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Tagestouren: Lübeck - Hamburg und zurück

Juni 2008, ca. 155 Km


Die Route (Zum Vergrößern bitte anklicken!)

Cruising for Shrimppowder


Das Shrimppulver war mir ausgegangen. Es stammte aus Bangkok, und in Lübeck sind Asialäden derart dünn gestreut, dass ich in Hamburg mein Glück versuchen musste, kostbaren Nachschub zu erhalten.

So machte ich mich eines schönen Tages im Juli 2008 mit dem Rad auf in die große Hansestadt an der Elbe. Und wegen des Trainingseffekts am gleichen Tag wieder zurück nach Lübeck, alles in allem knapp 160 Radkilometer am Stück für ein Glas Krabbenpulver. Um es vorwegzunehmen: auch in Hamburg habe ich das leckere Gewürz nicht bekommen. Ich muss demnächst wohl nochmal hin, um in anderen Läden herumzustöbern - natürlich wieder mit dem Rad. Nachfolgend ein paar aufbereitete Notizen aus meinem Tourenbuch.


Km 10,20: Lübeck-Moisling
Km 0 - 13: Aus Lübeck herauszukommen, ist immer eine mühselige Angelegenheit. In Hamburger Richtung zieht sich die Stadt wie warmer Käse. Gerade morgens ist viel los auf den Straßen der Hansestadt, aber zum Glück gibt es fast überall Radwege. Um die radweglose B75 zu vermeiden, verlasse ich Lübeck über den wegen seiner Wohnblockbebauung und unausgewogenen sozialen Durchmischung leicht verschrieenen Stadtteil Moisling in Richtung Niendorf. Letzteres zählt noch zum Bezirk Moisling, besteht aber überwiegend aus Einfamilienhäusern und strahlt ein gewisses bürgerliches Idyll aus.

Nach weiteren drei Kilometern habe ich die Stadt schließlich hinter mir gelassen und radele durch weite Raps- und sonstige Felder auf Klein Weserberg zu. Nur die nahe A1 stört ein wenig das ländliche Ambiente.


Km 13: Landstraße nach Klein Weserberg


Km 30: Bad Oldesloe, Trave
Km 13 - 33: Die Sonne scheint und die Landschaft ist lieblich, was will man mehr. Nach Klein Weserberg bemüht sich die Topograhie um die Ausbildung leichter Hügel. In Barnitz sind erste und für Norddeutschland recht beachtliche Steigungen zu bewältigen. In Meddewade folgt der zweite, diesmal sehr langgezogene Anstieg. Die gesamte Ortschaft zieht sich entlang einer stetig bergauf weisenden Hauptstraße. Zum Ausgleich kann ich hinter dem Ortsschild mit Tempo 40 in die ersten Stadtteile von Bad Oldesloe hineinrollen. Die Kleinstadt (ca. 25.000 EW) ist Verwaltungssitz des Landkreises Stormarn, der zwischen der kreisfreien Stadt Lübeck und Hamburg liegt.

Viel zu sehen gibt es hier nicht, allerdings kann ich ab und an einen Blick auf die Trave werfen, die grünlich durch die Stadt blubbert. Bad Oldesloe markiert zudem in etwa die Hälfte der Strecke zur Hamburger Stadtgrenze. Ortswegweiser fallen allerdings pessimistischer aus: Nach Hamburg werden 43 Kilometer ausgewiesen, während meine bisherigen Leistungen nur mit 22 Km beziffert werden.


Km 41: B75 zwischen Foggensee und Bargteheide


Km 45: Ortsdurchfahrt Bargteheide
Km 33 - 53: In Bad Oldesloe gerate ich auf die B75, die ab hier bis Hamburg mit einem durchgängigen Radweg gesegnet ist. Zwischen Oldesloe und Lübeck gibt es diesbezüglich noch erhebliche Lücken, was ein Umfahren der verkehrsreichen Straße ratsam macht. Bei Kilometer 40 lege ich eine erste Rast ein und esse eine öde Stulle, bevor ich gezwungen werde, den Radweg kurz zu verlassen und Neritz zu durchqueren. Zwar herrscht hier kein Verkehr, dafür besteht das komplette Kaff aus alternativlosem Kopfsteinpflaster, was für den Radler besonders erfreulich ist.

