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Rund um Hamburg (Juli 2006)

Teil 2: Vierländer Marsch (HH) - Veddel (HH) - Alter Elbtunnel (HH) - Elbradweg HH - Blankenese (HH) - Wedel (80,36 km)


Malerische Häuser in Neuengamme
Die Vierländer Marsch, auch Vierlanden genannt, ist der ländliche Teil der Großstadt Hamburg.Das fruchtbare Schwemmland zwischen den Flüssen Bille und Elbe wurde bereits im 12. Jahrhundert besiedelt und mauserte sich bis heute zu einem der bedeutendsten Anbaugebiete für Blumen.

Das stets von Sturmfluten heimgesuchte Tiefland wurde seit damals Schritt für Schritt eingedeicht, so dass selbst der letzte große Zugriff des Blanken Hans im Jahre 1962 Vierlanden vergleichsweise wenig anhaben konnte. Die idyllische Landschaft, die sich um die namensgebenden vier Kirchenspiele (Kirchenbezirke) Kirchwerder, Neuengamme, Altengamme und Curslack ausbreitet, ist geprägt von landwirtschaftlichen Nutzflächen und eingedeichten Seitenarmen und Altläufen der Elbe.

Inmitten dieses ländlichen Idylls setzt die KZ-Gedenkstätte Neuengamme einen deprimierenden Kontrastpunkt und erinnert an die unbeschreiblichen Gräueltaten des NS-Regimes. Die über 100.000 Häftlinge des Konzentrationslagers Neunengamme wurden zur Zwangsarbeit in deutschen Rüstungsunternehmen gezwungen. Über die Hälfte von ihnen verlor unter den mörderischen und unmenschlichen Arbeitsbedingungen ihr Leben. Das zentrale Mahnmahl ist dem Schornstein des Krematoriums nachempfunden und steht mit auf der Asche unzähliger Toter.


Mahnendes Gedenken an die menschenverachtenden Gräueltaten des NS-Regimes
Nach dem Zeltabbau radelte ich zunächst auf dem Elberadweg zurück zur Elbbrücke bei Geesthacht und überquerte den Strom. Anschließend ging es bei Borghorst auf den gut ausgebauten Marschbahndamm, der mit einem vorbildlichen Radweg ausgestattet ist. Nach einiger Zeit befand ich mich genau gegenüber meinem alten alten Zeltplatz in Stove und fragte mich, weshalb man hier keine Fähre eingerichtet hat.

In Altengamme bog ich ab auf den Altengammer Hausdeich und bewunderte die malerischen Häuser und Gassen. Auf den Radweg musste ich jetzt verzichten, dafür aber hielt sich der Verkehr sehr in Grenzen.

In Neuengamme stattete ich der KZ-Gedenkstätte einen kurzen Besuch ab, wobei es mir so vorkam, als würde über dem gesamten Areal eine Art schwarzer Schatten liegen, der unmissverständlich auf das Grauen hinwies, das hier zwischen 1938 und 1944 ausgeübt wurde. Wie dem auch sei, die auf Vierlanden fast allgegenwärtige Landidylle war hier nicht vorzufinden.



Auf den Hamburger Elbbrücken
Hinter Auf der Böge, wo eine gut erhaltene Windmühle steht, wechselte ich auf den Allermöher Deich, weil eine Weiterfahrt nach Reitbrook aus unerfindlichen Gründen nicht möglich war. Sicher hätten Radfahrer eine Durchfahrt gefunden, doch ein Risiko wollte ich nicht eingehen. Überhaupt kamen recht häufig Straßensperrungen in Form von Sackgassenschildern vor, bei denen regelmäßig das Symbol "Gilt nicht für Radfahrer & Fußgänger" fehlte, obwohl es für beide einen Durchgang gab. Wer sich nicht auskennt oder auf Nummer sicher gehen möchte, muss dank dieser fehlerhaften Beschilderungspraxis weite Umwege in Kauf nehmen.

Allermöhe schließlich zeigte sich wegen seiner Nähe zum städtischen Hamburg weniger idyllisch, als die anderen vierländer Ortschaften. Unüberhörbar war die nahe Autobahn, dazu lugten vereinzelt Industriebauten durch die Baumwipfel. Bei Moorfleet überquerte ich die Dove Elbe und erreichte über den Moorfleeter Deich schließlich die Hafengebiete von HH-Rothenburgsort. Anschließend quälte ich mich ein wenig durch die eintönigen Wohnsilos von HH-Bilwerder und suchte einen Weg zur B4 und den Elbbrücken, da ich vor hatte, durch den Alten Elbtunnel nach St. Pauli zu fahren, was einen längeren Umweg durch die Hafengebiete nötig machte. Über die stark befahrenen Elbbrücken erreichte ich HH-Veddel, das man auch nicht unbedingt als Schönheit bezeichnen kann, und kurvte durch die hässlichen Industriegebiete von Grasbrook in den Reiherdamm, der schließlich zum Aufzug in den Alten Elbtunnel führte.


