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Tanahorn auf Varanger - Kurzbesuch Abisko - Kiruna

Alpinismus für Arme

Einige Kilometer westlich von Berlevåg, an der Nordwestecke der Varangerhalbinsel, befindet sich das mit 266 Metern nicht gerade umwerfend hohe Tanahorn, das den Samen früher als heiliger Berg galt. Seinen Gipfel haben wir zum Ziel einer Wanderung auserkoren. Von unserem Lager einen Kilometer hinter Berlevåg führte der Weg immer an der Küste entlang über Felsen, Geröllhalden und Wiesen zu einer malerischen Bucht am Fuße des zu besteigenden Berges. Immer wieder konnten wir uns darüber wundern, welche beträchtlichen Mengen an Zubehörartikeln für Hochseefischerei das Meer im Laufe der Zeit wieder ausgespuckt hat. Die malerische Bucht am Fuße des Tanahorns bot sich als idealer Platz für eine kurze Rast mit Badeversuch an, zumal das glasklare Wasser und die für längere Zeiträume hervorkommende Sonne einschlägige Verlockungen provozierten. Wegen niedriger Wassertemperaturen konnten wir ihnen jedoch nur bis zu den Waden folgen.

Anschließend wagten wir uns an den von unten nicht so schwierig wirkenden Aufstieg auf den Berg, und fanden ein wenig später inmitten eines immer steileren Hanges mit ständig abrutschendem Boden wieder. Leicht mulmig wurde uns schließlich, als wir soweit in das unsichere Terrain vorgedrungen waren, dass ein Zurück gefährlicher schien, als die Flucht nach Vorn. So tasteten wir uns Meter für Meter vor, dabei immer den über 200 Meter tiefen Steilhang im Augenwinkel, über den man nach einem Abrutschen oder einem Fehltritt ungebremst in die Tiefe gekullert wäre. Selbstredend glückte uns dieser Aufstieg, und glücklich über diese schmalspur-alpinistische Leistung trugen wir uns in das Gipfelbuch (!) des Berges ein. Die obskure Tatsache, dass auf einem nur 266 Meter hohen Berg ein Gipfelbuch ausliegt, wurde im Übrigen noch dadurch verstärkt, dass das Tanahorn einzig von der Küste aus wie ein schroffer Berg wirkt. Vom Landesinneren aus gesehen handelt es sich um eine eher sanft ansteigende Erhebung, die von einem nahegelegenen Parkplatz aus selbst von Ungeübten leicht zu erreichen ist. Vom Gipfel aus ergab sich eine herrliche Sicht auf die benachbarte Nordkinnhalvøya mit ihren schneebedeckten Tafelbergen.

Im Anschluss an diese Wanderung setzten wir uns ins warme Auto und begaben uns - durchaus nicht ohne Wehmut - wieder auf Südkurs mit dem Ziel Kiruna / Nordschweden.


Fußbad in der Barentsee


Blick vom Tanahorn auf umgebende Berge


Blick vom Tanahorn auf die Bucht, die Ausgangspunkt der Bergwanderung war


Aussicht auf den Tanafjord und die benachbarte Nordkinn-Halbinsel

Der spröde Charme von Kiruna

Wieder auf Südkurs

Die Südroute führte uns durch allerlei großartige Landschaften, denen wir aus Zeitmangel leider viel zu wenig Aufmerksamkeit schenken konnten. Wieder runter von der Varanger-Halbinsel, verlief die Strecke an Tana und finnischer Grenze entlang bis Karasjok, und ab da quer durch die düsteren Weiten der Finmarksvidda über Kautokeino wieder in einen Ausläufer Finnlands. Auf Nachtfahrt durchquerten wir das Land, fuhren an Enontikiö vorbei und erreichten ein wenig später die Doppelstadt Kaaresuvanto (auf finnischer Seite) / Karesunado (auf schwedischer Seite), wo in der Nähe des Grenzübergangs ein paar Jugendliche durch den nächtlichen Polartag schlenderten. An der schwedischen Landstraße 45, deren Belag im Übrigen von saumäßiger Qualität ist, legten wir eine kleine Schlafpause im Auto ein und erreichten am folgenden Morgen die E10 und schließlich Kiruna.


