei Kilometer später bin ich in Gottmannsförde und habe stehe praktisch vor den Toren der Landeshauptstadt. Ein Hindernis muss nun no h gemeistert werden - der immerhin 96 Meter hohe Hütterberg. Deutlich ist zu erkennen, wie die Landstraße zu seinem Gipfel hin aufsteigt, auf dem ein kleiner Fernmeldeturm steht. Im Gegenwind und bei Regen arbeite ich mich hinauf und staune nicht schlecht, wie weit ich in meinen Gängen herunterschalten muss, um das kleine Hügelchen zu bezwingen. Vielleicht sollte ich ein wenig mehr trainieren, denn was würde ich auf einem richtigen Bergpass machen, wenn ich schon am Hütterberg ins Schwitzen komme?

Oben angekommen, rollt es sich dann wieder locker gen Schwerin. In der Dunkelheit begehe ich einen Fehler und verpasse den Nebenweg in die Stadt. An seiner Stelle lande ich auf der verkehrsumtosten B104, die hier nicht einmal einen Radweg besitzt. In der Dunkelheit bei Regen auf einer solchen Hauptverkehrsader durch ein Waldgebiet zu radeln, ist alles andere als schön und ungefährlich. Zum Glück sind es nur fünf Kilometer, bis Schwerin beginnt und ich auf einem beleuchteten Radweg wieder in Sicherheit bin.


Auf dem Hütterberg
Schwerin ist eigentlich alles andere als groß und mit knapp 96.000 Einwohnern die kleinste Landeshauptstadt der Bundesrepublik. Um nach Raben-Steinfeld zu gelangen, wo mein Campingplatz liegt, muss ich sie allerdings in ihrer gesamten West-Ost-Ausdehnung durchradeln - und das zieht sich besonders abends und bei Regen. Besonders viel Zeit kosten mich dabei die offensichtlich auf Dauerrot stehenden Verkehrsampeln. Es dauert eine gute halbe Stunde, bis ich mich zum berühmten Schloss vorgearbeitet habe. Nun muss ich noch die gesamte Südspitze des Schweriner Sees umrunden, dann bin ich endlich am Ziel.

Über die steil ansteigende Johannes-Stelling-Stra&sxzlig;e radele ich vorbei am ehemaligen BUGA-Gelände auf dem Schlossgarten zum Faulen See. Hier lande ich erstmal auf einem dunklen Uferweg, erspare mir aber die ungemütliche B321. Erst am Schweriner Zoo muss ich auf die autobahnähnliche Magistrale, die ich bis zum Stadtteil Muess befahre.

Hier verlasse ich die kreisfreie Stadt Schwerin und befinde mich mit Raben-Steinfeld bereits im Landkreis Parchim. Durch einen düsteren Wald erreiche ich endlich den Campingplatz Süduferperle, der auf einer Halbinsel im Schweriner See liegt. .

Vielen Dank, lieber Autofahrer...

Der Campingplatz ist zwar ganzjährig geöffnet, scheint aber trotzdem völlig verlassen zu sein. Vielleicht stecken in dem ein oder anderen Spießerwohnwagen ein paar Dauercamper, aber das ist witterungsbedingt eher unwahrscheinlich. Auch von den Betreibern fehlt jede Spur. Die Rezeption ist erwartungsgemäß unbesetzt und auf einem kleinen Schild steht, man möge sich bitte im Wohnhaus der Familie melden. Ich tapere hin und klingele, doch niemand ist da. Es regnet in Strömen und langsam kühle ich aus. Es ist knapp über dem Gefrierpunkt und meine Finger werden unangenehm klamm. Hinzu kommt, dass ich völlig durchnässt bin, weil selbst atmungsaktive Regenkleidung den produzierten Schweiss kaum vollständig nach Drauß,en ableitet.

Ich kann nicht länger warten und baue mein Zelt auf einer kleinen Wiese auf. Es gibt kein Licht und meine Stirnleuchte leistet unschätzbare Dienste. Alles trieft vor Wasser; auch das Innenzelt lässt sich kaum trocken aufstellen.

Nachdem ich meine Siebensachen im Zelt verstaut habe, radele ich zurück nach Schwerin um einzukaufen und etwas Warmes zu Essen. Den Weihnachtsmarkt kann ich erst später besuchen, weil ich die Campingplatzfamilie nicht allzu spät herausklingeln möchte um mich anzumelden. Daher nehme ich mein festliches Abendessen in einem Fastfood-Laden im verrufenen Plattenbauviertel Großer Dreesch ein.

Auf dem Weg zurück passiert es schließlich: Auf der Alten Crivitzer Landstraße in Mueß gibt es keinen Radweg mehr. Nicht schlimm, viel Verkehr herrscht hier eh nicht. Ein Kleinwagen steht in der Ausfahrt eines Supermarktparkplatzes und bleibt stehen, als ich fast seine Höhe erreicht habe. In der berechtigten Annahme, sein Fahrer habe mich gesehen, radele ich weiter. Der junge Mann aber gibt Gas und fährt mir in die Seite. Ich falle unsanft vom Rad und bleibe zum Glück unverletzt. Das Rad aber ist so sehr beschädigt, dass ich nach immerhin 96 Kilometern keinen Millimeter mehr fahren kann - nicht einmal mehr bis zum drei Kilometer entfernten Campingplatz. Dieses plötzliche Gefühl der Immobilität ist bitter. Zur Sicherheit rufe ich die Polizei und lasse alles aufnehmen. Dem jungen Mann tut das alles sehr leid - und trotzdem hat es der Depp bis heute (05.01.10) nicht geschafft, den Schaden seiner Versicherung zu melden.

Nachdem die Polizei den Schaden aufgenommen hat, lasse ich mich abholen, denn die Tour lässt sich auf keinen Fall mehr fortsetzen. Mit dem Auto geht es noch kurz nach Raben-Steinfeld, wo ich das Zelt wieder abbaue. Das war mit Sicherheit der kürzeste Aufenthalt in der Geschichte des Campingplatzes. Die Betreiberfamilie ist zwischenzeitlich zwar zurückgekehrt, nimmt aber keine Notiz von mir auf der dunklen Zeltwiese.

Heute ist das Reiserad wieder gesund; ihm ist außer Schäden am Antrieb (Felgen, Speichen, Reifen, Gangschaltung, Kette, Schutzblech) nichts passiert - aber das ist schlimm genug. Meine Glühweintour muss wohl in der nächsten Weihnachtssaison wiederholt werden. Mal sehen, ob es der KFZ-Depp bis dahin geschafft hat, von sich aus seine Versicherung zu informieren...


Da war die Radreise-Welt noch in Ordnung...



Karte

  • Karte West-Mecklenburg


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