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Städtereise nach (Leipzig), Dresden und Prag, November / Dezember 2007

Prag (1)

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Erste Eindrücke von der "Goldenen Stadt"


Am Bahnhof Prag Holesovice
Weil wir die Preisvorstellungen der DB für die etwa 140 Kilometer lange Zugfahrt von Dresden nach Prag für wenig akzeptabel halten, fahren wir mit dem PKW zum Grenzbahnhof in Bad Schandau. Der Bahnhof ist eine Baustelle, der Fahrkartenschalter geschlossen. Der Automat spuckt selbst hier gesalzene Ticketpreise aus, und in Ermangelung einer Alternative füttern wir ihn per Kreditkarte. Kurze Zeit später sitzen wir im Eurocity nach Prag und rollen durch Böhmen. An den vorbeiziehenden Ortschaften fällt uns auf, dass Plattenbaublocks noch viel häufiger auftauchen, als in den neuen Bundesländern. Jedes noch so kleine Kaff hat hier seine Wohnhochhäuser.

Gegen Mittag fährt der Zug schließlich im Prager Bahnhof Holesovice ein. Obwohl schon nahe am Stadtzentrum gelegen, wirkt die Gegend hier sehr aufgelockert und vorortähnlich. Mit der U-Bahn geht es weiter bis zur Station Pankrac südlich des Zentrums. Hier steht das 79 Meter hohe Gebäude des Ramada Corinthia Panorama Hotels, unsere Unterkunft für die nächsten zwei Tage.

Pancrac gehört eindeutig nicht mehr zum touristisch reizvollen Stadtkern Prags. Neben dem Hotelturm stehen noch zwei weitere markante Hochhäuser, das 104 Meter hohe City Empiria (1977) und der noch nicht ganz abgeschlossene Bau des City Tower (109 m). Auch sonst glänzt die Gegend eher durch Büroblocks und Plattenbausiedlungen und bildet so, wie sich später noch herausstellen wird, einen guten Kontrast zum sehr ausgedehnten historischen Stadtkern. Neben dem Turm des City Empiria liegt eine Großbaustelle, auf der selbst am Wochenende bis spät in die Nacht gearbeitet wird. Hier entsteht ein modernes Großeinkaufszentrum mit Ladengalerien und allem, was das Herz konsumfreudiger Bürger laut vorherrschender Investorenmeinung begehren soll. .


Prags höchste Häuser stehen in Pankrac: (v.l.n.r. City Tower, City Empiria, Hotel Corinthia)
Nach einer kurzen Pause geht es mit der U-Bahn ins Stadtzentrum. Das U-Bahn System Prags ist ausgesprochen übersichtlich, leicht zu benutzen und zudem kostengünstig. Bei den Pragern scheint es auch sehr beliebt zu sein, denn die Züge sind selbst am Wochenende und trotz hoher Taktfrequenz gerammelt voll. Wir steigen aus an der Station Muzeum, die am Südende des berühmten Wenzelsplatzes liegt

Der Wenzelplatz markiert das moderne Geschäftszentrum Prags und fungiert zudem als wichtiger Verkehrsknotenpunkt in der Innenstadt. Es handelt sich dabei weniger um einen Platz im herkömmlichen Sinne, als um einen breiten Boulevard mit Fahrspuren für den Verkehr. Im Süden beginnt der Wenzelsplatz am höher gelegenen Nationalmusuem, von wo aus sich der Boulevard fast in seiner ganzen Länge gut überblicken lässt. Hier steht auch das Wenzelsdenkmal , das den heiligen Wenzel auf einem Pferd über einem Grüppchen weiterer Nationalheiliger zeigt. Hier finden oft Freiluftveranstaltungen von Theatergruppen und Musikern statt. Auch versammeln sich hier gerne Leute zu spontanen Gesangseinlagen zu traditioneller Akkordeonmusik.

Auf uns macht der Platz einen eher langweiligen Eindruck. Er ist gesäumt von Gebäuden aus dem 20. Jahrhundert, von denen das Hotel Europa mit seiner noch ursprünglichen Fassade und Inneneinrichtung zu den bekanntesten zählt. Ansonsten reiht sich am Wenzelsplatz ein Laden an den nächsten, was in abgespeckter Form auch für Schnellimbisse und Fastfood-Ketten gilt. Es ist kein Ort, an dem man lange bleiben müsste, und das einzige Flair, das über dem Areal wabert, ist das des pulsierenden Geschäftslebens und oberflächlichen Amusements.


Wenzelsplatz, Blick in Richtung Nationalmuseum


Das Gemeindehaus am Abend
An seinem Nordende mündet der Wenzelsplatz in eine durchschnittliche Fußgängerzone, die ebenfalls über die für europäische Großstädte typische Palette an Geschäften verfügt. Wir befinden uns noch in der wenig aufregenden Neustadt, nähern uns aber langsam dem altstädtischen Kern Prags. In den Buden eines ersten kleinen Weihnachtsmarkts werden Snacks und kunsthandwerkliche Gegenstände verkauft. Übrigens zu gesalzenen Preisen. Um es schon mal vorwegzunehmen: Die Zeiten, in denen sich in Prag zu günstigen Preisen einkaufen und leben ließ, sind endgültig vorbei. Das Preisniveau hat sich dem deutschen nicht nur angenähert, sondern scheint es in einigen Bereichen sogar überboten zu haben. Einzig Bier und der öffentliche Nahverkehr sind noch nett zum Portemonnaie des Reisenden. Alles andere treibt eher schnell bittere Tränen der Enttäuschung in die Augen.