Hafenbecken in Grasbrook
Im Gegensatz zu seinem stau- und abgasgeschwängerten großen Bruder ist der alte Elbtunnel eine interessante Sehenswürdigkeit. Über getrennte Aufzüge erreichen Fußgänger und motorisierte Fahrzeuge die beiden Tunnelröhren. KFZ zahlen 2 Euro für eine Durchfahrt, Fußgänger und Radfahrer nichts. Die Röhren haben eine Länge von 426,5 Metern und liegen unter gut 12 Metern Elbwasser. An den Wänden befinden sich liebevolle Verzierungen und Steinreliefs mit Tiermotiven, dazu informieren Tafeln über den topografischen Verlauf des Tunnels. Ebenfalls einen Blick wert sind die schön gestalteten Aufzugstürme.

Ich schob mein Rad, um Zeit zu haben, das Innere der Tunnelröhren zu besichtigen. Außerdem war die Luft im Vergleich zur sommerlichen Schwüle draußen erfrischend kühl. Als ich auf der nördlichen Elbseite wieder das Tageslicht erblickte, befand ich mich auf dem Vorplatz der berühmten St. Pauli Landungsbrücken, wo ein Dutzend Reisebusse auf die Rückkehr ihrer Passagiere von Hafenrundfahrten und sonstigen Besichtigungstouren wartete.


Im alten Elbtunnel
Über die Große Elbstraße versuchte ich die Fortsetzung des Elberadwegs zu erreichen, der an der Promenade am Elbufer weitergeführt werden sollte. Leider war genau dort eine riesige Baustelle, die sich bis zum Fischmarkt hinzog. Das hieß, rauf auf die starkbefahrene und radweglose Autostraße und durchgebissen. In der Nähe des Fischmarks wechselte der Fahrbahnbelag zu Radfahrer-feindlichem Kopfsteinpflaster, was die Laune nicht unbedingt verbesserte.

Ein wenig weiter, wo der neue Elbtunnel die Fahrzeugmassen unter Elbe und Stadt durchschleust, beginnt elbseitig ein Sandstrand, der von den Hamburgern bei der Hitze gut genutzt wurde. Mit dem Rad war kein Durchkommen mehr, aber auch sonst nicht, da der nur ideell vorhandene Elberadweg hier in den gemütlichen Övelgönner Uferweg einmündet. Und dieser ist auf über knapp drei Kilometern Schiebestrecke, weil sich auf dem schmalen Weg Fußgänger und Radfahrer in die Quere kommen könnten. Ein Unding, wie mir schien, zumal es möglich wäre, den Weg ein wenig zu verbreitern oder Radfahrern Schritttempo anzuempfehlen. Statt dessen pedalierten viele Hamburger eben verkehrswidrig aber vernunftgemäß über diese Strecke.


Kapitänshäuser am Övelgönner Uferweg
Ich zog es vor, zu schieben. Dies aber nur, um die so schöne wie gemütliche Atmosphäre des Övelgönner UferWeges auf mich wirken zu lassen. Auf der einen Seite wälzt sich die von Hafenanlagen gesäumte Elbe gen Nordsee, auf der anderen blicken malerische alte Kapitänshäuser darauf hinab. In regelmäßigen Abständen gibt es Eiscafés oder Restaurants, so dass der Weg ein gutes Ziel für den familiären Sonntagsausflug ist. An vielen Stellen gibt es zudem Zugänge zum Sandstrand an der Elbe, der Meeresstränden fast in nichts nachsteht, wären da nicht die gigantischen Hafenanlagen auf der anderen Seite des Flusses.

Irgendwann war die leidliche Schiebestrecke zu Ende und der Elberadweg zeigte sich so, wie ich ihn mir erhofft hatte. Auf einem kleinen Deich entlag der Elbe ließ sich prima radeln, einzig die Oberfläche des Weges ließ zuweilen etwas zu wünschen übrig, was aber nicht weiter störte. Es ging durch parkähnliche Anlagen und kleine Wäldchen - nichts erinnerte daran, dass man sich fast mitten in der zweitgrößten Stadt der Bundesrepublik befindet. Ein innerstädtisches Naherholungsgebiet par excellence!


