Rutschpartie

Von den Nöten der Radfahrer im Dauerwinter 2009 / 2010


Schlutuper Straße, Lübeck-Marli

Der Winter 2009 / 2010 wird vielen Radfahrern noch lange in Erinnerung bleiben, als wochenlange Kälte, Schnee und Eis den Verkehr fest im Griff hatten. Während die Fahrbahnen zumeist geräumt wurden, verwandelten sich die meisten Radwege in eisverkrustete Schlitterpfade und machten jede Radfahrt zum kräftezehrenden Risiko. Blicken wir daher zurück auf einen rutschigen Jahresbeginn 2010.

Die Hose kann schon wieder in die Wäsche. Ich bin auf dem Weg in die Lübecker Innenstadt und radele auf der Fahrbahn. Meiner Knochen zuliebe, denn die Radwege sind vereist, nicht geräumt und kaum zu befahren. Es schneit, Matsch liegt auf dem Asphalt. Plötzlich überholt mich ein Bus. Seine dicken Räder pflügen durch Pampe, die in hohem Bogen durch die Luft spritzt - und schmutzbraun auf meinen Beinen landet.

Dabei sind die motorisierten Verkehrsteilnehmer dieser Tage erstaunlich rücksichtsvoll, wenn man sich auf zwei Laufrädern zu ihnen gesellt. Nur ganz selten hupt es mal rechthaberisch, denn die meisten wissen um die Nöte der Radfahrer. Selbst Fußgänger machen bereitwillig Platz, wenn mal wieder nur der Pflichtstreifen vom Eis befreit ist, der Radweg aber unter weißen Schichten versunken bleibt. Zu räumen haben ihn die Anwohner nicht; und obwohl auch Städte wie Gemeinden einem Urteil des Bundesverwaltungsgerichtes zufolge die Pflicht zur Räumung verkehrswichtiger Radwege innerorts haben, zeigt sich dort zumeist nur blankes Eis.

Liegt frischer Schnee, kommt man zwar halbwegs passabel voran. Doch nur allzu oft lauert darunter die Gefahr in Form gefrorener Spurrillen oder glatter Eisflächen. Dann hilft meist nur noch das Ausweichen auf die Fahrbahn, will man einigermaßen schnell und sicher vorankommen. Verkehrswidrig ist das nicht, denn eine etwaige Benutzungspflicht entfällt, sollte der Radweg weder geräumt noch gestreut sein. Spaß macht es aber kaum, sich eine volle Fahrbahn mit genervtem Kraftverkehr teilen zu müssen. Denn auch hier verengt festgefahrener Schnee gerne die Spuren; und ist er angetaut und matschig, landet er schneller auf den Klamotten, als man in die Pedale treten kann.

All dieser Widrigkeiten zum Trotz, kurbeln immer noch viele Radfahrer wacker durch den Winter. Aber ihre Stimmung nähert sich häufig der frostigen Außentemperatur an. So etwa Uwe H. aus Lübeck-Marli, der jeden frühen Morgen auf dem Fahrrad zur Arbeit fährt und nachmittags wieder zurück. "Meistens fahre ich auf der Fahrbahn und ziehe im Dunklen eine Warnweste über", erzählt der städtische Angestellte, der vom Dauerwinter lange schon "die Schnauze voll hat", wie er freimütig zugibt. Auch er würde sich über eine bessere Räumung der Radwege sehr freuen, schließlich sei er auf sie angewiesen.

Ganz ähnlich geht es Christiane Weinert aus dem Lübecker Stadtteil Eichholz. Sie studiert an der örtlichen Fachhochschule und muss regelmäßig Seminare und Vorlesungen besuchen. Zwar kann sie als Studentin den Busverkehr kostenlos nutzen, doch zwischen ihrer Wohnung und der FH gibt es keine Verbindung. Also muss das Fahrrad her - auch im dicksten Winter. Sie schimpft ebenfalls über unbefahrbare Radwege und weicht auf die Fahrbahn aus. "Schon schon aus Trotz, damit alle sehen, wie wenig für Radfahrer getan wird", ärgert sie sich. "Radwege sind gleichberechtigte Verkehrswege und sollten auch so behandelt werden", meint sie und radelt in den abendlichen Verkehr hinein.

Aber es gibt auch andere andere Stimmen. So etwa Claudia Santamaria, ebenfalls aus Lübeck-Marli. Die leitende Angestellte lässt in der Eiszeit gerne mal das Auto stehen und steigt dafür auf′s Rad. "Ich habe gerade in den Seitenstraßen furchtbare Probleme, einen Parkplatz zwischen den Schneehaufen zu finden. Mit dem Rad geht das viel besser", erklärt sie. Auch sie weiche oft auf die Fahrbahn aus, habe mit ihrem soliden Reiserad aber nicht so viele Schwierigkeiten auf ungeräumten Radwegen. "Außerdem bekomme ich an der frischen Luft einen klaren Kopf und tue etwas für meine Fitness", freut sich die aktive Radfahrerin, die im Übrigen zu den wenigen Menschen gehört, die dem Dauerwinter selbst nach Wochen noch positive Seiten abgewinnen können.

Der Wetterbericht hat indes eine leichte Erwärmung angekündigt. Da bleibt zu hoffen, dass der Winter 2009 / 2010 schnell zu einer kühlen Erinnerung werden möge - selbstredend ohne bleibende Blessuren durch Stürze auf Eis und Schnee.

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