Die Fußgängerzone mündet an ihrem Ende in den Platz der Republik (Námestí Republiky), der von Pulverturm und Gemeindehaus beherrscht wird. Der Pulverturm mit seinem Bogentor markiert den Übergang von Neu- zu Altstadt und diente in früheren Zeiten als Lager für Schießpulver, daher sein Name. Direkt neben ihm fällt die prächtige Jugendstilfassade des Gemeindehauses (Obecní dum) ins Auge. Es wurde zu Beginn des vorigen Jahrhunderts an jener Stelle errichtet, an der bis dahin der Königliche Stadthof stand. Seine Fassadengestaltung und Innenausschmückung ist das Ergebnis der Zusammenarbeit damals namhafter Künstler und ein gutes Beispiel für Design und Gestaltung am Ende der KuK-Monarchie. In den sozialistischen Zeiten galt das Gebäude offiziell als ein abschreckendes Beispiel für bürgerliche Dekadenz. Heute beherbergt es kulturelle Einrichtungen sowie ein Café und ein Restaurant.

Nach Norden hin präsentiert sich der Platz der Republik als weitläufiger und aufgelockerter Stadtplatz. Hier befindet sich das Einfaufszentrum Palladium, das auf über einem halben Dutzend Etagen Läden für jedes Konsumbedürfnis bietet. In einem seiner Untergeschosse gibt es einen Supermarkt für Lebensmittel mit umfangreicher Bierabteilung. So gut der Ruf des teschechischen Biers ist, so enttäuschter ist man als Genießer von Starkbieren. Das Gros der angebotenen Biere hat einen verhältnismäßig bescheidenen Alkoholgehalt von 3 bis 4,5 Vol.-Prozent, in Kennerkreisen auch "Plörre" genannt. Mit lauen 5 Vol.Proz. ist das obere Ende der Skala erreicht, was zwangsläufig in eine Erhöhung der zu kaufenden Mengen mündet. Allerdings sind besonders die schwarzen Sorten sehr lecker


Der Pulverturm, von der Zeltnergasse aus gesehen


Altstädter Ring mit Rathaus
Durch das Bogentor des Pulverturms betreten wir mit der Zeltnergasse (Celetná) endlich die vielgerühmte Prager Altstadt. Die zur Fußgängerzone umgestaltete Gasse ist Bestandteil des Königswegs, jener Wegstrecke, die frisch gekrönten böhmischen Königen unter dem Jubel der Bevölkerung von der Burg Vysehrad zur Prager Burg beschritten. In der zuweilen recht engen Zeltnergasse dürfte damals jedoch nicht allzu viel Platz für große Jubelscharen geherrscht haben. In der urigen Gasse befinden sich überwiegend am Tourismus ausgerichtete Läden, in denen u.a. auch Absinth verkauft wird. Das Preisniveau der Grünen Fee liegt hier ein wenig unter dem deutschen, die Angebotsvielfalt dagegen etwas darüber.

Nach wenigen hundert Metern erreichen wir schließlich den Altstädter Ring (Staromestske námestí), bei dem es sich nicht, wie der Name vermuten lässt, um eine Ringstraße handelt, sondern um einen zentralen Stadtplatz, eigentlich um den zentralen Stadtplatz Prags. Er wird beherrscht von markanten Gebäuden aus unterschiedlichen Epochen. An seiner Nordseite überragen ihn die 80 Meter hohen Doppeltürme der gotischen Teynkirche aus dem 14. Jahrhundert. Auf der gegenüber liegenden Seite befindet sich das Altstädter Rathaus mit seinem 69 Meter hohen Turm. Sein Baubeginn war im Jahre 1338, später wurden einige benachbarte Häuser in den Komplex integriert, so etwa auch das auffällige Haus "Zur Minute" (U Minuty) mit seinen Fassadenmalereien. Die Familie Franz Kafkas bewohnte das Haus zu dieser Zeit und musste infolge dessen ausziehen. An der Wand des Rathauses prangt die große Astronomische Uhr, die 1490 von Meister Hanusch geschaffen wurde. Jede volle Stunde wird ein Beweguns-Schauspiel in Gang gesetzt, das regelmäßig hunderte Schaulustige vor der Uhr versammelt. 1949, in den letzten Tagen des Zweiten Weltkrieges, wurde ein ganzer Seitenflügel des Altstädter Rathauses in Schutt und Asche gelegt. Auch die Astronomische Uhr wurde von Hitlers Schergen zu zerstören versucht - zum Glück mit nur mäßigem Erfolg.


Teynkirche mit Weihnachtsmarkt
Am Westende steht das Kuppelgebäude der St. Niklaskirche, die zwischen 1732 und -35 erbaut wurde. Heute dient sie auch als Konzertsaal. Das Zentrum des Altstädter Rings bildet das klobige Jan-Hus-Denkmal, das den Reformator aus einer amorphen Menschenmasse herausgewachsen darstellt. Es wird umrundet von den Buden des Prager Weihnachtsmarktes. Auch hier ist das Preisniveau eher gehoben, man hat sich ganz klar auf touristische Kunden eingestellt und versucht, Erträge einzufahren.

Überhaupt scheint die gesamte Altstadt fest in touristischer Hand zu sein. Besuchergruppen ziehen durch die Straßen, an allen Ecken wird fotografiert und in Stadtplänen gelesen. Der Tourirummel beherrscht die gesamte Prager Innen- und Altstadt, und die lokale Bevölkerung hat sich längst darauf eingestellt. Letzteres lässt sich besonders am Preisniveau der hiesigen Lokale ablesen. Ein durchschnittliches Essen erreicht hier locker Lübecker Nieveau; einzig die Bierpreise liegen noch darunter. Wir überzeugen uns davon in einem Restaurant am Rand des Altstädter Rings und machen uns anschließend auf den Rückweg zum Hotel.


Abends am Altstädter Ring










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