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Von Küste zu Küste: Radreise Lübeck - Büsum und zurück (Oktober 2009)

Teil 1: Lübeck - Nortorf

93,50 km

/ 8 - 10 °C


An der L184 nach Ahrensbök
Als einziges Bundesland grenzt Schleswig Holstein gleich an zwei veritable Meere. Was liegt da näher, als eine Tour von Küste zu Küste? Eine Tour, auf der man ganz nebenbei die wichtigsten norddeutschen Landschaftsformationen durchquert, nämlich das Hügelland im Osten, die Geest in der Mitte sowie die Marsch im Westen. Drei Landschaften, zwei Meere und ein Bundesland, auf dem Rad in seiner kompletten Breite durchfahren. Norddeutsche Impressionen auf knapp 400 Kilometern im Herbst - mit einem Wetterrepertoire, das so ähnlich vielfältig ist, wie das der Landschaften.

An einem Samstagmittag im späten Oktober kann es endlich losgehen. Das Rad ist geölt, das Gepäck verstaut und Welt wartet darauf, erradelt zu werden. Als erste Herausforderung muss ich Lübeck von Ost nach West durchqueren. Mit immerhin knapp 211.000 Einwohnern ist die alte Hansestadt die zweitgrößte des Landes und rangiert auf den ADFC-Fahradklimaindizes regelmäßig auf den peinlichen hinteren Plätzen. Radfahren macht hier also nicht unbedingt viel Spaß, schon gar nicht mit dem vollbeladenen Reiserad.

In Stockelsdorf (16.000 Einwohner), das unmittelbar an den Lübecker Stadtteil St. Lorenz-Nord anschließt und bereits zum Kreis Ostholstein gehört, verlasse ich schließlich die städtische Agglomeration Der Anstieg auf der leider radweglosen Ahrensböker Straße ist ein erster Vorgeschmack auf das östliche Hügelland, das hier seinen Anfang nimmt. Vorbei am 159 Meter hohen Fernstehturm radele ich auf die leicht gewundene Landstraße nach Ahrensbök. Es ist kühl und nieselt ab und an. Der Wind frischt zuweilen auf, erwischt mich aber von der Seite und stört nicht weiter.


Pause in Ahrensbök


Unterwegs nach Sarau
In Ahrensbök verlässt mich schließlich der Radweg. Das kleine Städtchen hat zwar nur 8.500 Einwohner, breitet sich dafür auf einer Fläche von knapp 96 Quadratkilometern aus, was in etwa jener der rheinland-pfälzischen Hauptstadt Mainz entspricht. Ein Großteil der Gemeindefläche wird von Agrarland bedeckt, in dem weit verstreut die 19 Dorfschaften der Gemeinde liegen.

Über die ruhige L306 radele ich weiter nach Sarau, durch das die hier noch winzige Trave gluckert. Es ist kaum vorstellbar, dass dieses müde Rinnsal an seiner Mündung in die Ostsee von Hochseeschiffen befahren werden kann. Im April 1945 war die Gegend ein trauriger Schauplatz nationalsozialistischer Grausamkeiten, als auf dem Todesmarsch von Auschwitz nach Holstein eine Gruppe von Häftlingen in eine nahe Feldscheune getrieben wurde. Viele Menschen starben an Hunger, Kälte und Erschöpfung, andere wurden von den Schergen der SS kaltblütig erschossen - auch in der Scheune bei Sarau.

Ich befinde mich bereits im Landkreis Segeberg, dem dritten auf dieser Radreise. Über eine kleine Stichstraße geht es weiter nach Seedorf und von dort über die L 161 in die dazugehörige Gemeinde Berlin. Berlin hat mit der Bundeshauptstadt nicht nur seinen Namen gemeinsam, es gibt hier auch einen "Potsdamer Platz", eine Straße "Unter den Linden" oder einen "Kurfürstendamm". Allerdings hapert es bei knapp 500 Einwohnern ein wenig mit dem großstädtischen Flair.


...ist immer eine Reise wert
Über zumeist radweglose Landstraßen radele ich weiter in Richtung Bornhöved. Es geht vorbei an Schlamersdorf, Neuenrade und Tarbek, die Topografie wird zunehmend hügelig. Mittlerweile hat stärkerer Regen eingesetzt und der starke Seitenwind treibt die Tropfen in schrägen Streifen vor sich her. Ich bin zu faul, mein Regenzeug anzuziehen, und vertraue fest auf die Fähigkeiten meiner schnell trocknenden Radlerjacke, die immer nasser und nasser wird. Irgendwo am Himmel kann ich an den Wolken das Ende des Regens ausmachen - und tatsächlich, kurz bevor es auf der Haut ernsthaft feucht zu werden beginnt, ist der Schauer beendet. Nun besorgt der Fahrtwind den Rest und trocknet meine nassen Klamotten.


