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Die kleine Mecklenburg - Runde (Oktober 2006)

Etappe 3: Seehof - Schwerin - (SN-Lankow) - Gadebusch - Ratzeburg - Lübeck

Strecke: 96,24 Km    Steigung Ges.: 298 m    Gefälle Ges.: 303 m    Alt Max: 96 müNN    V Av: 17.8 Km/h    VMax: 40,3 Km/h


Blick über den Pfaffenteich auf den Schweriner Dom
Früh packte ich meine Sachen, verließ den teuren Campingplatz und machte mich auf den Weg zur Stadtbesichtigung nach Schwerin. In Groß Medewege stieß ich auf die Wismarsche Straße, die mich als lange Einfallsstraße bis ins Zentrum führte. Einen ersten Stopp machte ich am Pfaffenteich, über den ich einen schönen Ausblick auf Dom und Altstadt bekam. Der Pfaffenteich wurde im 12. Jh. künstlich als Fischteich für die Domherren angelegt und ist heute mit seiner Fontäne Bestandteil der Stadtkulisse.

Schwerin ist mit etwa 97.600 Einwohnern die einzige Landeshauptstadt der Bundesrepublik ohne Großstadtstatus. Auch eine großzügige Eingemeindungspolitik konnte dem Trend der Bevölkerungsabwanderung wenig entgegensetzen. Dabei ist Schwerin zumindest in landschaftlicher Hinsicht sehr begünstigt. Durchdrungen und umgeben von zahlreichen Seen und aufgelockert durch großzügige Parkanlagen präsentiert sich die Stadt als lichter und grüner Ort. Auch die gut erhaltene Altstadt, die noch von vom Status Schwerins als herzoglicher Residenzstadt geprägt ist, bestimmt wesentlich das reizvolle Ambiente.

Dennoch kann auch das angenehme Stadtbild nicht über die sozioökonomischen Schwierigkeiten hinwegtäuschen, die in Schwerin wie in fast ganz Mecklenburg-Vorpommern herrschen. Da ist es wenig tröstlich zu wissen, dass diese im ehemaligen "Florenz des Nordens" gewissermaßen Tradition haben, denn bereits im 13. Jh. wurde Schwerin in wirtschaftlicher Hinsicht von den aufstrebenden Hafenstädten Wismar und Rostock überflügelt. Dennoch blieb die Stadt geistiges und kulturelles Zentrum der Region. Ein Status, der durch die Rückverlegung der herzoglichen Residenz 1837 aus Ludwigslust weiter gefestigt werden konnte.


Gasse in der Schelfstadt
Ich begann meinen kleinen Stadtrundgang am Ostufer des Pfaffenteichs und schob das Rad durch die engen Gassen der Schelfstadt. Nach mehreren Bränden baute man dieses Viertel im 18. Jh. einheitlich mit einem barocken Grundriss und Fachwerk-Traufenhäusern wieder auf. Zu Zeiten der DDR litt das Erscheinungsbild der Schelfstadt ein wenig, da man sie großzügig für den Abriss vorgesehen hatte. Heute vermittelt sie einen gemütlich bis morbiden Charme und ist wesentlicher Tummelplatz der Schweriner Szene.

Weiter gings zum Alten Markt, um den sich der Dom, das Altstädtische Rathaus und das spätbarocke Neue Gebäude gruppieren. Herausragendes Bauwerk ist der Dom mit seinem 117,5 m hohen Turm, der allerdings erst Ende des 19. Jh. an die gotische Basilika aus dem 12. Jh. angefügt wurde. In ihm befindet sich eine Orgel mit 6000 Pfeifen, auf der im alljährlichen Schweriner Orgelsommer Interessierten Gebläsemusik vorgedudelt wird. Durch einen Durchgang im Altstädtischen Rathaus gelangt man auf den geruhsamen Schlachtermarkt mit seinem Brunnen, wo man dem Glockenspiel des Rathauses lauschen kann, das ab und an die Weise vom "Herrn Pastor sihn Kau" bimmelt.


Blick vom Alten Markt auf Dom und einen Teil des klassizistischen Neuen Gebäudes (re.)
Über weitere kleine Gassen erreichte ich schließlich mit der Mecklenburgstraße die auch für Schwerin obligatorische standardisierte Einkaufs- und Flaniermeile, die an ihrem Nordende auf den Pfaffenteich mit seiner Fontäne stößt. Zum Abschluss schlenderte ich noch am kastellartigen Arsenal vorbei, das heute das Innenministerium der Landesregierung beherbergt. Damit war mein kleiner Stadtrundgang auch schon zu Ende und natürlich auch der Entschluss gefasst, Schwerin demnächst einen längeren Besuch abzustatten.

Um die Stadt in Richtung Gadebusch zu verlassen, folgte ich den vorbildlichen Radwegweisern in den Stadtteil Lankow, wo sich das andere Gesicht Schwerins zeigte: Plattenbausiedlungen im Stile des sog. real existierenden Sozialismus. Wegen einer Großbaustelle bei Warnitz war es kaum möglich, die nicht ausgeschilderte Landstraße nach Gadebusch zu finden, da sich alle Schilder auf die verkehrsreiche Hauptstrecke bezogen. Die ruhige Nebenstrecke indes blieb unberücksichtigt.

