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Vejlby, Westjytland (Dänemark), November 2008

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Teil 2: Gesichter des Landes

Lemvig


Lemvig
Viel los ist in dieser Ecke Dänemarks beileibe nicht. Wenn Jütland schon für dänische Verhältnisse dünn besiedelt und sehr ländlich geprägt ist, dann gilt dies für diese westliche Ecke der Halbinsel erst recht. Die einzigen Städte in der näheren Umgebung sind gerade mal größere Dörfer; und wer wirklich Trubel braucht, muss schon ziemlich weit fahren. Lemvig ist mit 18.000 Einwohnern die nächstgrößere Stadt in der Region. Hier lassen sich Dinge kaufen, die man in den übrigen Käffern nicht findet - so etwa Bekleidungs- und Elektroartikel oder Kinderspielsachen. Sogar einen gehobenen Weinladen gibt es. Lemvig schmiegt sich an das Südufer des Limfjordes an, dessen Ausläufer hier Nissum Bredning genannt wird.

Abgesehen vom planetstien ("Planetenweg"), der die Planeten unseres Sonnensystems in einem Maßstab von 1:1.000.000.000 einschließlich ihrer Abstände maßstabsgetreu abbildet, gibt es hier keine Sehenswürdigkeiten. Gepflegte Langeweile liegt über den Häuschen, von denen einzig die mittelalterliche Zwiebelturmkirche ein wenig heraussticht. Auf einer Bank vor dem Postamt treffen sich ein paar Jugendliche und schlagen die Zeit tot. Allesamt tragen sie Frisuren, die an die japanische Manga-Jugendmode erinnern und in Dänemark wie Norwegen oder Schweden beliebt zu sein scheinen. Angenehm fällt auf, dass die kleine Fußgängerzone nur mit heimischen Geschäften besetzt ist und die immergleichen Filialisten weitgehend fehlen, die vielen Innenstädten weltweit das uniforme Gesicht globalisierten Einheitskommerzes überstülpen. Dennoch, nach nur wenigen Minuten haben wir alles gesehen und wissen nicht mehr so recht, was wir in Lemvig noch verloren haben. Schneller als geplant, sitzen wir wieder im Auto und fahren zu unserem Häuschen zurück, wo Sauna, Glühwein mit Rum und die wilde Nordsee auf uns warten.


Fußgängerzone in Lemvig


Der kleine Hafen am Nissum Bredning

Entlang des Ferring-Sees


Einstieg in den Uferpfad bei Ferring
Im Sommer (angeblich) ein Paradies für Angler und Windsurfer, im Winter ein trüber, kalter Süßwassersee - der Ferringsee bietet eine Abwechslung vom Meeresstrand, ist aber nur einen Steinwurf davon entfernt. Wenn man auf den ausgedehnten Strandwanderungen mal andere Eindrücke sammeln will, als das meditativ-monotone Meeresrauschen, kann man einen Teil des Weges zwischen Vejlby und Ferring auf dem Uferpfad am gleichnamigen See zurücklegen. Dieser verläuft zwischen See und den unter Naturschutz stehenden Dünen, die das Gewässer erfolgreich vor dem gierigen Zugriff der Nordsee schützen.

Aus südlicher Richtung befindet sich Einstieg in den Uferpfand am nördlichen Ortsende von Ferring, oder vielmehr dort, wo die Ferienhaussiedlung in Dünennähe in den breiten Schilfgürtel übergeht. Vejlby ist am anderen Ende des Sees gut auszumachen, sieht aber recht klein und weit abgelegen aus.


Ferring-See


Im Morast gelandet


Das nasse Pfad zwischen See und Dünen
Gespannt stapfen wir über den schmalen Pfad. Schon von den Dünen aus haben wir gesehen, dass weite Bereiche unter Wasser stehen. Da sich der Pfad jedoch praktisch an jeder beliebigen Stelle in Richtung Dünenweg verlassen lässt, versuchen wir unser Glück. Immer wieder steht der Weg unter Wasser und zwingt uns durch das Ufergras. So wird die Wanderung wenigstens kurzweilig, weil wir nicht in endloser Gleichförmigkeit über den Sandstrand gehen müssen. Abwechslung ist das Stichwort, das die drei Kilometer Uferpfad subjektiv zusammenschrumpfen lässt.

