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Städtereise nach (Leipzig), Dresden und Prag, November / Dezember 2007

Prag (2)

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Wohnen in Pankrac


Wohnsiedlung in Pankrac
Nach dem reichhaltigen Frühstück am nächsten Morgen nutze ich eine kleine Ausruhpause für eine kurze Erkundung der Wohnsiedlungen in der Nähe des Hotels. Ganz im Gegensatz zur mancherorts durchaus opulenten Pracht in der touristendurchströmten Altstadt überwiegt hier funktionale Schlichtheit. Im trüben Licht des bedeckten Vormittags wirken die Plattenbauten trist und eintönig - mit einem eindeutigen Hang zum Deprimierenden. Es ist Sonntag und nicht viel los auf den Straßen. Touristen sind hier keine zu sehen, und auch ich selbst dürfte von den Passanten kaum für einen gehalten zu werden. Dennoch gehört die Besichttigung der weniger schönen Seiten einer Stadt ebenso zu ihrer Erkundung, wie die hochglanzpolierten Touristenzentren. Denn ganz im Gegensatz zu ihnen spielt sich hier der überwiegende Teil des wirklichen Lebens ihrer Bewohner ab. Für Prag mag das allerdings nur mit leichten Einschränkungen gelten, denn im Unterschied zu den meisten Metropolen der Welt ist hier der Wohnraum selbst in der Innenstadt noch erschwinglich. Trotzdem wohnt das Gros der Prager in Vierteln, die von funktionaler sozialistischer Architektur geprägt sind.

Nach meinem Streifzug durch die Plattenbausiedlung geht es per U-Bahn wieder ins Zentrum des Geschehens. Wir steigen einmal um und landen im Ortsteil Hradcany hinter der Burg. Wir wollen Burg, Burgvorstadt, Kleinseite und Karlsbrücke von "hinten" abwandern, was den Vorteil mit sich bringt, dass es vom Burgberg aus bergab geht. Gleich auf den ersten Metern, noch weit abseits des touristischen Geschehens, entdecken wir ein Restaurant der Einheimischen. Beim Blick auf die Preisliste bereuen wir, am gestrigen Abend viel Geld für ein Abendessen am Altstädter Ring ausgegeben zu haben.

Rund um die Prager Burg


Rückseite der Prager Burg mit St- Veits-Kathedrale
Die Prager Burg zählt zu den touristischen Höhepunkten Prags. Viele Reiseführer schreiben, dass kein Besucher der Stadt versäume, sie zu besichtigen. Eigentlich ein Grund, sie nicht zu betreten. Dennoch sprechen die historische Bedeutung sowie das beeindruckende Äußere der gigantischen Anlage eindeutig dagegen, aus Prinzipienreiterei nicht der touristischen Herde folgen zu wollen.

Die Prager Burg thront auf dem Berg Hradschin (Burgberg) hoch über dem Moldautal. Sie ist seit vielen Jahrhunderten und bis heute Sitz der politischen Herrschaft und staatlichen Verwaltung. In ihren Mauern beherbergt sie zudem die St. Veits-Kathedrale, ihres Zeichens größte Prager Kirche. Die Prager Burg blickt auf eine über 1000-jährige Geschichte zurück. In architektonischer Hinsicht bildet sie keine konsistente Einheit, sondern ist vielmehr ein verschachteltes Gemenge unterschiedlicher Baustile aus ebenso unterschiedlichen Epochen. Die komplexe Anlage mit ihren Gebäuden, Höfen, Straßen und Treppen wirkt in ihrem Inneren wie eine kleine Stadt für sich. Sie ist Ergebnis einer wechselvollen Geschichte der Zerstörung und des Aufbaus, die sich an ihren Mauern und Fassaden ablesen läst - wie in einem "steinernen Buch". In ihr spielten sich bedeutende historische Ereignisse ab, allen voran der Prager Fenstersturz von 1618. Damals besetzten protestantische Stände die Burg und warfen zwei katholische Statthalter aus dem Fenster ihres Arbeitszimmers. Beide überlebten trotz der Fallhöhe von stolzen 16 Metern dank eines weichen Misthaufens. Das Ereignis gilt als symbolischer Beginn des Dreißigjährigen Krieges.


Vorderseite der St.Veits-Kathedrale mir großer Rosette


Im zweiten Burghof
Da wir die Burg von der Südseite, und nicht wie üblich über den Haupteingang in der Burgvorstadt betreten, finden wir sofort im zweiten Burghof wieder. Durch ein Rundtor gehen wir ohne große Umschweife auf den dritten Burghof, der die mächtige St.-Veits-Kathedrale beherbergt und daher kaum als mehr Hof zu bezeichnen ist, da das gotische Bauwerk nicht mehr viel Hofplatz übrig lässt. Die Kathedrale befindet sich durchaus an einem eigenwilligen Ort. Sie wird von den übrigen Burggebäuden so eng umschlungen, dass man sie praktisch von keinem Platz aus in ihrer ganzen Pracht bewundern kann. Sie wirkt vielmehr wie ein in eine Kiste gestecktes Sakralgebilde.

