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Städtereise Szczecin (Stettin) und Cottbus

Teil 3: Cottbus (Chosebuz)

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Ankunft in Cottbus-Branutz


Stadtzentrum Cottbus
Mit dem PKW geht es nach Süden. Vorbei an Berlin, Potsdam und Eberswalde führt die Autobahn durch frühherbstliches Regenwetter in Richtung Lausitz. Cottbus liegt unter einer tristen Glocke aus dichten, dunklen Wolken, und die ersten Straßen der niederlausitzer Metropole wirken wenig einladend. Die hiesige Fußmannschaft Energie Cottbus hat zu dieser Stunde ein Spiel gegen den Hamburger SV, was in der Nähe des Stadions für einigen Trubel sorgt. Wir biegen kurz hinter dem dem Fußballtempel ab in den fast schon dörflich wirkenden Stadtteil Branitz und erreichen schließlich unser Domizil, das Best Western Hotel Branitz.

Das Gebäude hat den durchaus angenehmen Charme eines ehemaligen DDR-Funktionalbaus - von Außen wie von Innen. Auf den Korridoren liegt dicker Teppich, die Wände schlucken irgendwie das Licht und durch die Luft wabert der linoleumhafte Geruch vergangener Zeiten. Kaum etwas ist los in dem verwinkelten Gebäude. Fast scheint es, als sei unser Zimmer das einzige belegte in den weiten Gängen. Eine Szenerie, die man aus Gruselfilmen kennt: Leise schließt sich die Tür des mit Wandteppichen ausgelegten Aufzuges, bevor er uns sanft auf einer höheren Etage entlässt. Für einen kurzen Augenblick herrscht völlige Dunkelheit, bis das leise Klicken und Sirren der Leuchtstoffröhren den Korridor in ein fahles Licht hüllt. Trotz der Lampen scheint sein Ende im Nebel zu liegen. Wir ziehen unser Gepäck über die dicken Teppiche und stehen dann vor unserer Zimmertür. Seitlich davon beginnt ein weiterer Korridor, der allerdings in völlige Schwärze getaucht ist. Als nach dem Öffnen der Zimmertür die Lichtautomatik alles wieder in der Dunkelheit verschwinden lässt, blicke ich noch einmal hinter mich. So, als sei womöglich noch jemand anwesend. Für eine Weile stutze ich. Es scheint, als schwebe ein kleiner weißschimmernder Punkt ganz am Ende des Korridors. Allmählich vergrößert sich die Erscheinung, nimmt mehr und mehr Gestalt an. Eine Mischung als Angst und Faszination macht es mir unmöglich, mich davon abzuwenden, wie sich allmählich die Umrisse eines weiblichen Körpers aus dem Lichtschleier schälen. Dabei ist der Blick aus seinen dunklen Augenhöhlen stets auf mich gerichtet....


Cottbus im Regen
Eine Beschreibung, die bis auf den Spuk der Weißen Frau und die leichte Überspitzung im wesentlichen zutrifft. Dennoch - oder gerade deswegen - das Hotel Branitz ist eine rundherum empfehlenswerte Unterkunft, mit einem noch viel empfehlenswerteren SPA-Bereich. Einzig die Preise im Hotelrestaurant und in der Zimmerbar erschienen uns reichlich überhöht. Aber speisen lässt sich in Cottbus auch woanders gut.

Genau aus diesem Grunde führt unser erster Ausflug in ein Plattenbauviertel östlich des Zentrums. Es ist später Sonntagnachmittag, und in Branitz haben die wenigen Restaurants alle geschlossen. Auch sonst fällt das gastronomische Angebot eher mau aus, so dass wir unser Glück eben in einer Hochhaussiedlung versuchen, wo es erfahrungsgemäß Imbisse oder ähnliche Wanstfüllstellen gibt. Und in der Tat, nach kurzem Umherirren finden wir einen Pizzaservice, der in einer Art ehemaligem Versammlungshaus im Stil der 70er Jahre residiert. Die Pizzen sind sind so groß, gut und günstig, dass das Hotelrestaurant auf zusätzlichen Umsatz verzichten muss. Diese erste Rundfahrt füllt nicht nur unsere hungrigen Mägen, sondern lässt uns auch ahnen, dass Cottbus beileibe keine Stadt ist, die das Prädikat "besonders schön" verdient hätte. Wir sind gespannt, was Alt- und Innenstadt dazu beitragen.


Blick vom Pizzaservice (s.o.)


Im Stadtzentrum


Stadtmauer am Rande der Altstadt
Cottbus, Metropole in der Niederlausitz

Man spricht Sorbisch. Die zweisprachigen Straßenschilder machen darauf aufmerksam, dass in Cottbus außer dem Deutschen noch eine zweite Sprache gesprochen wird. Auch aus dem Radio dudelt unverständliches Kauderwelsch, hier allerdings wurden Jugendliche zum Ausgang des Bundesligaspiels befragt. Aber auch die nationale Minderheit der Sorben hat ihre eigenen Radio- und Fernsehprogramme, pflegt ihre Traditionen und ist neben Cottbus auch in der gesamten Lausitz vertreten. Cottbus ist so etwas wie ihr kulturelles Zentrum, was jedoch nicht darüber hinwegtäuschen kann, dass ihr Anteil an der Stadtbevölkerung gerade mal Ein Prozent ausmacht. Auch die Sprache des westslawischen Volkes ist vom Aussterben bedroht. Und mir ihr auch die ausgeprägte Frömmigkeit der sorbischen Katholiken, die sich in besonders gepflegten Kapellen oder Wegekreuzen äußert. Ob letzteres jedoch wirklich ein Verlust ist, steht auf einem anderen Blatt.