In den Pfützen auf dem morastigen Boden fallen uns die vielen öligen Schlieren auf. Wir können uns allerdings kaum vorstellen, dass es sich dabei um Umweltverschmutzung handelt, obgleich das Chemiewerk Cheminova nur knappe zehn Kilometer entfernt ist. Dort wurde vor Jahren in einer Welle industrieller Verantwortungslosigkeit Chemiemüll ins Meer gekippt, so dass ein Strandabschnitt noch heute verseucht ist. Da die Cheminova ihren Beitrag zur Zerstörung der Biosphäre bereits abgeleistet hat, vermuten wir hier eher organische Hintergründe.

Irgendwann passen wir nicht richt richtig auf und verlieren den Weg aus den Augen. Bis zu den Knöcheln stehen wir im sumpfigen Morast und holen uns nasse Füße. Das hat den Vorteil, dass wir fortan keine Umwege mehr um die Pfützen machen müssen, denn trocken werden die Schuhe nun erst mal nicht mehr. So vergeht die Zeit auch schneller, bis wir unser erstes Glas Glühwein in den Händen halten.


Links der Ferring-See, rechts das Meer


Strandwanderung Vejlby - Bovbjerg Fyr - Vejlby (ca. 12km)


Bovbjerg Fyr


Wer sich ein wenig mehr in Sachen Strandwanderung austoben möchte, kann von Vejlby zum Leuchtturm Bovbjerg Fyr bei Ferring marschieren und wieder zurück. In der zweiten Woche unseres Aufenthalts nehme ich diese meditative Wanderung in Angriff. Das Wetter ist mir sehr gewogen; zwar fegen dickere Wolken über den Himmel, machen aber auch gelegentlich Platz für blaue Abschnitte.

Über den Dünenweg geht es in Richtung Ferring. Am Anfang sorgt ein sandiges Auf und Ab für sportliche Akzente, bevor der Weg schließlich in eine befahrbaren Arbeitsstraße übergeht. Der Grund dafür ist die ständige Notwendigkeit der Küstenbefestigung, ohne die die Nordsee große Teile Dänemarks im Laufe der Zeit einfach wegspülen würde. Und so ist man bei Ferring ist man gerade damit beschäftigt, massive Steinquader in den Dünensand zu drücken. Der Lagerplatz für die fast mannshohen Betonsteine sieht dabei aus, wie eine Miniaturausgabe des Berliner Holocaustdenkmals.


Gedenkstein
In Ferring geht es zunächst am Haus des Künstlers Jens Søndergard und seinen Skulpturen vorbei, die stumme Grüße in Richtung Meer zu schicken scheinen. Anschließend windet sich der Weg die Steilküste hinauf, auf deren höchsten Punkt der 1877 errichtete Leuchtturm steht. Ganz oben befinden sich noch größere Bunkerreste des früheren Nordatlantikwalls, ein bronzezeitlicher Grabhügel, der Hesthøj (Pferdehügel), sowie ein architektonisch reizvolles Wohnhaus. Nach Süden hin eröffnet sich der Blick in Richtung Trans und Thorsminde, ein Zeichen für mich, den Rückweg anzutreten.

Ich steige auf einer langen Treppenstiege zum Strand hinunter und marschiere den gesamten Weg am Wasser entlang zurück. Manchmal scheint die Sonne, so dass mir mein langgezogener Schatten die Richtung zeigt. Unterwegs begegnen mit nur wenige Leute, den größten Teil des Weges marschiere ich völliger Einsamkeit. Dabei schweifen die Gedanken ab, kreisen mal um dieses, mal um jenes Thema - darin liegt sicher einer der Hauptnutzen des Strandwanderns. Bleibt zu hoffen, dass sich alle dabei geschmiedeten Pläne auch umsetzen lassen.


Treppenstiege zum Strand


Steilküste am Bovbjerg










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