Mit dem Ortsausgang erreiche ich wieder die B75, die mich durch eintöniges Agrarland langsam auf den Ballungsraum Hamburg zuführt. Nach einigen langweiligen Kilometern radele ich durch das Städtchen Bargteheide und ein wenig später durch Ahresburg, das bereits im unmittelbaren Dunstkreis Hamburgs liegt und mit knapp 30.000 Einwohner die größte Stadt des Landkreises Stormarn ist. Hier befindet sich auch das weißgetünchte Renaissanceschloss Ahrensburg, eine bekannte Sehenswürdigkeit der Stadt.


Km 53: Hamburg in Sicht!


Km 60: Stadt- und Landesgrenze zu Hamburg
Km 53 - 65: Nach der Durchquerung des geschäftigen Ahrensburg geht es über die B75 schnurstracks auf Hamburg zu. Erst folgt eine weite Ackerfläche, doch an ihrem Ende sind bereits die Schornsteine der Hansestadt zu erkennen. Ziemlich genau bei Kilometer 60 erreiche ich die Stadt- und Landesgrenze. Die mit über 1,7 Millionen Einwohnern immerhin zweitgrößte Stadt der Bundesrepublik beginnt allerdings schleppend mit dem halbländlichen Stadtteil Volksdorf. Der Radweg entlang der Bundesstraße ist in einem erbärmlichen Zustand, und es rüttelt und schüttelt mich auf jedem Meter. Überhaupt scheint es hier, am Tor zum Tor zur Welt, keine gepflasterten Bürgersteige zu gegeben. Doch schnell nehmen Urbanität und Verkehrsdichte zu. Spätestens am Beginn des Stadtteils Rahlstedt haben die ländlichen Randgebiete ein Ende genommen und die Großstadt hat mich geschluckt - endlich!


Km 65: Endlich Großstadt in HH-Rahlstedt


Km 73: HH-Wandsbeck, Wandsbeker Chaussee
Km 65 - 75: Hinter Rahlstedt folgt der unspektakuläre Stadtteil Tonndorf, und ein wenig später schließlich das trubelige Wandsbek, bereits ein eigenständiges Nebenzentrum Hamburgs. Mit der Wandsbeker Marktstraße beginnt ein ausgedehntes Einkaufsviertel mit den großen Filialen der üblichen Einheitskaufhäuser. Je weiter ich in Richtung Innenstadt radele, desto kleiner werden die Läden, die das immergleiche Allerlei der Filialisten wohltuend ablösen und einen bunten Mikrokosmos kleinunternehmerischer Vielfalt bilden. Leider schrumpft mein Radweg hier auf ein Minimum zusammen und fällt den vielen Passanten häufig kaum auf. Die Klingel ist im Dauereinsatz.

Am Ende der langen Wandsbeker Chaussee beginnt schließlich St. Georg mit seinen modernen Hochhäusern. Diese können aber nicht darüber hinwegtäuschen, das der zentrale Stadtteil ein im Vergleich zu St. Paul zwar weniger bekanntes, dafür aber trotzdem recht beachtliches Rotlichtviertel beherbergt. Hier ist es wie in vielen Städten: die Nähe des Hauptbahnhofs wirkt sich auf die Infrastruktur aus.


Km 75: HH - St. Georg


Km 78: Uni Hauptgebäude, Umkehrpunkt
Km 75 - 78: Bei knapp 30 Grad Lufttemperatur radele mitten hinein ins Herz Hamburgs. Allerdings besitzt die Hansestadt mehrere Herzen, sprich Stadtzentren. Mich interessiert heute nur die unmittelbare Bahnhofsnähe, denn hier, im Zentrum St. Georgs, befindet sich der Asia-Supermarket, der hoffentlich mein ersehntes Krabbenpulver führt. Doch zunächst muss ich ein anderes dringendes Bedürfnis eher körperlicher Art befriedigen. Das ist nicht leicht in einer Großstadt, in der man für derartige Unternehmungen gerne Geld verlangt (besonders in St. Georg...). Ich komme zu dem Schluss, dass das altehrwürdige Hauptgebäude der Hamburger Universität ein guter Ort für ein kostenloses Wasserlassen darstellt, schließlich habe ich dort ein paar Jahre studiert und neben Hirnschmalz auch Semestergebühren gelassen.

