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Rund um Hamburg (Juli 2006)

Teil 3: Wedel - Pinneberg - Quickborn - Henstedt Ulzburg - Mözener See - Bad Segeberg (93,90 km)


"Radfahrer Absteigen": Paradebeispiel für undurchdachte Baustellenbeschilderung an der Landstraße zwischen Wedel und Pinneberg. Leider kein Witz.
Am Morgen hing dichter Nebel über der Elbe und irgendwie kam mir die Luft kühl vor. Das lag wohl auch daran, dass mein Temepraturempfinden durch die Hitze der letzten Tage sehr verwöhnt war. Ich packte meine Sachen und hoffte, dass sich auch dieser Tag so entwickeln möge, wie die vorangegangenen.

Wie am Vortag ging es nach Wedel und dort auf die Landstraße in Richtung Pinneberg, die über weite Strecken von Baumschulen und Blumenzuchtbetrieben gesäumt ist. Nach wenigen Kilometern musste ich für einem kurzen Fotostopp anhalten, als eine winzige Baustelle auf dem Radweg auftauchte, die mit dem unsäglichen Schild "Radfahrer absteigen" versehen war. Baustellen können mit ein wenig Nachdenken und Mühe fast immer so angelegt werden, dass Radfahrer ohne absteigen zu müssen passieren können. Weil dies aber mit ein klein wenig mehr Anstrengung verbunden ist, als üblich, hängt man halt einfach ein schnödes Schild auf. Die Konsequenz davon ist, dass man selbst auf kürzeren Wegstrecken so oft vom Rad absteigen müsste, dass ein unbehindertes Radfahren kaum mehr möglich ist. Radverkehr ist Verkehr, wie jeder andere auch, und sollte auch dementsprechend behandelt werden. Insbesondere in Zeiten steigender Benzinpreise und einer grassierenden Verpestung der Umwelt durch motorisierte Fahrzeuge sollten Verkehrsplaner und Baustellenverantwortliche dafür sorgen, dass der Verkehrsfluss für Fahrräder möglichst unbehindert rollen kann. Im alltäglichen Verkehr haben es Radler schon schwer genug...


Stadtzentrum von Pinneberg
Bevor es schließlich ins Zentrum von Pinneberg ging, konnte ich im Vorbeifahren ein ausgedehntes Wohn-Neubaugebiet bewundern, dass wegen seiner architektonischen Eintönigkeit wenig einladend ausfiel. Auch der Stadtkern konnte wenig mit Attraktivität aufwarten. Es dominieren Zweckbauten in der typischen Betonbauweise der 70er Jahre und eintönige Straßenzüge mit ebenso eintönigen Reihenhäusern. Auch die Radwegbeschilderung nach Quickborn war unzureichend, zumal einige Straßenführungen für Radler gesperrt sind. Es sorgte wohl die Nähe zu Hamburg dafür, dass Pinnebergs Entwicklung auf einer Funktion als dröger Schlafstadt stehen blieb.

Am späten Vormittag hatten sich die Nebel verzogen und die Sonne brannte wieder in gewohnter Weise vom blauen Himmel herab. Quickborn wollte hinter dem Ortsschild irgendwie nicht so richtig beginnen und wirkte wie ein zerfasertes Landstädtchen, obwohl ich bei der Weiterfahrt nach Ellerau auch so etwas wie ein Stadtzentrum mit den üblichen Geschäften ausmachen konnte.



Modernes Zentrum von Henstedt-Ulzburg
Meine wohlverdiente Mittagspause machte ich in Henstedt-Ulzburg, wo ich in einem Imbiss vor einem Supermarkt eine so leckere wie ungesunde Currywurst mit dem zweideutigen Namen "Riesenlümmel" in mich hineinstopfte. Henstedt-Ulzburg erschien mir als unauffällige Stadt mit einem Stadtzentrum, das von luftiger, sehr moderner Architektur geprägt ist. Wüsste man nicht, in einer holsteinischen Kleinstadt zu sein, könnte man durchaus annehmen, sich in einem modernen Nebenzentrum einer wichtigen Großstadt zu befinden.

Nach der Pause radelte ich weiter in Richtung Wakendorf II und fiel einer Verkehrsplanung zum Opfer, die sich, wie so oft, nur an motorisierten Verkehrsteilnehmern orientierte. Aufgrund einer Baustelle war die komplette Strecke dorthin gesperrt. Ein (einziges!) Umleitungsschild wies die neue Richtung aus, und nur meiner Landkarte konnte ich entnehmen, was sich die Verantwortlichen dabei gedacht haben. Die Umleitung führte in weitem Bogen nach Kisdorf, wo den Radler eine langgezogene Steigung erwartete, die kaum enden wollte. Zwar ging es irgendwann wieder bergab, doch das war ein schwacher Trost angesichts dieses hügeligen Umweges.

Zelten zwischen Gartenzwergen, Hobbygärtnern und Berufsspießern


Allerdings nahm ich den Umweg zum Anlass, meine Route ein wenig zu ändern. Weil es in der geplanten Richtung kaum Campingmöglichkeiten gab, fuhr ich nun in Richtung Bad Segeberg. Meines neues Ziel hieß Mözener See. Von Kisdorf kam ich recht schnell auf die B432, die mit einem langweiligen, aber gut befahrbaren Radweg ausgerüstet ist. In Groß Niendorf verschwindet dieser allerdings ohne jede Ankündung, um einen halben Kilometer weiter auf der anderen Fahrbahnseite wieder aufzutauchen. Wer das nicht weiß, hat schlechte Karten, und in meinem Falle war eine nicht ungefährliche Überquerung der starkbefahrenen Straße nötig. Eine völlig überflüssige Gefährdung.

