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Städtereise Stockholm (Mai 2003)

Anreise nach Stockholm und Weiterfahrt in unsere Herberge in Tumba

Im Mai 2003 stieß unser aufkeimendes Interesse an den skandinavischen Ländern auf das unerhört günstige Angebot einer Billig-Airline, die zur Feier der Einrichtung einer Linienflugverbindung von Lübeck nach Stockholm-Skavsta (eigentlich Nyköping-Skavsta) einige Tickets beinahe kostenfrei angeboten hatte. So half die Aussicht auf eine Beförderung für lau meine Bedenken bezüglich der gefährlichen Atmosphärenverschmutzung durch den expandierenden Flugverkehr zumindest zu verdrängen, was letztlich nur durch das mir selbst gegebene Versprechen, in Zukunft zumindest in Europa nicht mehr mit dem Flugzeug zu verreisen, hoffähig werden konnte.

Gespannt auf Stockholm, eines der vielen Venedigs des Nordens, stiegen wir nachmittags in den Flieger und landeten anderthalb Stunden später glücklich auf dem Flugplatz Nyköping-Skavsta, der Lübecks Flughafen Blankensee an Provinzialität um Längen übertrifft und daher eher die Bezeichnung "Flugplatz" verdient. Irreführend ist auch die von der Billig-Airline angegebene Zielbezeichnung "Stockholm-Skavsta", denn noch weniger, als Lübeck Blankensee Hamburgs Airport "Lübeck" ist, hat das Provinznest Skavsta irgendetwas mit Stockholm zu tun - bis auf die Fernbusse, die in die Hauptstadt pendeln. In der Tat ist Skavsta ein knapp 100 Kilometer südlich von Stockholm liegender Stadtteil von Nyköping. Schön ist jedoch, dass die Fernbusse den kleinen Flugplatz in kürzeren Abständen gen Stockholm verlassen, so dass man sich als Städtereisender in der schwedischen Provinz nicht zu sehr verloren vorkommen muss. Die Tickets für den Bus werden an einem unübersehbaren Schalter in der Flugplatzhalle verkauft, und zwar zu einem Preis, der dem unseres Flugtickets bedrohlich nahe kam.

Unsere Fahrt nach Stockholm verlief durch eine mäßig interessante Landschaft, die hauptsächlich aus hügeligem Mischwald und einigen kleinen Felsen besteht - also durchaus dem Hintertaunus oder einer anderen deutschen Durchschnittslandschaft entspricht. Der Großraum Stockholm schließlich, der insgesamt über 1,5 Mio Einwohner zählt (Stockholm Stadt: ca. 670.000 EW), kündigte sich nach einer knappen Stunde Fahrt durch erstaunliche architektonische Grobheiten an. Ganz im Gegensatz zum Klischee der schwedischen Gemütlichkeit in falunroten Holzhäusern zeigten sich hier Betonburgen von teilweise gigantischen Ausmaßen und dem Charme trister Trabantenstädte. Je näher wir nach Stockholm kamen, desto dichter und unschöner wurde die Bebauung; und ich nahm an, dass jene Stadt, die in Reiseführern als so liebenswert und angenehm beschrieben wird, nur ein winziges Eiland inmitten des ansonsten grau-häßlichen Moloches ist.

Ankunft gegen Abend im Stockholmer Busbahnhof City Terminal. Im geschäftigen und zentralen Stadtviertel Norrmalm befindet sich außer Bürobauten und Einkaufsstraßen auch der wichtigste Verkehrsknoten der Stadt. Das sehr helle und geräumige City Terminal ist ein äußerst moderner Busbahnhof und integrierter Gebäudeteil des Stockholmer World Trade Center. Direkt gegenüber befindet sich der Hauptbahnhof (Centralstationen), von dem aus Züge in alle Gegenden Stockholms sowie ins weitere Umland fahren. Mit dem Pendeltåg, einer Art S-Bahn, fuhren wir nach Tumba, wo sich unsere Unterkunft befand.