Auch der Name der Stadt geht auf die sorbische oder wendische Sprache zurück, in der Chójskebukti, woraus schließlich Cosebuz und Cottbus wurde, soviel wie "schöne Häuschen" bedeutet. Gemessen an der städtischen Gesamtfläche stehen diese schönen Häuschen heute auf einem vergleichsweise kleinen Raum. Die durchaus recht gemütliche Altstadt mit ihrem schmucken Altmarkt ist schnell durchwandert und wird zu fast allen Seiten von der Pracht und Herrlichkeit sozialistischer wie post-sozialistischer Funktionalarchitektur umrahmt, die ohne Zweifel ihren ganz eigenen Charme ausstrahlt. Die Durchmischung von Alt und Neu, wie sie in Stettin zu beobachten war, fällt in Cottbus dagegen weniger konsequent aus. Vielmehr gibt es hier eine in sich geschlossene Altstadt, die von wiederum in sich geschlossenen Neubauvierteln umgeben ist. Dies lässt die Bausubstanz kompakter erscheinen und verleiht Cottbus ein zuweilen großstädtischeres Ambiente, als es dem viermal so großen Stettin zueigen ist.


Altmarkt
Cottbus ist mit gut 102.000 Einwohnern nach Potsdam die zweitgrößte Stadt Brandenburgs. Allerdings konnte der Großstadtstatus nur durch zahlreiche Eingemeindungen erhalten werden, die vor allem nach der Wende durchgeführt wurden, speziell um entsprechende Fördermittel zu erhalten. Auch Branitz gehört erst seit 1994 zu Cottbus, so wie eine ganze Reihe weiterer Neu-Stadtteile besonders im Süden, deren Einwohner häufig wenig Begeisterung für den zumindest nominellen Verlust ihrer regionalen Identität zeigten.

In der Folge ist die Bevölkerungsdichte gesunken sowie das Durchschnittsalter der verbliebenen Einwohnerschaft gestiegen, da vornehmlich die jungen Cottbusser ihr berufliches Glück in strukturstärkeren Regionen der Bundesrepublik suchen. Gleichwohl besitzt Cottbus eine renommierte Universität sowie eine reiche Theaterlandschaft. Als Tor zum idyllischen Spreewald, der nördlich der Stadt beginnt, besitzt Cottbus auch einen gewissen touristischen Stellenwert.


Altmarkt


Fußgängerzone, Blick in Richtung Spremberger Turm


Schloßkirche
Kleiner Rundgang

Der Regen scheint die schönen Häuschen Cottbus' einfach weggespült zu haben. Wir stellen das Auto im Parkhaus des zentralen Einkaufszentrums ab, das mit seinem gesichtslosen Einerlei der üblichen Filialgeschäfte in jeder anderen größeren Stadt der Republik stehen könnte. Wir streifen ein wenig durch die umliegenden Straßen, die hier von größeren Plattenbauten bestimmt werden. Die Stadthalle und der davor liegende Platz mit Straßenbahnhaltestelle wirkt großzügig und erinnert in seiner Kühle an die industrielle Moderne. Großstädtisches Flair züngelt um die verstreuten Hochbauten, obwohl es Cottbus bekanntermaßen nicht leicht hat, seinen Großstadtstatus zu behalten. Wir lassen uns auf der Suche nach dem historischen Stadtkern nicht entmutigen und erspähen durch das triste Regengrau die Spitze eines kleinen Wehrtürmchens der alten Stadtmauer. Glück gehabt. Hier in etwa beginnt der alte Kern von Cottbus, jene Gegend mit den schönen Häuschen, die der Stadt einst ihren Namen gegeben haben.

Kurze Zeit später stehen wir schließlich auf dem Altmarkt, der mit seinem Ensemble liebevoll restaurierter barocker Bürgerhäuser ein erstes Highlight bildet. Ganz nett, aber nichts, was uns umhaut. Gleich hier beginnt die Fußgängerzone, in der sich außer der weißgetünchten Schlosskirche kaum mehr historische Bauten finden. Dafür eher langweile Wohnblocks aus zurückliegenden Jahrzehnten. An ihrem Ende ragt der Spremberger Turm, das Cottbusser Wahrzeichen, ganze 31 Meter in die Höhe. Weil der Eintritt auf die Aussichtsplattform frei ist, genießen wir schließlich einen interessanten Ausblick auf die Stadt von oben. Damit beenden wir die Besichtigung der Innenstadt. Freilich gäbe es in Cottbus noch ein wenig mehr zu sehen, doch das schlechte Wetter und der verlockende SPA-Bereich unseres Hotels überreden uns zum Abbruch.

Bleibt zu sagen, dass wir auf der Suche nach Supermarkt und Tankstelle die Gelegenheit hatten, weite Strecken durch so manche Plattenbausiedlung zu fahren und das Verhältnis von schönen zu weniger schönen Ecken ganz gut zu beurteilen gelernt haben. Und selbstredend wollten wir auch einer weiteren Hauptsehenswürdigkeit der Stadt einen Besuch abstatten, nämlich dem Branitzer Park, der von Herrmann von Pückler Muskau persönlich gestaltet wurde. Leider fanden wir die Zufahrt nicht und hatten keine Lust mehr, danach zu suchen. Nun muss der Leichnam des Fürsten in seiner Grabpyramide ohne unsere wohlfeile Bewunderung weiter zerfallen. Macht auch nix.


Blick vom Spremberger Turm 1


Blick vom Spremberger Turm 2










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