Gluehweintour 2010 (Dezember 2010)

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Mal wieder eine versuchte Radreise bei Eis und Schnee


Diese Radreise war lange geplant. Sehr lange. Wir erinnern uns: Meine letzte Glühweintour im November 2009 wurde durch einen unachtsamen Autofahrer jäh beendet. Der junge Mann übersah mich einfach, drückte auf′s Gas und fuhr mir ins Rad. Diese Reise musste ich damals aufgeben - nicht aber die Idee hinter dem Vorhaben, das sich um die wichtigsten Weihnachtsmärkte der Region dreht. Auf dem Plan standen außer Lübeck noch Wismar, Schwerin und Rostock - also alles, was in Sachen Winterstimmung Rang und Namen hat. Im Dezember 2010 sollte eine Neuauflage dieser Tour stattfinden. Diesmal nicht alleine, sondern zusammen mit Ehefrau Claudia. Und diesmal auch nicht mit Schlafsack Zelt, sondern genächtigt werden sollte in günstigen  Bett & Bike - Betrieben.


Mecklenburgische Landstraße
Doch wieder sollte es anders kommen. Den Strich durch die Rechnung machte uns nicht ein unachtsamer Autler, sondern Mutter Natur höchstpersönlich. Und zwar in Gestalt eines recht heftigen Wintereinbruches mit Schnee, starkem Wind, Eisregen und allem, was sonst noch so an Unannehmlichkeiten dazu gehört.

Dabei fing alles sehr vielversprechend an. Mit dem Zug reisten wir bis Schönberg, um uns dann bis Schwerin vorzuarbeiten. An diesem ersten Tag hatten wir noch typisches Hochdruckwetter mit strahlendem Sonnenschein und knapp fünf Grad unter Null. Wir kamen gut voran, denn die meisten der kleineren und mittleren Landstraßen waren vom Schnee geräumt. Auf den Radwegen ging es außerhalb der Ortschaften allerdings eher mühselig voran, denn geräumt war hier kaum. So blieb uns nichts anderes übrig, als konsequent die Fahrbahnen zu nutzen, wo sich der Verkehr zum Glück in engen Grenzen hielt.

So gut wir vorankamen, so sehr froren wir auch - zumindest an den Oberkörpern. Ein typisches Dilemma des Winterradelns: Während die Beine stets in Bewegung sind, wird der Oberkörper kaum beansprucht und kühlt aus. Besonders an den Fingern fror ich trotz dicker Handschuhe stark, denn auf sie prallt der Fahrtwind mit voller Windchill-Wucht. Das bleib nicht ohne Folgen für′s Fotografieren. Meist spürte ich nach wenigen Augenblicken ohne Handschuhe nur noch starke Schmerzen in den Fingerspitzen und beeilte mich, meine Aufnahmen zu machen. Letzten Endes half nur noch aktive Fingergymnastik am Lenker, die Beschwerden einigermaßen in den Griff zu bekommen.

Auch Claudi klagte über die Kälte, die gegen Abend noch um einiges zunahm. Als wir bei einbrechender Dunkelheit schließlich in Schwerin eintrafen, froren wir beide erbärmlich, zumal wir uns auf vereisten Radwegen auch kaum mehr warm radeln konnten.

Freudig bezogen wir unser rundum empfehlenswertes Quartier im  City Fewo Hostel. Dieses liegt nicht nur mitten in der Schweriner Innenstadt und damit nur wenige Meter vom Weihnachtsmarkt entfernt, sondern bietet zudem sehr gute und gepflegte Räumlichkeiten für wenig Geld. Wie es sich für einen Bett & Bike - Betrieb gehört, war auch das sichere Einschließen unserer Räder selbstverständlich. So genossen wir einen schönen Abend im vorweihnachtlichen Schwerin, schlenderten durch die Gassen und Geschäfte und machten es uns schließlich auf unserer gemütlichen Stube bequem.

Am nächste Morgen begrüßte uns ein Tiefdruckgebiet. Vorbei war es mit dem Sonnenschein und der klirrenden Kälte. Der Himmel war trübe und wolkenverhangen. Es blies ein heftiger Wind bei knappen Plusgraden, während sich der Niederschlag nicht so Recht entscheiden konnte, ob er als Regen oder als Schnee herniedergehen wollte. Im Radio warnte man vor Glatteis und Schneeverwehungen, was auch für uns Reiseradler nichts Gutes bedeuten konnte.


Straße nach Alt Meteln
Da wir kaum annehmen konnten, unter diesen Bedingungen die knapp 100 Kilometer bis Rostock radeln zu können, steigen wir in den nächsten Zug nach Bützow. Von dort mühten wir uns bis nach Schwaan, knappe 30 Kilometer vor den Toren Rostocks. Das Radeln auf den rutschigen Landstraßen war alles andere, als ein Vergnügen. Und auch alles andere, als sicher. Denn im trüben Schneetreiben war die Sicht sehr eingeschränkt. Zudem dürfte sich die Aufmerksamkeit der meisten Autler auf die glatte Fahrbahn konzentriert haben, und nicht auf zwei völlig unerwartete Reiseradler im trüben Nichts des Schneetreibens.

In Schwaan wichen wir schließlich auf einen Abschnitt des Radfernweges Berlin - Kopenhagen aus, der hier vorbildlich gut ausgeschildert war. Er führte uns auf einen Feldweg in Richtung Rostock, der im Sommer eine Wohltat für jeden Radtouristen sein dürfte. Hier im Whiteout, in knöcheltiefem Schnee, war kein Fortkommen mehr. Regelmäßig blockierten die Laufräder, wenn sich genügend feuchte Schneemasse zwischen Reifen und Schutzbleche gezwängt hatte. Schnell wurde uns klar, dass wir Rostock so nicht erreichen würden. Und da wir auf den Landstraßen unser Leben nicht gefährden wollten, beendeten wir unsere Glühweintour und steigen in den nächsten Zug nach Bad Kleinen und Lübeck.

Fast eine Stunde lang warteten wir auf dem zugigen Bahnsteig des Schwaaner Bahnhofes. Natürlich draußen in der eisigen Kälte, denn einen Wartesaal gibt es nicht. Klar, das Geld für einen solchen Luxus braucht die Bahn dringender für milliardenschwere Prestigeprojekte wie Stuttgart 21.

Wieder mal hat die winterliche Runde nicht geklappt. Aber was zählt, ist letztlich der Versuch. Und ohne ihn wären wir nicht zu der Erkenntnis gelangt, dass im Winter andere Spielregeln gelten, als sonst. Spielregeln, auf die man keinen Einfluss hat und denen man auch mit guter Ausrüstung nur begrenzt begegnen kann. All das drückt auf die möglichen Etappenlängen, und das vor allem dann, wenn man die eigene Sicherheit im Straßenverkehr nicht in die Waagschale werfen möchte. Aber der letzte Versuch war diese Glühweintour ganz bestimmt nicht...


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Foros © Frank Spatzier / Claudia Santamaria 2010