Tumba ist eine Kleinstadt im Stockholmer Umland, die jedoch nicht mehr zum Stadtgebiet zählt. Da alle erschwinglichen Unterkünfte in Stockholm ausgebucht waren, hatten wir keine andere Wahl, als in dieses Umland auszuweichen - was sich in unserem Falle als ein kleiner Glücksgriff herausstellen sollte. Vom Bahnhof im kaum erwähnenswerten Tumba nahmen wir einen Bus, der uns zu unserer Herberge im Hågelbyparken brachte, die nochmal einige Kilometer außerhalb des Zentrums von Tumba lag. Die Kosten für die öffentlichen Verkehrsmittel (Skavsta - Stockholm, Stockholm - Tumba, Tumba - Hågelbyparken) hatten mittlerweile die der Flugtickets von Lübeck nach Mittelschweden überstiegen! Als Entschädigung dafür entpuppte sich unsere Unterkunft als Glücksgriff. Hågelbyparken ist ein kleiner Park mit herrenhausartigen Villen, der sich früher im Besitz des Fabrikanten Ericsson befand. Heute verwaltet die Gemeinde Tumba das Anwesen und stellt es der Öffentlichkeit kostengünstig zur Verfügung, was u.a. dazu geführt hat, dass die schwedische Jugendherberge in einigen der Villen residiert. So kann man für wenig Geld in einem ausgesprochen angenehmen Ambiente nächtigen, eine voll ausgerüstete Küche benutzen, im Park spazieren gehen und es sich gutgehen lassen.

Das Herz Stockholms: Standsholmen

Am nächsten Tag benutzten wir den teuren ÖPNV in umgekehrter Reihenfolge und trafen am frühen Vormittag im Stockholmer Hauptbahnhof in Norrmalm ein. Über die sehr lebhafte Geschäftsstraße Klarabergsgatan erreichten wir den Drottniggtan, die in westlichen Großstädten unvermeidliche und autofreie Einkaufsstraße. Der Drottninggatan geht in südlicher Richtung in die Brücke Riksbron über, die auf die kleine Insel Helgeandsholmen führt. Hier befindet sich im Riksdagshuset das schwedische Parlament. Über die Brücke Stallbron verlässt man dann die Regierungsinsel und erreicht die Stockholmer Altstadt Gamla Stan. Das flächenmäßig kleine Gamla Stan ist zu einem Großteil für das Image Stockholms verantwortlich; seine engen Gassen und winzigen Plätze machen es völlig zu Recht zum Inbegriff des Stockholmer Stadtidylls. Der Stora Nygatan durchzieht die Insel in fast voller Länge und ist trotz ihrer Enge Stockholms meistbegangene Straße. Durch eine intelligente Stadtplanung konnte hier die Ansiedlung großer Handelsketten vermieden werden, so dass sich ein Kleinladen an den nächsten reiht - und das alles im Ambiente der historischen Häuserfassaden. Der herausragende Gebäudekomplex der Altstadt ist zweifellos das Koniliga Slottet, das Königsschloß, das auf einem kleine Hügel thront, von dem aus man einen schönen Blick auf weite Teile der Stadt hat. Am besten durchwandert man Gamla Stan nach dem Zufallsprinzip, folgt gerade dem Straßenverlauf, der im Nachmittagslicht besonders einladend aussieht, und trifft so auf unverhofft schöne Plätze oder geradezu verwunschene Ecken.


Die Hörtorgshusen in Norrmalm


Enge Gasse in der Altstadt


Gamla Stan: Winziger und urgemütlicher Platz


Gamla Stan: Der Stortorget


Norrmalms Haupteinkaufsstraße, der Drottninggatan


Der Västerlånggatan in Gamla Stan

Das alte Arbeiter- und Handwerkerviertel Södermalm

Hat man sich an der Altstadt statt gesehen, empfiehlt es sich, Gamla Stan über Slussen zu verlassen. Slussen ist eine Schleuse, die sich an der strömungsstarken Verbindungsstelle zwischen dem süßwaserhaltigen Binnenseeausläufer Riddarfjärden und dem salzigen Saltsjön (Salzsee), einem Ausläufer der Ostsee, befindet. Idealerweise beendet man eine Tour durch Gamla Stan am Kornhamns Torg am Südende des Stora Nygatan, einem gemütlichen Platz mit Cafès und einem praktischen Supermarkt. Nach einer kleinen Rast lässt es sich gestärkt über Slussen nach Södermalm aufbrechen.

