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Die kleine Mecklenburg - Runde (Oktober 2006)

Radreise Lübeck - (Boltenhagen) - Wismar - (Insel Poel) - Schwerin - (Gadebusch - Ratzeburg) - Lübeck (250 Km)

Etappe 1: Lübeck - (Boltenhagen) - Wismar (Zierow)

Strecke: 85,21 Km    Steigung Ges.: 282 m    Gefälle Ges.: 276 m    Alt Max: 56 müNN    V Av: 17.3 Km/h    VMax: 41,3 Km/h


Lübeck - Travemünde besitzt den größten Fährhafen Europas
Eine Radreise muss nicht zwingend lang sein und in die weite Ferne führen. Das gilt insbesondere dann, wenn man das Glück hat, in einer Gegend zu wohnen, in der viele interessante Sehenswürdigkeiten in der Nähe liegen.

Diese Tour eignet sich prima für ein verlängertes Wochenende und führte in drei Etappen von der Hansestadt Lübeck in die Hansestadt Wismar sowie zur Insel Poel. Von dort ging es nach Schwerin, der gemütlichen Landeshauptstadt Mecklenburg-Vorpommerns. Die dritte Etappe führte über Gadebusch und Ratzeburg zurück nach Lübeck. In der ersten Etappe folgte ich fast ausschließlich dem Radfernweg Ostseeküste und in der zweiten dem Elbe - Ostsee - Radfernweg. Der Vorteil davon war, dass durch die gute Beschilderung Orientierungsprobleme kaum auftauchten und man als Radler auf ruhige Nebenwege mit wenig oder keinem KFZ-Verkehr geführt wurde. Leider waren die Nebenwege zuweilen derart ruhig und abgeschieden, dass sie selbst mit dem Rad - und hier vor allem mit dem bepackten Reiserad - schwer zu befahren waren. Meine Meinung zu diesem Thema ist, dass grober Schotter und Kopfsteinpflaster das Fahrvergnügen soweit reduzieren, dass dem ein Radeln auf stärker befahrenen Landstraßen eindeutig vorzuziehen ist.

Mecklenburg-Vorpommern ist das am dünnsten besiedelte Bundesland der Republik, das zudem am weitesten von den Segnungen aus Industrialisierung und Modernisierung verschont geblieben ist. Gewiss bewegt sich nicht zuletzt deshalb die Arbeitslosigkeit auf ähnlich hohem Niveau, wie die Abwanderung der jüngeren Bevölkerung in andere Regionen. Doch ohne die Fetischisierung von ökonomischem Wachstum oder die möglichen Vorteile alternativer Wirtschaftsformen hier diskutieren zu wollen, bleibt festzustellen, dass sich die oft als Rückständigkeit verunglimpfte Abwesenheit von Industrie und Kommerz als sehr positiv für den Naturraum der Region erwiesen hat. Kaum ein anderes Bundesland kann daher mit einer solchen Fülle an ursprünglicher und unberührter Natur aufwarten

Auch die Menschen haben sich oft eine gewisse Ursprünglichkeit bewahrt, obwohl die Auswirkungen der zerstampften Sozialsysteme in Verbindung mit der damit heraufbeschworenen Perspektivlosigkeit vielerorts kaum zu übersehen sind. Kurzgeschorene Jugendliche mit Springerstiefeln und der entsprechenden Gesinnung sind mahnende Anzeichen einer so kurzsichtigen wie ideologisch einseitigen Politik. (Zwei Tage später sollte die NPD mit knappen 7% der Wählerstimmen in das Schweriner Landesparlament einziehen...)



Lübeck (Marli - Küknitz - Travemünde - Priwall) - Pötenitz - Harkensee - Groß Schwansee


Solche Wegweiser will der Radler unter Garantie NICHT sehen (Groß Schwansee)
Der Spätsommer zeigte sich von seiner besten Seite, als ich an einem Donnerstag im September spät vormittags zu meiner Rundtour aufbrach. Von Marli ging es durch den Waldweg im Lauer Holz zum Herrentunnel, dem neben dem Rostocker Warnowtunnel zweiten privat finanzierten Straßenbauprojekt der Republik. Während sich die motorisierten Verkehrsteilnehmer über stetig steigende Mautgebühren ärgern, müssen Radfahrer und Fußgänger auf den (zum Glück noch kostenlosen) Shuttlebus warten, der sie auf die andere Seite befördert.

Überhaupt ist der Herrentunnel ein Paradebeispiel dafür, was passieren kann, wenn Gemeinden öffentliche Aufgaben an Private übergeben. Als die Nutzungshäufigkeit des Tunnels nach seiner Eröffnung rapide abnahm, weil viele Autofahrer die 90 Cent Maut mit Umwegen, Fahrgemeinschaften oder schlichtem Vermeiden von Fahrten zu umgehen versuchten, erhöhte die Betreibergesellschaft einfach die Maut auf 1 Euro Zehn. Wie war das noch mit dem Zusammenhang von Angebot und Nachfrage? Offensichtlich versuchte man, den zu wenig genutzten Tunnel durch eine höhere Maut attraktiver zu machen. Das ergibt nur einen Sinn, wenn man die Argumente bemüht, die von den Protagonisten der Kommerzialisierung öffentlicher Aufgaben - etwa der universitären Bildung - gerne ins Feld geführt werden. Demzufolge sollen die Autofahrer vielleicht den Wert des Tunnel-Durchfahrens besser zu schätzen lernen, wenn sie mehr dafür bezahlen. Oder sie sollen die Maut als Investition in ihre Mobilität verstehen, der sie irgendwann später eine wie auch immer geartete Rendite gegenüberstellen können.