Der Campingplatz Weisser Brunnen am Mözener See liegt nicht etwa in dem kleinen Örtchen Mözen, sondern in Wittenborn. Da ich aber von ersterem ausgegangen war, musste ich mehrere Leute fragen und schließlich über steile und steinige Waldwege kurven, bis ich feststellte, dass ich von der falschen Seiten kam.

Bei dem Campingplatz handelt es sich um einen stark ausgeprägten Dauercamper- und Caravanplatz, auf dem ein ganz besonderes Klientel an Urlaubern dominiert (Zelt + Rad + 1 Person: 8,50 Euro; Warmduschen 0,50). Die sehr netten Betreiber wiesen mir einen Platz zu, auf dem ich mir wie im Vorgarten eines Einfamilienhauses vorkam. Rings um mich herum standen Wohnwagen mit Umzäunung, TV-, Satelliten- und Solaranlagen, Küche, Wohnzimmer, Gartenzwergen und allem anderen Pipapo, das der klassische deutsche Dauercamper braucht, um sich so zu fühlen, wie zu Hause. Wenn es beim Urlaub darum geht, in Sachen Komfort, Annehmlichkeiten und Erwartungssicherheit möglicht genau so zu leben, wie zu Hause, braucht man ja eigentlich gar nicht erst seine vier Wände zu verlassen. Auch das soziale Gefüge glich hier wohl jenem, das die Dauercamper von ihren heimischen Wohnungen her kennen: es gibt Nachbarn, spielende Kinder, den Bäcker nebenan, einen Vermieter und - sehr wichtig - eine Hausordnung!



Bad Segeberg, mal ohne viel Verkehr
Weil ich keine Lust hatte, mich bei meinen Nachbarn zum Abendessen einzuladen, oder gar, die Jugenddisco oder Camperkneipe zu besuchen, schwang ich mich nach dem Zeltaufbau aufs Rad und fuhr auf der Suche nach einem Supermarkt durch die Gegend. Es gab allerdings keinen solchen, und ich musste ganze acht Kilometer bis nach Bad Segeberg radeln, um mir eine Mahlzeit zu kaufen. Aber so verging wenigstens die Zeit.

Fährt man über die B206 in die dröge Provinzhautstadt hinein, wird der Radfahrer mit einer ansehnlichen Menge an Ampeln konfrontiert, an denen er per Knopfdruck irgendwann mal ein grünes Signal erhält ("Bettelampeln"). Bei den vielen Ampeln vor Segeberg kann es dann schon eine ganze Weile dauern, bis man in der Stadt ist. Selbstredend kann man dann kaum dem Drang widerstehen, bei Rot zu fahren, alleine schon aus Ärger über diese wenig radfreundliche Verkehrsplanung.

Bad Segeberg selbst, das habe ich bereits an anderer Stelle schon mal erwähnt, ist beileibe keine besonders schöne Stadt. Ihre einzige Attraktion, die Karl-May-Festspiele, sind eher für Familien und Wildwest-Fans interessant. Ansonsten gibt es einen kargen Funkturm, die riesigen und gesichtslosen Gebäude eines Möbelhauses, ein unschönes Verwaltungshochhaus und ein Art Einkaufszentrum mit einigen Geschäften. Vielleicht gibt es in der Kreisstadt auch ein paar schöne Fleckchen. Doch die kenne ich nicht; und wer das oben Geschilderte sieht, hat sicherlich auch keine Lust mehr, danach zu suchen.

Mit meinen Speisen und Getränken machte ich mich gegen Abend wieder auf den Rückweg zum Spießerplatz, legte mich damit ins Zelt und las ein empfehlenswertes Buch von Reinhold Messner ("Die Freiheit aufzubrechen, wohin ich will").



Mözener See - Bad Segeberg - Lübeck (35,00 km)


Über 20 Kilometer auf dem Rad- und Mehrzweckstreifen der B206
Über die letzte Etappe der kleinen Radreise bleibt wenig zu sagen. Weil ich am Nachmittag zu einer Grillfeier eingeladen war, musste ich früh aufbrechen. Am frühen Vormittag radelte ich in das beampelte Bad Segeberg hinein, ohne mich großartig um die Signalgebung zu kümmern.

Hinter dem Ortsausgang begannen 20 langweilige Kilometer auf der B206, die trotz ihrer recht hohen durchschnittlichen Verkehrsbelastung nicht einmal einen getrennten Radweg besitzt. Dafür gibt es einen Mehrzweckstreifen, den auch Radler benutzen können. Aber auch langsamere LKW und Traktoren weichen gerne darauf aus, wenn die üblichen Automobilspinner mit ihren PS-starken Benzinschleudern jenes sportliche Fahrgefühl ausleben, von dem die Werbung immerzu spricht. Es folgen riskante Überholmanöver auf einer relativ breiten Straße, auf der langsamere Gefährte dann auf den Seitenstreifen ausweichen können, um Platz zu machen. Dass das kein Ort ist, auf dem sich Radler sicher fühlen können, liegt auf der Hand. Zu allem Überdruss gibt es zahlreiche Baustellen auf der Strecke, an denen der Seitenstreifen gänzlich wegfällt.

Zum Glück war Sonntag, und der Verkehr hielt sich in Grenzen. Das eintönige Radeln wurde durch eine eintönige Landschaft ergänzt, so dass ich im wesentlichen die Kilometer auf meinen Tacho zählte. Gegen Mittag erreichte ich Stockelsdorf und gleich darauf Lübeck.

Route

  • Hamburg und Umgebung


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