Leider findet gerade eine Messe statt und die Portale sind verschlossen. Doch auch von außen bietet die mit filigranen Verzierungen reich übersäte Fassade faszinierende Ein- und Anblicke. So kann man auf den ersten Blick kaum erahnen, dass die seit jeher königlichen Repräsentationszwecken dienende Kirche erst im letzten Jahrhundert vollendet wurde und einen Großteil ihrer über 600-jährigen Geschichte als unfertiger Torso dahinexistiert hat. Nach der Grundsteinlegung im Jahre 1344 verbrachten mehrere Baumeister ihr Leben mit dem Bau der Kathedrale, bis sie in der Zeit der Hussiten stark beschädigt wurde. In den folgenden Jahrhunderten wechselten sich Aufbau und Zerstörung stetig ab. Vollendet wurde die St.-Veits-Kathedrale erst von 1873 bis 1929 nach den Plänen ihrer mittelalterlichen Architekten.


Blick vom Burgberg über Prag


Eingerahmt von anderen Gebäuden bleibt der St--Veits-Kathedrale wenig Platz
Die Kathedrale ist eng von pittoresken Häuserzeilen eingerahmt. So verläuft sich der dritte Burghof in kleine Gässchen, die zum Ostende der Prager Burg hin auslaufen. Weil wir uns keine Eintrittskarte für all die anderen zugänglichen Gebäude gekauft haben, belassen wir es bei einem gemütlichen Schlendern durch die ortsähnlichen Strukturen. Am östlichen Ausgang der Burg, kurz vor der Alten Schlossteige, bietet sich ein schöner Ausblick über Prag und das Moldautal.

Auf unserem Rückweg verlassen wir die Burg über den ersten Burghof und das Hauptportal, wo die stündlich stattfindende Wachablösung ein permanenter Touristenmagnet ist. Leute posieren vor den still stehenden Wachsoldaten und lassen sich fotografieren, was von wenig Respekt im Umgang mit der Menschenwürde anderer zeugt.

Mit dem Verlassen der Burg befinden wir uns nun in der Burgvorstadt, die als Gemeinde Hradcany im 14.Jahrhundert als dritte Prager Stadt zwischen Burg und Kloster Strahov entstanden ist. Menschentrubel wie auch der Verkehr halten sich hier in Grenzen, so dass der Ortsteil eine entspannte Ruhe ausstrahlt. Zwischen Rokkokofassaden und pittoresken Häuschen würde es den Besucher zuweilen kaum wundern, wenn eine alte Pferdekutsche um die nächste Ecke gebogen käme. Wir durchwandern die Burgvorstadt bis hin zum Kloster Strahlov, das vor allem durch seine traditionsreiche und über 800-jährige Bibliothek bekannt geworden ist. Leider ist das Gebäude mit seinen reich verzierten Sälen geschlossen. Dafür können wir einen kurzen Blick ins gruselig-düstere Innere der Klosterkirche erhaschen.


In der Nerudagasse
Nun folgt der angenehme Teil der Stadtwanderung. Die Hauptmagistrale der Burgvorstadt geht in Höhe des Burgportals in die Nerudagasse über, die uns - immer schön bergab - sicher zur Kleinseite (Malá Strana) leitet. Die Nerudagasse ist nach ihrem prominentesten Bewohner, dem Schriftsteller Jan Neruda benannt, der dort im 19. Jahrhundert im Haus "Zu den zwei Sonnen" gelebt hat. Die unzähligen Souvenierläden lassen Assoziationen an die Rüdesheimer Klappergass' aufkommen, wogegen nur gelegentliche Blicke hoch zur Burg helfen, die den Flaneur wieder mental zurück nach Prag holen.

Die Nerudagasse mündet schließlich ins urigen Gassenlabyrinth der Kleinseite. Denkt man sich die Scharen von Touristen weg, ist hier noch alles weitgehend so, wie es vor einigen hundert Jahren gewesen ist. Und in der Tat hat sich die Bausubstanz in dem historisch geschlossenen Viertel seit geraumer Zeit kaum verändert. Die engen Gassen sind gesäumt von verzierten Fassaden und pittoresken Häuschen, ab und an setzt eine Kirche oder ein anderes größeres Bauwerk wuchtigere Akzente. Es macht Freude, über das historische Pflaster zu wandern, von dem aus man den Hauch der Geschichte förmlich in sich aufsaugen kann.

Über die Brückengasse erreichen wir schließlich eines der prominentesten Bauwerke Prags, die Karlsbrücke. Die zweitälteste Brücke Europas war bis 1836 der einzige Weg über die Moldau und geht zurück auf die Initiative von Kaiser Karl V, der eine besonders stabile Brücke über die Moldau errichten ließ. Ihr Erscheinungsbild wird maßgeblich von den barocken Brückenstatuen geprägt, die jedoch erst zwischen 1686 und 1714 angefertigt wurden. Ebenso verleihen ihr die Brückentürme zu beiden Seiten der Moldau eine unverkennbare Optik. Sie ist Schauplatz für Flaneure, Kleinkünstler, Musiker und alle anderen Leute, die sich vom städtischen Mittelpunktgeschehen angezogen fühlen. Nur in den frühen Morgenstunden soll sie noch so leer sein, das man zwischen den Statuen einen ganz besonderen Blick auf Prag hat. Ansonsten muss natürlich auch jeder Tourist einmal über die Karlsbrücke geschlendert sein, so dass der Menschentrubel immer aufs Neue Nachschub erhält.

Anschließend Bummeln wir noch ein wenig durch die Altstadt, bevor es zurück ins Hotel geht. Am Abend steht zum Abschluss der Städtereise noch eine Moldauschifffahrt mit warmem Buffet und Bier satt auf dem Programm - besser kann man einen Pragbesuch kaum ausklingen lassen!


Blick von der Karlsbrücke auf die Burg










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