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Minibericht: Verkrotzte Tour von Gudensberg (Kassel) nach Lauenburg (ca. 311 km, 3 Tage)

Ende August 2005, einen knappen Monat nach der grandiosen Skandinavien-Radtour, wollte ich einen Besuch bei meinen Eltern mit etwas Reiseradeln verbinden. Meine Eltern wohnen in Hofheim am Taunus, einer Kleinstadt im Rhein-Main-Gebiet, die etwa dreißig Kilometer vom Zentrum Frankfurts entfernt auf den sanften Bergen des Vordertaunus liegt. Aus Zeitknappheit fuhr ich mit dem Zug bis in die Mainmetropole, dann mit dem Rad bis Hofheim. Die Rücktour wollte ich komplett auf dem Drahtesel bestreiten, doch unvorhergesehene Umstände führten zu einer nicht unerheblichen Verkürzung der etwa. 650 Kilometer langen Strecke.

Frankfurt-Hbf - Hofheim-Marxheim (ca. 30 Km)


Frankfurt, Mainzer Landstraße, im Hintergrund das Hochhaus Westendstr. 1 (208 m)
Gegen Mittag erreichte ich den Frankfurter Hauptbahnhof und schob das vollbeladene Rad zum Ausgang. Weil ich mich aus früheren Zeiten hervorragend in der einzigen Stadt Deutschlands mit richtiger Skyline auskenne, bereitete mir die Orientierung keinerlei Probleme. Dieser Heimvorteil sparte mir eine Masse an Navigation, zumal die Route bis Hofheim fast ausschließlich durch das dichtbesiedelte Ballungsgebiet führte.

Bis Frankfurt-Höchst diente mir die Mainzer Landstraße als Leitlinie, die sich als starkbefahrene Magistrale quer durch die westlichen Stadtteile Frankfurts zieht und im Gallusviertel noch keinen Radweg besitzt. Hier legte ich auf einem kleinen Park vor dem Gebäude der Frankfurter Societäts Druckerei eine kleine Rast ein. Das Untenehmen ist der Verlag einer regionalen Tageszeitung und war vor vielen Jahren mein Ausbildungsbetrieb. Anschließend ging es weiter durch das hässliche F-Griesheim, das enge F-Nied und schließlich nach F-Höchst, das im Gegensatz zu den anderen Frankfurter Vororten im Krieg nicht völlig zerbombt worden ist und deshalb noch eine schöne Altstadt besitzt. Hier verließ ich die Mainzer Landstraße und radelte über F-Zeilsheim nach Hofheim, wo ich ein paar Runden durch die kleine Stadtmitte drehte.

Zum Schluss quälte ich mich über einen kleinen Berg in den Stadtteil Marxheim hinauf und besuchte meine Eltern. Insgesamt war ich sehr erstaunt darüber, wie schnell man mit dem Rad von Frankfurt-Mitte nach Hofheim kommt. Hätte ich das gewusst, als ich noch dort gelebt habe, hätten mich die S-Bahn-Fahrpläne nicht mehr interessiert...

Gudensberg - Hannoversch' Münden (54,86 Km)


Kassel bei bestem Kaiserwetter
Am Montag, den 29. August, ging es an die Rückreise. Meine Eltern ließen es sich nicht nehmen, mich mit samt Rad per PKW bis nach Nordhessen zu bringen. Das war sehr lieb von ihnen und ersparte mir viel Radelei in den hessischen Mittelgebirgszügen. In der alten Domstadt Fritzlar aßen wir zu Mittag. Hier hatten mein Vater und einige Jahre später auch ich unseren Wehrdienst abgeleistet. Außer der großen Kaserne mit anschließendem Flugplatz hat Fritzlar eine famose Fachwerk-Altstadt zu bieten. In Gudensberg, einem kleinen Dorf südlich von Baunatal, verabschiedete ich mich bei strahlendem Sonnenschein von meinen Eltern und pedalierte durch die hügelige Landschaft.