Kurz nach Absiko und wieder nichts wie weg...

Zunächst sah unsere Planung die Weiterfahrt nach Absiko vor, das ein Eldorado für Bergwanderer und Alpinisten ist und sich als Ausgangspunkt für eine längere Wanderung ins schwedische Hochgebirge anbot. So fuhren wir durch das durch moderne Betonklotz-Architektur auffallende Kiruna hindurch, und erreichten wenige Zeit später die imposanten schneebedeckten Berge der nördlichen Skanden. Die Vorfreude auf eine Wanderung im felsigen Terrain wurde allerdings jäh eingetrübt als wir dem massentouristischen Rummel in Abisko begegneten. In diesem wenig sehenswerten Ort spuckten Reisebusgeschwader unzählige Erholungssuchende aus. Alles wirkte abstoßend wie ein schwedisches Oberammergau. Die einzigen Zeltplätze, die es in der Gegend gab, bestachen durch hohe Preise und den Charme von Kaufhausparkplätzen. In der Tat hätten wir unser Zelt nur auf Betonboden zwischen Burgen aus Wohnmobilen errichten können. Dies alles widerte uns besonders nach dem Besuch der menschenleeren Weiten im allerhöchsten Norden geradezu an. Selbst wenn wir für unsere geplante Wanderung den unsäglichen Tourismusrummel nur auf den ersten Metern zu erwarten gehabt hätten, zogen wir es vor, uns dieser Form von Ärgernissen garnicht erst auszusetzen. So kehrten wir schließlich unverrichteter Dinge wieder um - und zwar nach Kiruna.


Kiruna

Eine Zeitlang galt Kiruna als größte Gemeinde der Welt, wurde aber erst in jüngerer Vergangenheit von einer mexikanischen Stadt in Sachen gebietskörperschaftlicher Fläche überrundet. Die Ursache der rasanten städtischen Entwicklung Kirunas im ansonsten menschenleeren Lappland ist beinahe von jedem Punkt der Stadt aus zu sehen und thront wuchtig vor ihren Toren. Dabei ist der Erzberg, der im Laufe des Eisenerz-Abbaus bereits einen Großteil seines ursprünglichen Umfanges eingebüßt hat, nur die eine Seite der Rohstoffgewinnung, denn Kiruna verfügt darüber hinaus über die größten und modernsten Erzminen der Welt.

Sehr zu seinem Leidwesen, wie sich mittlerweile herausgestellt hat. Denn infolge der gigantischen Dimensionen des Untertage-Abbaus steht die Stadt zurzeit auf wackeligem Boden, und muss voraussichtlich komplett abgerissen und woanders wiederaufgebaut werden. Dadurch böte sich die einmalige Chance, einem neuen Kiruna den Stempel gelungener Architektur und Stadtgestaltung aufzudrücken, denn wie fast alle größeren skandinavischen Städte (insbesondere im Norden) besticht die Stadt durch einen eklatanten Mangel daran (Stockholm soll angeblich die einzige schwedische Großstadt sein, die so etwas wie ein angenehmesFlair besitzt - und unsere Erfahrungen können das bis jetzt bestätigen). In Kiruna also dominiert moderne Betonbauweise, und das Stadtzentrum, das durch einen Park- und Marktplatz am Folketshus gebildet wird, erinnert stark an die Frankfurter Nordweststadt. Trotzdem wirkt Kiruna keinesfalls abweisend oder unangenehm, und selbst auf dem Stadt-Campingplatz, der von unschönen Wohnblocks umstanden ist, fühlten wir uns wohl. Neben einigen kurzen Bummelgängen durch die recht überschaubare Stadt nutzten wir die anderthalb Tage in der Zivilisation zur Pflege unserer Ausrüstung und zum Waschen / Trocknen unserer Kleidung. Dann aber wurde es wieder höchste Zeit für einen längeren Aufenthalt in der puren Natur und wir verließen die Stadt in Richtung Jokkmokk, in dessen Nähe wir eine zweitägige Wanderung unternehmen wollten.



Karte

  • Nordkalotte


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