Berliner Streifzüge - Spa(t)ziergänge durch die Hauptstadt (Februar 2014)

Abschnitt 1: Mitte, Prenzlauer Berg, Weißensee
Abschnitt 2:Charlottenburg, Köpenick


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Käthe-Kollwitz-Platz

Vom Koppenplatz nach Prenzlauer Berg


Denk- und Mahnmal am Koppenplatz
Es war einmal ein Berliner Ratshauptmann namens Christian Koppe, der stiftete 1704 einen städtischen Armenfriedhof. Gräber sind heute bis auf eines keine mehr erhalten. Dafür trägt das Areal des Friedhofs den Namen des Stifters - Koppenplatz. Viel gibt die kleine Grünanlage nicht her, irgendwie dümpelt sie zwischen den Häuserfronten vor sich hin. Ebenso unscheinbar, dafür um so gewaltiger in seiner Symbolik ist das Denk- und Mahnmal von Karl Biedermann, das an Flucht und Deportation im Dritten Reich erinnert. Ein Tisch und ein umgestürzter Stuhl stehen für das zwangsweise und plötzliche Verlassen des Heimes und den grausamen Weg in den Tod.

Geht man die Große Hamburger Straße südwärts, erscheint linker Hand eine größere Brachfläche hinter einem Zaun. Davor ein eher unscheinbares Mahnmal, das an die Deportation von Tausenden Berliner Juden erinnert. Hier befand sich im 19. Jahrhundert das Altenheim der Jüdischen Gemeinde, das 1942 von der Gestapo zur Sammelstelle der zu deportierenden Juden umfunktioniert wurde. Große Teile der Grünanlage markieren den größten erhaltenen jüdischen Friedhof Berlins. 1943 wurde er von der Gestapo zerstört, so dass heute nur noch eine wellige Brachfläche zu sehen ist.


Mahnmal vor dem jüdischen Friedhof
Wir befinden uns mitten in der ehemaligen Spandauer Vorstadt, also jener Vorstadt des alten Berlins, von der aus es weiter nach Spandau ging. Es lohnt sich, hier durch die Gassen zu schlendern und das letzte noch erhaltene Altstadtviertel Berlins zu erkunden. Im Norden endet die Spandauer Vorstadt an der verkehrsreichen Torstraße. Sie markiert den Verlauf der alten Berliner Zoll- und Akzisemauer, von der heute so gut wie nichts mehr erhalten ist.

Über die lärmige Torstraße wandern wir nach Osten in Richtung Rosa-Luxemburg-Platz. Diesen dominiert der wuchtige Bau der Berliner Volksbühne, der von 1913 - 1915 erbaut wurde. Damals hieß der Platz im alten Scheunenviertel noch Bülowplatz. Im Dritten Reich nannte man ihn in Horst-Wessel-Platz um, und erst in der DDR erhielt er schließlich seinen bis heute beibehaltenen Namen. Dass der Platz nach der Wende 1989/90 nicht wieder eine politische Umbenennung erfahren musste, lag sicher auch daran, dass Rosa Luxemburg eine wichtige Person der Berliner Geschichte ist.

Ein zweites wichtiges Gebäude ist das Karl-Liebknecht-Haus, einst Sitz der KPD. 1933 wurde es durch die Nazis enteignet und die KPD verboten. Heute ist es Zentrale der Partei DIE LINKE.


In der Großen Hamburger Straße


Berliner Volksbühne auf dem Rosa-Luxemburg-Platz


Karl-Liebknecht-Haus am Rosa-Luxemburg-Platz

Durch Prenzlauer Berg


Kollwitzstraße
Prenzlau ist ein kleines Städtchen knapp 100 Kilometer nordöstlich von Berlin gelegen. Wollte man früher von Berlin nach Prenzlau reisen, musste man durch die kleine Ansiedlung von Brauereien und Windmühlen fahren, die es dort auf den Hügeln jenseits der Stadtmauer gab.

Ein organisch gewachsenes Dorf gab es dort nie. Als im 19. Jahrhundert dann große Mietkasernen für die Arbeiterschaft gebaut wurden, wurde aus der Gegend der Biergärten und Brauereien ein proletarischer Kiez. Gut, die Biergärten dürften zu keiner Zeit fehl am Platz gewesen sein.

Erst nach der Annexion der DDR durch die BRD änderte sich das Gesicht des Viertels gewaltig. Immer mehr Gutbetuchte und Besserverdiener zog es nach Prenzlauer Berg, die dort den Hauch von Rebellion, Untergrundkultur und Unangepasstheit atmen wollten. Dass sie genau diesen mit ihrer Anwesenheit erstickten, interessierte sie weniger - Stichwort Gentrifizierung. Heute geht es daher in Prenzlauer Berg eher bürgerlich als proletarisch zu, was durchaus zu beklagen ist.


Ernst-Thälmann-Siedlung
Wir gehen von der Torstraße in die Schönhauser Allee hinein. Dass wir nun in Prenzlauer Berg sind, merken wir vor allem daran, dass es bergauf geht. Für Berliner Verhältnisse sogar recht ordentlich. Am Senefelderplatz sieht Berlin dann plötzlich nicht mehr nach Großstadt aus. Und das, obwohl das Zentrum hier noch in greifbarer Nähe ist. Irgendwie geht es geruhsam zu, auch die Bebauung wirkt aufgelockert. Linker Hand befindet sich der Pfefferberg. Früher Sitz einer der ältesten Berliner Brauereien, heute ein Kulturzentrum.