Airbus-Werk in HH-Finkenwerder
So groß das Idyll an diesem Abschnitt des Hamburger Elbufers sein mag - kurz vor Nienstedten wird man beim Blick auf die gegenüberliegende Elbeseite an die Auswüchse des industriellen Wachstumsfetischismus erinnert. Dort nämlich liegen die großen Hallen des Airbuswerkes Finkenwerder, für dessen Ausbau seiner internen Start- und Landebahnen Grundstückseigner aus dem Umland enteignet und massive Eingriffe in die umgebende Natur, einschließlich des unter Naturschutz stehenden Mühlenberger Lochs getätigt wurden. Alles nur, um den Gewinn des Unternehmens - pardon, unzählige Arbeitsplätze - nicht zu gefährden.

Kurze Zeit später kam ich in jenem Hamburger Stadtteil an, das Wohnsitz vieler Gutbetuchter und sattsam bekannt aus einem Blödellied des Blödelbarden Gottfried Wendehals ist. Die Rede ist hier von Blankenese. Wie auf Terrassen sitzen vorwiegend in Weiß getünchte Bürgervillen in den steilen Hängen über der Elbe. Die Gassen dazwischen sind zuweilen so eng, dass die großen städtischen Busse hier nicht mehr vorwärts kommen und man auf kleine Transporter umsteigen muss. Da mich pekuniäre Protzerei in aller Regel abstößt, fuhr ich an Blankenese schnell vorbei, um nach wenigen Minuten in das Naturschutzgebiet bei Falkenstein zu kommen.


HH-Blankenese
Hier liegt auch der Campingplatz Blankenese, der, ganz im Gegenteil zur mondänen Architektur im Ortsteil, eher schäbig und abgerissen wirkt. Für 10 Euro (+ 0,50 für die warme Dusche) kann man hier auf sandigem Boden sein Zelt ganz in Elbnähe errichten. Schäbig wirkten die nicht fortgeräumten Überreste von Dauercamper-Parzellen, ansonsten war der Platz angenehm leer und weitläufig. Das nahe Elbufer und die ansonsten unorganisierte Großzügigkeit des Geländes sorgten aber dafür, dass dieser Platz der beste auf der ganzen Reise sein sollte.

Weil es noch früh am Tage war, baute ich das Zelt auf und fuhr mit leichterem Rad weiter nach Wedel. Die Kleinstadt liegt bereits wieder auf dem Gebiet Schlewig-Holsteins, so dass ich an diesem Tage ganz Hamburg von seiner Ostgrenze bei Geesthacht bis zu seiner Westgrenze durchradelt habe.

Wedel ist ein unaufregendes Städtchen mit einer netten Einkaufsstraße, deren Hauptattraktion das Schulauer Fährhaus mit der Schiffsbegrüßungsanlage Willkomm-Höft ist. Eine weitere Attraktion ist das Kraftwerk Wedel des schwedischen Vattenfall-Konzerns, dessen überaus hässliche Anlage Radler aus Hamburg dazu zwingt, das an der Elbe liegende Industriegelände weiträumig zu umfahren. Hier verlässt der Elberadweg also die Nähe des Stroms, führt nach Wedel hinein und erst später wieder an die Elbe heran.


Campingplatz Blankenese: Nettes Zelten an der Elbe
In allerbester Touristen-Manier machte ich mich auf zum Schulauer Fährhaus, setzte mich in der brennenden Sonne auf eine schattenlose Bank und wartete, bis ein Schiff über 300 BRT auftauchte. Es dauerte eine Weile, dann war es so weit: der chinesische Frachter Fu Kang schipperte vorbei.

Zunächst ertönte eine Standardmelodie, dann die chinesische Nationalhymne. Entsprechende Flaggen wurden aber, soweit ich das beobachten konnte, nicht gehisst. Statt dessen wurde die Flagge Hamburgs herunter- und wieder heraufgelassen. Nachdem ich mich daran sattgesehen und -gehört hatte, schaute ich mir noch die Figur des Roland (1558) im Stadtkern sowie das Innere eines Lebensmitteldiscounters an.

Wieder zurück auf dem immer noch recht leeren Campingplatz, setzte ich mich mit ein wenig Bier in den Sand am Elbufer und schaute über den Strom. Wie sich nur ein wenig später herausstellte, fiel die Unversehrtheit meiner Unterschenkel den Stichen oder Bissen vieler Sandflöhe oder ähnlich dreistem Getier zum Opfer. Von Zeit zu Zeit tuckerten kleine bis riesige Pötte über das Wasser und bis in den späten Abend hinein war noch viel los am Strand. Ein sehenswerter und interessanter Tag ging mit einem famosen Sonnenuntergang zu Ende.


Route

  • Hamburg und Umgebung


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