Schwerin - Hohen Steinfeld - Gottmannsförde - Dragun - Vietlübbe - Gadebusch


Das Arsenal am Pfaffenteich


Als ich aus der Stadt herausgefunden hatte, radelte ich über ruhige Nebenwege mit zuweilen abendteurlichem Asphaltbelag über den Weiler Kirschenhof nach Hohen Steinfeld. Über eine stetige Steigung erklomm ich den Gipfel des 96 Meter hohen Hütterberges, auf dem ein verlassener Funkturm langsam im Wind zerbröckelt. Bis Dragun radelte ich auf ruhigen Alleestraßen gemütlich vor mich hin. In Vietlübbe vergaß ich, die älteste Dorfkirche Mecklenburgs zu besichtigen, was wohl kein tragisches Versäumnis war.

Ein wenig später erreichte ich bei bestem Wetter die alte Stadt Gadebusch (6.000 EW), die zu den ältesten Mecklenburgs zählt. In ihrer Altstadt dominieren rotbraune Backsteingebäude, wobei insbesondere Rathaus (14. Jhd.) und Stadtkirche (13. Jhd.) ein malerisches Ensemble bilden. Leider dominiert auf den Straßen ein unsägliches und fahrradfeindliches Kopfsteinpflaster. Schwierig war es auch, aus der Stadt heraus und den Anschluss an die B208 nach Ratzeburg zu finden. Wegen fehlender Beschilderung landete ich zunächst auf der radweglosen B104 und musste, nachdem ich das eher zufällig herausbekam, auf der fast autobahnhaften Landstraße zum Wenden ansetzen. Zum Ausgleich war das Radeln entlang der B208 sehr geruhsam. Ebenso stellte sich heraus, dass der Radweg die gesamte Streck bis Ratzeburg begleitet - sehr vorbildlich und angenehm!

Gadebusch - Roggendorf - Mustin - Ratzeburg - Lübeck


Plattenbauten in SN-Lankow
So ging es auf dem gut ausgebauten Radweg über hügeliges Gelände zurück nach Schleswig-Holstein. Kurz vor Roggendorf erinnerte die Grenze des Biosphärenreservates Schaalsee an die reichen Naturschätze der lauenburgischen und mecklenburgischen Seen. Das idyllisch zwischen zwei Seen gelegene Ratzeburg ist (nicht nur) für den Radler ein Nadelöhr, das jedoch durch die angenehme Atmosphäre der Stadt aufgewertet wird. Nachdem ich mich durch die Altstadt gequält hatte (bergauf und ohne Radweg), radelte ich vorbei am Ratzeburger See. An seinem Ufer befindet sich ein Park, der ein beliebter Treffpunkt der motorisierten Zweiradfraktion ist.

Ob es erstrebenswert und verwegen-männlich ist, auf lärmenden Motorvehikeln durch die Natur zu düsen und diese dabei zu verpesten, bleibt dahingestellt. Wenn überhaupt eine Fortbewegungsart verwegen-männlich ist, um einmal dieses Motorrad-Klischee zu bemühen, dann doch wohl das Reiseradeln. Denn hier ist noch ehrliche Muskelkraft gefragt, und nicht nur die bloße Fähigkeit, mit dem Handgelenk den Benzinzufluss in einen PS-starken Motor zu regeln.
Wie auch der KFZ-Wahn gründet sich der Reiz des Motorradfahrens eher auf der Übermacht archaischer Überbleibsel innerhalb der Psyche, die das Motorvehikel als Anhängsel des eigenen Körpers betrachten und die eigene Persönlichkeit damit aufwerten. Das Röhren der Maschine wird unbewusst zur körperlichen Machtdemonstration und erfreut sich daher besonders bei psychisch schwächeren Charakteren besonderer Beliebtheit. Es ist immer wieder erstaunlich, dass sogar vernunftbegabte und gebildete Zeitgenossen diese einfachen Zusammenhänge nicht durchschauen und mit überflüssigen Lärm- und Abgasemissionen ihrer Umwelt mitteilen, dass sie glauben, "den Längsten" zu haben.


In der Altstadt von Gadebusch
Nach dem Durchqueren der Stadt radelte ich bei Einhaus auf den Radweg an der B207, die über Groß Grönau direkt nach Lübeck führt.

Alternativ kann man auch am Ufer des Ratzeburger Sees entlang fahren und erst an seinem Nordende bei Rothenhusen auf die Bundesstraße wechseln, bzw. über weitere Wanderwege entlang der malerischen Wakenitz bis in die Lübecker Innenstadt radeln. Diese Varianten bieten ungleich schönere Ausblicke auf eine herrliche Seen- und Flußlandschaft, schienen mir aber für mein beladenes Rad wegen der unasphaltierten Feldwege in diesem Moment zu zeitaufwändig. Nach einer knappen Stunde fuhr ich schließlich über die Ratzeburger Allee in die Hansestadt Lübeck ein und war kurz darauf nach einer interessanten Fahrt durch Mecklenburg wieder zu Hause.

Bilder

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