Die ersten Meilen radelte ich entlang gemütlicher Landstraßen, die das sanft geschwungene nordhessische Bergland durchzogen. In Baunatal, einer Stadt, die nicht unbedingt durch besondere Schönheit auffällt (dafür aber ein VW-Werk aufzuweisen hat), verfuhr ich mich ein paar mal, bevor ich schließlich in die Vororte von Kassel gelangte. Mit 190.200 Einwohnern ist die Stadt die unbestrittene Metropole Nordhessens und vor allem bekannt durch die Kunstausstellung Documenta sowie Schloss Wilhelmshöhe. Obwohl ich bereits einige Male dort gewesen bin, habe ich tatsächlich keine Meinung zu Kassel. Ich kann also nicht behaupten, dass die Stadt besonders schön oder hässlich ist. Sie ist weder das eine noch das andere, sondern solides, unauffälliges Mittelmaß. Ein Ort in den die Leute aus den umliegenden strukturschwachen Gebieten zum Einkaufen und Bummeln gehen, mehr aber auch nicht. Da Kassel in einem Talkessel liegt, ging es zunächst einmal schön bergab. Ich hatte keinen Stadtplan dabei, fand aber intuitiv den richtigen Weg. Unschön war die andere Seite der Stadtdurchfahrt, wo es lange bergauf ging - anfangs ohne separaten Radweg und im Qualm unzähliger Autos.


Fulda-Radweg, Landesgrenze zu Niedersachsen
Nach der schweißtreibenden Ausfahrt aus Kassel erreichte ich über die Bundesstraße 3 das Örtchen Fuldatal. Mein Ziel war der namensgebende Fluss, an dessen Ufer sich der Fulda-Radweg durch idyllische Landschaften zieht. Außer einer guten Routenführung versprach mir dieser Radweg auch die Möglichkeit, das Mittelgebirge zu durchqueren ohne von lästigen Steigungsstrecken behelligt zu werden. Und in der Tat, der Fulda-Radweg war die reinste Wohltat nach der Durchmessung Kassels. Sattgründe Wälder zu beiden Seiten, ein gut zu befahrener Feinschotterweg und immer wieder wunderschöne Blicke auf den blauen Fluss. An einigen Stellen badeten Kinder im Wasser, denn es war hochsommerlich warm. An der Landesgrenze zu Niedersachsen zeigten ein weißes Pferd und eine Fahne, dass Hessen nun hinter mir lag.

Gegen 17 Uhr erreichte ich schließlich Hannoversch' Münden und staunte nicht schlecht über die außerordentliche Schönheit der alten Fachwerkstadt im Weserbergland. Über 700 Fachwerkhäuser drängen sich in der idyllischen Altstadt, und der Zusammenfluss von Fulda und Werra, der den Beginn der Weser markiert, bilden das I-Tüpfelchen auf den vielen Sehenswürdigkeiten.

Deutschtümelnde Lyrik am Zusammenfluss von Fulda und Werra


Mein Quartier bezog ich auf dem Campingplatz "Grüne Insel Tanzwerder", der kaum einen halben Kilometer entfernt vom Weseranfang auf einer Insel in der Fulda liegt. Ein absolut empfehlenswerter Platz, von dem aus es nicht weit bis in die Altstadt ist. Nach dem Zeltaufbau besuchte ich den Zusammenfluss der Flüsse, wo auf einem Felsen ein kitschiges Gedichtchen die neugeborene Weser besingt. Anschließend bummelte ich bis zum Sonnenuntergang durch die idyllische Altstadt und konnte mich kaum satt sehen an den verwinkelten Gassen und Fachwerkhäusern.

Hannover'sch Münden - Celle (93,28 Km, unsportlich)


Anheimelndes Fachwerk in Hann. Münden
Der nächste Morgen präsentierte sich in dichtem Nebel. Um kurz nach Neun Uhr, als sich die ersten Schwaden zu lichten begannen, machte ich mich auf den Weg. Ich kurvte durch Hann. Münden und radelte zunächst eine steile Straße berauf, um ein wenig später festzustellen, dass sie in die falsche Richtung führte. Beim nächsten Versuch hatte ich zwar Glück mit der Richtung, allerdings Pech mit der Topographie. Das Weserbergland ist nicht arm an respektablen Aufstiegen. Einen von ihnen erwischte ich gleich am Ortsausgang, was so kurz nach dem Aufstehen alles andere als ein Vergnügen ist. Nach jeder Kurve wurde meine Hoffnung auf ein Ende der Steigung enttäuscht, und erst nach einer schieren Ewigkeit hatte ich die Bergkuppe erreicht. Über Meensen ging es weiter nach Jühnde, wo sich das Spiel umkehrte und ich über eine ebenso lange Gefällstrecke mit hohem Tempo auf Göttingen zubrauste. Manchmal kann sich das Ansammeln von kinetischer Energie durchaus lohnen.