Ortseingang Neumünster


Wasserturm Neumünster


Stadtpanorama von der Max-Johannsen-Brücke


Endlich raus aus Neumünster
In der beginnenden Abenddämmerung erreiche ich Neumünster. Der mit knapp 78.000 Einwohnern viertgrößten Stadt Schleswig-Holsteins eilt nicht unbedingt der Ruf voraus, eine städtebauliche Perle zu sein. Dunkelroter Backstein beherrscht die ansonsten schmucklosen Straßen, aus der gefühlten Mitte der Stadt erheben sich Werkshalle und Schornsteine einer größeren Fabrik. Über den Cityring arbeite ich mich vor, denn ich habe keinen Stadtplan und muss den richtigen Ausgang in Richtung Nortorf finden. Einfach ist das nicht, denn gerade hier hat es jede Menge Baustellen, die das Vorwärtskommen behindern. Die Situation wird auch dadurch nicht einfacher, dass die gesuchte Ausfallstraße nach Nortorf für Radfahrer gesperrt ist. Zum Glück ist eine Alternativstrecke ausgeschildert, die über verkehrsarme Landstraßen in die gewünschte Richtung führt.

Bei der Durchquerung Neumünsters war ich wohl so sehr mit der Orientierung beschäftigt, dass mir die Änderung des Wetters entgangen ist. Die dunklen Wolken haben sich verzogen und eine tiefe Abendsonne scheint in rötlichen Tönen über die Äcker. Die letzten 20 Kilometer nach Nortorf sind ein Klacks, bei dem ich auf bequemen Radwegen über Krogaspe, Timmaspe und Schülp nach Nortorf geleitet werde.

Ich erreiche die geografische Mitte Schleswig-Holsteins kurz nach Sonnenuntergang, die auf 54° 11'' 8' nördlicher Breite und 9° 49'' 20' östlicher Länge liegt. Dieser Punkt befindet sich im Stadtgebiet Nortorfs, ein wenig außerhalb des besiedelten Kerns. Von dieser Besonderheit einmal abgesehen, hat die 6.300 Einwohner zählende Kleinstadt wenig zu bieten. Allerdings befinden sich hier einige Campingplätze, was Nortorf zu einer guten Übernachtungsstation für Holsteintouren macht. Ich errichte mein Zelt auf dem Campingplatz BUM am Borgdorfer See in der Nachbargemeinde Borgdorf, zwei Kilometer nördlich von Nortorf. Der Platz ist im Grunde rundum zu empfehlen. Die Zelt-Übernachtung kostet günstige acht Euro, der Platz hat ganzjährig geöffnet und die Betreiber sind ausgesprochen freundlich. Einziger Wermutstropfen: im Sanitärbereich gibt es kein Klopapier. Aber das sollte der routinierte Radreisende ohnehin in den Packtaschen haben. Ich wohlgemerkt nicht...


Am Morgen nach einer frostigen Nacht
In der Abenddämmerung baue ich mein Zelt auf und muss mit Schrecken feststellen, dass ich nicht nur das Toilettenpapier, sondern auch meine Isomatte vergessen habe - ein bei Kälte überaus wichtiges Utensil. Schon jetzt ist die Temperatur auf knapp fünf Grad gefallen und eine Nacht ohne isolierende Unterlage auf frostigem Boden dürfte selbst im wärmenden Schlafsack nicht angenehm sein. Jetzt heißt es improvisieren. Ich lege all meine verfügbaren Klamotten übereinander und erhalte so eine einigermaßen schützende Schicht. Besonders weich liegt es sich hierauf zwar nicht, doch wer vergesslich ist, muss leiden.

Hintergrund ist, dass das Isolationsmaterial eines noch so guten Schlafsackes durch das Körpergewicht an den Auflagestellen so sehr zusammengedrückt wird, dass die Isolationswirkung wegen fehlender Luft gen Null sinkt und die Bodenkälte in die Knochen kriechen kann. Und tatsächlich gibt es in dieser Nacht Bodenfrost, wobei die Zeltinnentemperatur im untersten positiven Bereich herumdümpelt. Der Schlafsack wird zum wärmenden Kokon, nur hier lässt es sich aushalten. Zum Schlafen ziehe ich wie immer alle Klamotten bis auf die Unterhose aus und mache es mir auf der improvisierten Unterlage so bequem wie möglich.


Nortorfer Abendstimmung

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