Slussen ist ein geschäftiges Nebenzentrum Stockholms und gewissermaßen das Eintrittstor nach Södermalm, das auf einem Felsen hoch über der Kernstadt thront. Um auf den Felsen zu kommen, kann entweder der kostenpflichtige Aufzug Katarinahissen benutzt werden, oder aber, wie wir es machten, eine schnöde Holztreppe. Der Aufzug Katarinahissen ist als separater Turmbau an einem modernen Geschäftsgebäude angebracht, über dessen Dach sowie über einige Brückensysteme Södermalm erreicht werden kann, was architektonisch nicht ohne Reiz ist. Allerdings sind vom flächenmäßig sehr großen Södermalm nur wenige Bereiche sehenswert, und das sind vor allem jene Gegenden, in denen die Gegenwart unvermittelt auf die Vergangenheit trifft. Über den Katarinavägen erreicht man den Glasbruksgatan und steht inmitten einer Welt, die sich seit dem 17. Jahrhundert nicht mehr verändert zu haben scheint. In den engen Kopfsteinpflasterstraßen mit den kleinen Handwerkerhäusern macht sich das Idyll vergangener Zeiten breit, während ein paar Straßen weiter der Verkehr durch mehrstöckige Gebäudezeilen tost.

Den schönsten Ausblick auf Stockholm hat man vom langgezogenen Fjällgatan, hinter dem der Felsen Södermalms senkrecht abfällt. Aber nicht nur dort tun sich unvergleichliche Postkartenblicke über die Stadt auf, denn beim Gang durch Södermalm kann hinter so mancher Ecke oder Abzweigung plötzlich ein spektakulärer Aussichtspunkt erscheinen.

Wir ließen uns treiben, schlenderten durch die kleinen Gassen, grünen Plätze und lebhaften Straßen, stiegen dann vom Felsen herab und liefen am Stadsgårdterminalem, einem zentralen Stockholmer Schiffsterminal, vorbei wieder nach Slussen zurück.


Das geschäftige Nebenzentrum Slussen


Alte Handwerkergasse in Södermalm


Unverhoffter Ausblick in Södermalm


Blick über die Stadt von Södermalm aus.

Djurgården, die grüne Lunge Stockholms

Unser zweiter Tag in Stockholm war dem Djurgården gewidmet, dem Stockholmer Naherholungs- und Freizeitspaßgebiet. Wie alles auf unserer Stadterkundung, erreichten wir die grüne Stadtinsel zu Fuß. Vom Hauptbahnhof aus gingen wir nach Gamla Stan, dort über den Slottskajen am Königsschloß vorbei zur Strömbron. Durch den Stallgatan kamen wir dann zum Nybroviken, einer kleinen Ausbuchtung des Saltsjön, wo viele Fähren und Besichtigungsboote ab- und anlegen. Und hier beginnt auch das mondäne Stockholm, das mit dem Strandvägen eine großzügige Prachtstraße mit angrenzendem Yachthafen hat. Über den Strandvägen erreichten wir schließlich über die Djurgårdensbron die Parkinsel, die schon von weitem durch die Fahrgeschäfte von Gröna Lund und die Halle des Vasamuseet erkennbar ist.

Der größte Rummel auf Djurgården findet gleich am Anfang statt. Hier befindet sich das sehr empfehlenswerte Vasamuseet, in dem das geborgene und konservierte Prachtschiff Gustav Adolfs II, das im Jahre 1628 gleich nach seinem Stapellauf gesunken war, aufgebaut ist. Auf mehreren Stockwerken können alle Teile des gigantischen Schiffs begutachtet werden, dazu gibt es eine Fülle an Information über Leben und Arbeiten an Bord solcher Segelschiffe. Hinter dem Vasamuseet befindet sich der eigenwillige Bau des Nordiskamuseet, das ganz der nordischen Kultur gewidmet ist. Ein wenig weiter befindet sich der unverschämt teure Vergnügungspark Grona Lund Tivoli, auf dem der profanen Unterhaltung ausgiebig gehuldigt werden kann. Etwas ziviler im Eintrittspreis, dafür viel umfangreicher an Sehenswertem, ist das Freilichtmuseum Skansen, in dem neben einem Zoo mit typischen Tieren Skandinaviens die originalen Häuser und Gehöfte aus allen Ecken Schwedens aufgebaut sind.

Der übrige Teil der erstaunlich großen Insel besteht aus Wald und nahezu unberührter Natur; nur noch eine Handvoll vereinzelter Villen liegen weit verstreut im Grünen versteckt. Je weiter man in Djurgården vordringt, desto mehr gelangt man in die Abgeschiedenheit, in der es schwer fällt, sich in Erinnerung zu rufen, dass man sich trotzdem inmitten der schwedischen Hauptstadt befindet.


Weit und breit nur Natur im Djurgården



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