Von Göttingen bekam ich nicht allzu viel mit, da ich die Stadt auf einem Teil des Leine-Radwegs nur streifte und anschließend über relativ gut beschilderte Land- und Feldwege in Richtung Northeim weiterradelte. Leider verlor sich der Radweg irgendwann im Chaos einer größeren Baustelle. Auf Risiko radelte ich über Ackerwege parallel zur B3 und erreichte auf diese Weise, fast wie durch ein Wunder, Nörten-Hardenberg. Anschließend folgte ich dem Radweg der B3 bis ins wenig sehenswerte Northeim, wo ich eine kleine Mittagsrast einlegte und mir in einem Imbiss die Wampe vollschlug.


Wadenstrapazierende Steigungen im Weserbergland
Hinter Northeim beginnen die südwestlichen Ausläufer des Harz, was meine Waden und Oberschenkel ohne Gnade zu spüren bekamen. Bis Rittierode hatte ich einige passable Steigungen zu überwinden. In dem kleinen Ort zog mich vor allem der Bahnhof magisch an, da die weitere Routenplanung alles andere als sicher aussah.

Bis weit hinter Hannover zeigte meine Radkarte keine Campingplätze an, was Wildcampen bedeutet hätte. Darauf, und natürlich auch auf die weitern Ausläufer des Harz, hatte ich an diesem schönen Tag nicht die geringste Lust. In völlig unsportlicher Manier steuerte ich also den Bahnhof an und löste eine Fahrkarte bis nach Celle (!). Zwei Stunden später befand ich mich schon inmitten der Lüneburger Heide und radelte mit leicht schlechtem Gewissen zum Celler Campingplatz. Hätte es eine bessere Zeltplatz-Infrastruktur gegeben, hätte ich mich wohl nicht zu einer derartigen Untat hinreißen lassen....

Celle - Lauenburg (133,04 Km)


Hier wird der Elbe-Seitenkanal auf einer Brücke über einen kleinen Fluss geführt
Trotz meiner unsportlichen Bahn-Abkürzung schlief ich gut auf dem Zeltplatz in Celle. Obwohl die Stadt ganz nett sein soll, schenkte ich ihr kaum Beachtung und radelte weiter nach Norden. Durch die Wälder der Südheide radelte ich diesmal wieder auf ebenen Strecken bis Uelzen, wo ich eine keine Rast einlegte und in einer Imbissbude Currywurst mit Pommes in mich hinein stopfte.

Anschließend fuhr ich durch die gemütliche Kleinstadt zum Elbe-Seitenkanal, an dessen Seite sich ein wunderbar zu befahrender Radweg befindet. Unter der gleißenden Sonne dieses herrlichen Spätsommertages radelte ich über 30 Kilometer entlang dieser Wasserstraße, was meinen Armen einen verspäteten Sonnenbrand einbrachte. Am imposanten Schiffshebewerk bei Scharnebeck verließ ich die Rad-Autobahn und überquerte kurze Zeit später die Elbe bei Lauenburg.

Hier, wieder auf Schleswig-Holsteinischem Boden, erwartete mich Claudia, um mich samt Rad per Auto nach Lübeck zu fahren. Nach all der bisherigen Unsportlichkeit kam es auf diese Schummelei dann auch nicht mehr an. Trotz allem führte diese zerstückelte Radreise durch herrliche Landschaften und Städte. Sie muss auf alle Fälle nachgeholt werden - dann aber sportlich korrekt!


Meditaives Radeln entlang des Elbe-Seitenkanals







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