Kolonnenweg bei Groß Schwansee
Wie dem auch sei, ich packte mein Rad mit Hilfe des freundlichen Busfahrers auf den Hänger und erreichte eine Viertelstunde später Lübeck-Kücknitz. Vorbei an der wenig anschaulichen Siedlung "Roter Hahn" radelte ich auf die Hauptstrecke nach Travemünde, von der der Radweg wegen des Hafenumbaus über einen künstlichen Damm weggeführt wird. Der Fährhafen Travemündes ist der größte Europas; er verbindet das Festland mit Skandinavien und Finnland. Schließlich im beschaulichen Seebad Travemünde angekommen, überquerte ich die Trave per Fähre und radelte über den tristen Priwall ins unscheinbare Pötenitz, wo ich auf den Ostsee-Radfernweg stieß.

Bei strahlendem Sonnenschein und mäßigem Gegenwind ging es über Harkensee und Klein Schwansee nach Groß Schwansee, wo die Verkehrsplaner mit einer kleinen Überraschung aufwarteten: auf einem großen Schild wurde dem Radler die Sperrung des Radweges verkündet. Das kann durchaus vorkommen, schließlich soll der alte Weg so miserabel gewesen sein, dass eine Verbessung zwingend Not tat. Doch wäre man bestimmt nicht an Überforderung erkrankt, hätte man dem so plötzlich vor vollendete Tatsachen gestellten Radler eine Alternative - sprich: Umleitung - angeboten. Man hätte die Sperrung zumindest ein Kaff früher ankündigen können, um den Radler frühzeitig nach einer umwegarmen Alternativstrecke Ausschau halten zu lassen. Nichts dergleichen hielt man offenbar für nötig.

Infolge der mangelhaften Information beschloss ich, über einen Feldweg zur Küste zu radeln und dort auf den Radfernweg zu treffen. So holperte ich zwei Kilometer über einen üblen Kolonnenweg aus Lochbetonplatten auf den Küstenweg, um nach weiteren zwei Kilometern vor einer erneuten Absperrung zu landen. Über den verbleibenden Weg erreichte ich schließlich wieder den Ortseingang mit der ersten Absperrung. Eine Sackgasse mit Kreisfahrt also, die mich locker fünf zusätzliche Kilometer kostete und die Gemeinde Groß Schwansee ihren guten Ruf.


Kalkhorst - Brook - Elmenhorst - Steinbeck - Boltenhagen - Wohlenberg - Beckerwitz - Zierow


Trinkhaus in Boltenhagen
Nach meiner unfreiwilligen Kreisfahrt blieb mir nichts anderes übrig, als nach Kalhorst zu radeln, von wo aus ich über das Örtchen Brook wieder auf den Radfernweg gelangte. Kurze Zeit später erreichte ich das Seebad Boltenhagen, das malerisch an der kleinen Boltenhagenbucht liegt. Hier kann man entspannt durch das kleine Kurzentrum mit seinem Trinkhaus, seiner Strandpromenade, seiner Seebrücke und seinen Parkanlagen flanieren. Zu sehen gibt es weiterhin viele Häuser im typischen Stil der Bäderarchitektur.

Nach einer kleinen Pause machte ich mich auf den Weg nach Wismar. Bei Tarnewitz verwandelte sich der Radfernweg in einen üblen Schotterweg, der bei Oberhof in eine vergleichsweise lebhafte Landstraße mündete. Zum Ausgleich ergab sich hinter Wohlenberg eine schöne Aussicht auf das Wohlenberger Wiek. Am Ende der Bucht verlässt der Radweg die Landstraße, biegt nach links ab und führt bis Wismar über schmale asphaltierte Landwege.


Ostesee-Radfernweg hinter Tarnewitz
In Zierow, wenige Kilometer vor Wismar, steuerte ich den Campingplatz für die Übernachtung an. Das gemütliche Örtchen verfügt über ein Schloss, das Sitz einer agrarwirtschaftlichen Berufsschule ist. Ein Lebensmittelgeschäft gab es allerdings nicht, so dass ich bis nach Wismar-Wendorf radeln musste, um mich in einem Discounter mit Abendessen und Feierabend-Bier zu versorgen. Immerhin kam ich auf diese Weise an diesem Tag dann doch noch ins Stadtgebiet der mecklenburgischen Hansestadt.

Der Campingplatz Zierow kostete mich günstige acht Euro, für die ich auf großzügigen und schön gelegenen Wiese zelten und in ebenso großzügigen wie sauberen Sanitäreinrichtungen duschen konnte - sehr empfehlenswert!

Am Abend beobachtete ich das Farbenspiel beim Sonnenuntergang über der Ostsee, denn der Campingplatz hat einen Zugang zum Strand am Eggers Wiek. Trotzdem es Mitte September war, wurde ich dabei das Opfer einiger Stechmücken. Weil die Sonne um kurz nach acht Uhr fast untergegangen war, kroch ich früh ins Zelt. In der Nacht nahm der mäßige Wind merklich ab, der mir am Tag zuweilen als Gegenwind das Radeln künstlich erschwert hatte. Als ich am frühen Morgen aufwachte, ging mit der Sonne auch der Wind förmlich auf.

Bilder

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