Weiter geht′s in die Kollwitzstraße zum Kollwitzplatz. Die Kollwitzstraße wird gerade einem kompletten Umbau unterzogen. Wie es aussieht, soll von der breiten Fahrbahn Platz für eine Art Promenade abgezwackt werden, was fraglos eine gute Idee ist. Vor dem Kollwitzplatz herrscht reger Trubel. Ein Markt für Kunsthandwerk findet gerade statt, auf dem von Mänteln und Mützen über Mandeln und Magenbrot bis hin zu Mandalas und Meditationskissen alles mögliche angeboten wird. Auch Dinge mit anderen Anfangsbuchstaben sind vertreten.


Ernst-Thälmann-Denkmal
Interessanter als der Markt ist freilich der Kollwitzplatz als solcher. Der ehemalige Wörther Platz wurde nach dem Krieg nach seiner wohl berühmtesten Anwohnerin - der Grafikerin und Bildhauerin Käthe Kollwitz - umbenannt. Zu DDR-Zeiten war der Platz ein wichtiger Treffpunkt für die Leute aus der Nachbarschaft. Bei gutem Wetter traf man sich gerne auf ein Bier zum Klönen - frei nach dem Motto "Fete bei Käthe."

Und die ist seit 1960 auch immer dabei gewesen. Zumindest in Form des bronzenen Denkmals von Gustav Seiz, der Kollwitz in recht unvorteilhafter und asexueller Gestalt abgebildet hat. Andererseits ist man von der Bildhauern in ihren Selbstbildnissen auch nichts anderes gewohnt.

Nun ist ein kleiner Fußmarsch angesagt. Über die große Danziger Allee und die kleine Ella-Kay-Straße erreichen wird den Ernst-Thälmann-Park samt angeschlossener Wohnsiedlung. Sie zählt zu den ambitionierteren Plattenbau-Projekten der DDR und erinnert in ihrer parkähnlichen Anlage ein wenig an die Frankfurter Nordweststadt - nur mit dem Unterschied, etwas fröhlicher und angenehmer zu wirken.


Reformsiedlung Carl Legien
Ihr besonderes Highlight findet sich an der Greifswalder Straße. Über einem weitläufigen Platz thront das monumentale Ernst-Thälmann-Denkmal. Bildhauer Lew Kerbel stellte den früheren und 1944 im KZ Buchenwald durch die Nazis ermordeten Vorsitzenden der KPD in entschlossener Kampfpose dar. Bleibt zu hoffen, dass das Denkmal nicht eines Tages einer politischen Säuberungsaktion zum Opfer fallen wird.

Letzte Station in Prenzlauer Berg ist die Reformsiedlung Carl Legien in der Greifswalder Straße / Ecke Grellstraße. In den 1920er Jahren von den Architekten Bruno und Max Taut erbaut, versammelt sie bis heute rund 1200 Wohnungen in mehreren Abschnitten. Ziel war es, von den düsteren und eintönigen Mietkasernen abzurücken und eine Bauweise zu etablieren, die hell, luftig, aber dennoch bezahlbar war.

So ganz will uns das angesichts der recht engen Innenhöfe nicht einleuchten. Doch immerhin wurde die originale Farbgebung wieder hergestellt, was der ansonsten eher grauen Ecke einen schönen Farbtupfer beschert hat.

Weißensee


Antonplatz / Max-Steinke-Str.
Und der Fußmarsch geht weiter. Die Greifswalder Straße ist riesig und scheint nicht enden zu wollen. Irgendwann wird sie zur Berliner Allee, was darauf hinweist, dass hier früher nicht mehr Berlin war. Das war die Verbindungsstraße des Örtchens Weißensee ins große Berlin.

Wie Prenzlauer Berg gehört auch Weißensee zum Großbezirk Pankow. Aber hier geht es noch einmal eine Nummer geruhsamer zu. In der Max-Steinke-Straße kommen wir uns tatsächlich vor, wie in einer gähnigen deutschen Kleinstadt. Wie in einem dieser piefigen deutschen Käffer, deren Bewohner sich mit betontem Regionalpatriotismus tagtäglich von ihrer eigenen kümmerlichen Existenz überzeugen müssen. Nur das ein oder andere Gittertor vor den Eingängen erinnert uns daran, in einer Millionenstadt umherzuschlendern.


Kleinstädtisches Pseudo-Idyll

Zwischen Max-Steinke-Straße und Pistoriusstraße betreten wir schließlich eine riesige betonierte Brachfläche, die von Autlern als Parkplatz benutzt wird. Kurz darauf erreichen wir den kleinen Park Am Kreuzpfuhl, der ein wenig schäbig und ungepflegt daherkommt. An seinem Westende fällt der reichlich mit Klinkern, Erkern und Laubengängen versehene Bau des ehemaligen Ledigenheims auf. Weil es Anfang des vorherigen Jahrhunderts Ledigen kaum möglich war, alleine eine Wohnung zu erhalten, wurde dieses Wohnheim errichtet.

Weil sich der Tag langsam in den Abend verwandelt, nehmen wir die Tram für den Heimweg. Sie fährt am Weißen See vorbei, einem noch übrig gebliebenen eiszeitlichem Gewässer von immerhin 300 Metern Durchmesser und knapp zehn Metern Tiefe. Was uns noch auffällt, sind die vielen Steinmetze und Bestattungsunternehmen. Kein Wunder, denn Weißensee ist so etwas wie Berlins Friedhofsviertel. Ganze sieben Totenäcker verteilen sich über den Stadtteil, was aber nicht zwingend eine Aussage über die Lebenserwartung der Bewohner sein muss...


Ehemaliges Ledigenheim am Kreuzpfuhl


Auf dem Rückweg: Roederplatz, Friedrichshain


Auf dem Rückweg: Rhinstraße / Allee der Kosmonauten

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Text und Fotos © Frank Spatzier 2014