Vorbei an Hauptbahnhof, Außenalster und Dommtorbahnhof radele ich zum Hauptgebäude an der Edmud-Siemers-Allee. Nachdem alles vollbracht ist, steige ich wieder auf den Sattel und mache mich auf den Weg zum Asia-Supermarket. Hier ist also Wendepunkt der Radtour, ab Kilometer 78 geht es wieder zurück in Richtung Lübeck.


Km 78: Selbstportrait am Umkehrpunkt


Km 80: Bahnhof Dammtor


Km 82: Am Asian-Supermarket
Km 78 - 83: Guter Dinge und erleichtert pedaliere ich wieder zurück nach St. Georg. Hier liegt, fast im Schatten der namensgebenden St.-Georgs-Kirche, der thailändische Asian-Supermarket. Voller Erwartungen stöbere ich durch die engen Gänge, finde aber kein Krabbenpulver. Eine Nachfrage beim Personal hat zum Ergebnis, dass ich umsonst hierher geradelt bin. Zum Ausglich kaufe ich paar andere Sachen, insbesondere rote Currypaste zum Zubereiten scharfer Currysuppe mit Gemüse auf Basis von Kokoscreme - lecker. Hier begehe ich aus purem Übermut einen kleinen Fehler.

Wenn die brennende Nachfrage Durst auf ein Angebot in Form einer Dose importierten Chang-Bieres stößt, kann der Verstand schnell in die Mittagspause geschickt werden. Kurz, anstelle meinen Flüssigkeitsverlust mit Wasser auszugleichen, genehmige ich mir eine Dose kühles Bier. Wieder im Sattel, radele ich gutgelaunt an der Außenalster vorbei in Richtung Mundsburg. Im Schatten der Mundsburg-Türme (mit 101 Metern Höhe eins der höchsten Wohnhochhäuser Deutschlands) macht sich schließlich das Bier in den Beinen bemerkbar. Nach knapp 85 Kilometern scheint sich hier Gummi breit zu machen - und ich habe gerade erst die Hälfte meiner Tour rum...


Km 81: Stadtpanorama


Km 85: Mundsburg-Zentrum


Km 95: Ehrenmahl vor dem Ehrenmal in HH-Bergstedt
Km 83 - 95: Wenn man schon aus dem kleineren Lübeck so lange braucht, um die aus der Stadt herauszukommen, findet das gleiche Unternehmen in Hamburg in der obersten Liga statt. Wegen der miesen Radwege an der B75 in Volksdorf, verlasse ich die Stadt diesmal über die B434. Über die Bramfelder Straße geht es mit minimaler Steigung durch Uhlenhorst nach Barmbek. Hier muss ich eine kleine Rast einlegen und versorge mich in einem Kiosk erst mal mit Wasser. Wie es scheint, habe ich immer wieder Schwierigkeiten, mich an die Goldene Regel zu halten, den Wasserhaushalt auszugleichen, bevor quälender Durst aufkommt. Und das Bier hat auch nicht gerade zu einer Besserung der Situation beigetragen.

Doch nach einigen Flaschen türkischen Mineralwassers kehren mit den Lebensgeistern auch die Kräfte wieder zurück in die Beine. Nun lande ich wohl doch nicht auf dem Friedhof Ohlsdorf, dem größten Parkfriedhof der Welt (!), der in Höhe Bramfeld mahnend auf meiner Route liegt. Am Ehrenmahl in Bergstedt, schon wieder im ländlicheren Stadtrand gelegen, esse ich noch eine letzte Stulle, bevor es zum Kilometerfressen auf die Landstraße geht.


