Itzehoer Tunnelblick

Vielen Dank an Peter Spiegel für Infos, Fotos und den Videoclip



Das "Kurvenmonster"

Unglaublich, aber wahr: In Itzehoe hat man einen kompletten Stadtteil von der Innenstadt abgetrennt. Natürlich nur für Radfahrer. Grund dafür ist eine millionenschwere und groteske Fehlplanung am Wellenkamptunnel. Während der Autoverkehr auf einer breiten Trasse die Bahngleise unterquert, gucken Radfahrer in die Röhre. Und zwar in die einer separaten Fußgänger- und Radfahrer-Unterführung. Denn hier muss geschoben werden, weil die Zufahrtsrampen falsch konzipiert worden sind - trotz besseren Wissens.


Und rein in die Rampe!
Peter Spiegel ist sauer. "Sie handeln nach der Direktive: Wir wissen zwar nicht, was wir tun - aber das mit aller Kraft. Denn der ADFC hat ihnen schon bei der Planung gesagt, dass das so nicht funktioniert", klagt er. Wie viele andere Radfahrer ist auch er tagtäglich benachteiligt. Und ein Ende ist nicht abzusehen. Auch die letzte Sitzung des Bauausschusses vor Redaktionsschluss hatte nur ein Ergebnis: fortgeschrittene Ratlosigkeit im Rathaus. Doch wie konnte es überhaupt soweit so weit kommen?

Blicken wir zurück ins Jahr 2001. Bereits in der Planungsphase zum Wellenkamper Tunnel wurde offensichtlich auf wichtige Expertise verzichtet. Weder die Einwände des örtlichen ADFC noch die des städtischen Fahrradbeauftragten fanden das Gehör der Planer. So kam es zur Realisierung eines unübersichtlichen und engen Rampensystems. Eines "Kurvenmonsters", wie Peter Spiegel höhnt. Stolze 170 fehlgeplante Meter, über die Radfahrer in den Tunnel hinein und wieder hinaus geleitet werden. Wohlgemerkt: Geplant war das Bauwerk als Geh– und Radwegtunnel.

Klar, dass das nicht gutgehen konnte. Schnell hagelte es Beschwerden über die miserable weil kollisionsfördernde Rampengestaltung. Radfahrer fühlten sich vor allem bei Gegenverkehr unsicher auf der Rampe. Also hatte entweder keiner der Planer Ahnung von fahrradgerechter Streckenführung, oder aber es sollte gespart werden, was das Zeug hielt. Anzunehmen ist eine Kombination aus beidem.

Allerdings waren mit dem Bau der Unterführung die unschönen Fakten endgültig besiegelt. Nach einer Begehung von Polizei, Ordnungsamt und dem Landesbetrieb für Straßenbau und Verkehr wies man die Rampe kurzerhand als reinen Gehweg aus. Oder anders ausgedrückt: Erst benachteiligt man Radfahrer durch eine hanebüchene Planung, dann benachteiligt man sie durch ein anschließendes Fahrverbot. Schilda ist nichts dagegen. Doch wer weder eine Ordnungswidrigkeit begehen noch umständlich schieben möchte, hat kaum eine Alternative. Erst in fünf Kilometern Entfernung befindet sich der nächste Bahnübergang (Neue Reihe/Birkenweg). Freund und Helfer Polizei hält diesen Umweg allerdings für zumutbar.

Doch da ist ja noch der benachbarte Straßentunnel, der für Autos eine schöne und gerade Trasse bereithält. Doch auch hier heißt es "Radfahren verboten". Das sei bei über 10.000 Fahrzeugen pro Tag viel zu gefährlich, argumentiert das Amt für Bürgerdienste. Auch sei der Tunnel kaum einsehbar.

"Kokolores", meint Peter Spiegel. Neuste Zählungen hätten eine geringere Verkehrsbelastung ergeben. Auch könne er nicht nachvollziehen, weshalb der völlig gerade geführte Tunnel nicht einsehbar sei. Und was ein mögliches Gefährdungspotenzial angehe, da sei ein Tempolimit auf den nur 300 Metern Strecke völlig zumutbar. Zudem dürfe rechtlich gesehen ein Verkehrsverbot für Radfahrer gar nicht angeordnet werden, da es sich um eine innerörtliche Landesstraße handele.

Aber nichts bewegt sich. Lieber lässt man Radfahrer ihre Fahrzeuge weiter durch die Unterführung schieben. Doch genau das ist der Punkt: "Radfahrer sind Radfahrer, keine Schieberadgeher", ätzt Peter Spiegel, "aber wir leben hier ja im Kreis Steinzeit." Vor allem die in Wellenkamp vergleichsweise häufig vorkommenden Liegedreiräder oder beladenen Fahrräder sind ausgesprochen mühselig bis gar nicht über die Rampe zu schieben.

So bleibt Radfahrern nur die Wahl zwischen Pest und Cholera, also mühsamem Schieben oder ordnungswidrigem Radeln. Und zur gleichen Zeit, während der Radverkehr ra(d)los in die Röhre guckt, genießt der Kfz-Verkehr ganz ungestört die bequeme Luxus-Trasse nebenan. Mal raten, wie die Tunnelverantwortlichen zur Arbeit kommen? Sicher nicht mit dem Fahrrad.



Nachtrag: Kurz nach Fertigstellung dieses Artikels fand die Wellenkamp-Posse doch noch ein einigermaßen zufriedenstellendes Ende. Nachdem eine lange Unterschriftenliste an Bürgermeister Dr. Andreas Koeppen übergeben und ein erneuter Ortstermin abgehalten wurde, gaben die Behörden das "Kurvenmonster" wieder für den Fahrradverkehr frei.

Ein zusätzlicher Radfahrstreifen entlang der KFZ-Unterführung wäre zwar noch besser gewesen - aber was nicht ist...



Peter Spiegel

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