Km 100: Ammersbek - wieder raus aus Hamburg


Km 116: Nerviges Kopfsteinpflaster in Neritz
Km 95 - 118: Fast genau bei Kilometer 100 erreiche ich wieder die Stadt- und Landesgrenze Hamburgs und lande in der Gemeinde Ammersbek. Diese grenzt direkt an Hamburg an und liegt folglich mit Haut und Haaren im unmittelbaren Dunstkreis der Metropole. Mit der Hauptfahrtrichtung hat sich leider auch die Hauptwindrichtung geändert und die Luftmassen kommen mir, passend zu den leicht müden Beinen, zur Abwechslung spürbar entgegen. Aber auch ich wachse mit meinen Herausforderungen.

Nach einer halben Stunde komme ich in Bargtheide wieder auf die B75, der ich diesmal in umgekehrter Richtung bis Lübeck folgen werde. Kurz hinter Neritz mache ich eine kleine Zwischenrast, um Kräfte für den unangenehmen Teil der Strecke zu sammeln: Auf der B75 gibt es einige radweglose Abschnitte, die zu umfahren mir diesmal ein wenig die Muße fehlt...


Km 118: Letzte Rast vor Bad Oldesloe


Km 140: mal wieder Radweg-Ende bei Reinfeld
Km 118 - 145: Bad Oldesloe ist wieder mal für eine Überraschung gut. Am Ortsausgang in Richtung Lübeck prangt eine fette Baustelle. Nur eine dünne Spur steht dem vielen Verkehr zur Verfügung und ein Radler wäre kaum zu überholen. Also schalte ich runter, radele über den Baustellensand neben der Fahrspur den Berg hoch und entkomme so der unangenehmen Situation. Wieder auf der radweglosen Teerstraße angekommen, erweist sich die Ampelschaltung der Baustelle allerdings als Vorteil. In längeren regelmäßigen Intervallen habe ich keinen Verkehr von hinten.

Auch in Reinfeld fehlt auf längeren Abschnitten der Radweg. Die meisten Autofahrer überholen mich mit gebührendem Abstand. Als dann plötzlich ein tiefergelegter Golf mit weit über hundert Sachen in der kurvigen Strecke an mir vorbeischießt, wird mir für kurze Zeit mulmig. Mir bleibt nicht viel, als dem Arschloch, das mein Leben zumindest in die Nähe der Gefahr gebracht, den ausgestreckten Finger hinterher zu recken. Kindern sollte man prinzipiell keine Kraftfahrzeuge in die Hände geben...

Wie sehr ich damit recht habe, zeigt sich ein paar Kurven später. Hier hat es einen Unfall gegeben und der Verkehr staut sich. Zwar hat es leider nicht den Deppen von vorhin erwischt, aber das Auto von irgendjemanden anderes liegt mit Blechschaden mitten auf der Straße. Gut für mich, denn auf dem restlichen Weg habe ich durch den Stau kaum rückwärtigen Verkehr.


Km 145: B75 vor Hamberge


Km 148: Lübecks Skyline (leider etwas unscharf)
Km 145 - 160: Kurz vor Hamberge kehrt dann endlich wieder der Radweg zurück und das Radeln wird sicherer. Dafür wird es ausgesprochen hügelig, was im ständigen Gegenwind und mit zunehmend müden Beinen kaum willkommen ist. Vermutlich gründet sich der Name der kleinen Gemeinde auf ihre Topografie: wir ham Berge. Hinter dem Ortsausgang rückt schließlich Lübeck ins Gesichtsfeld. Von dieser Seite aus hat die Stadt sogar eine ausgewachsene Skyline, selbst wenn diese nur aus den Wohnhochhäusern der Stadtteile Buntekuh und Moisling besteht. Aber immerhin! Und auch mal was anderes, als die ewigen sieben Türme. Von der Stadtgrenze sind es wieder die üblichen zehn Kilometer bis zu meiner Haustür. Mein Shrimppulver habe ich zwar nicht bekommen, aber in Kiel gibt es bestimmt auch ein paar Asialäden...

Bildergalerie:


Fotos: Frank Haake und Mitradler 2009