Berliner Streifzüge - Spa(t)ziergänge durch die Hauptstadt (Februar 2014)

Abschnitt 1: Mitte, Prenzlauer Berg, Weißensee
Abschnitt 2:Charlottenburg, Köpenick
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Hübscher als die Skulptur: Am Käthe Kolwitz Museum

Warum es im Charlottenburger Osten so eng ist


Blick auf den Ernst-Reuter-Platz
Charlottenburg ist eine No-Go-Area, zumindest sein östlicher Teil. Dort liegt der unsägliche Kurfürstendamm, der schmucklose Bahnhof Zoo, die unsägliche Bonzenkarren-Werbung auf dem Europacenter und die ewige Ruine der Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche. Wer seinen Fuß in dieses Areal setzt, ohne es wirklich zu müssen, hat selber schuld. Denn dort schreit dem Besucher deutsche Piefigkeit in ihrer großstädtischen Form entgegen. Man merkt das daran, dass alles eigentümlich eng und kleinräumig wirkt, so dass man als unvorbereiteter Besucher schnell in klaustrophobische Zustände geraten kann.

Diese Enge und Kleinräumigkeit hat aber nichts mit den städtebaulichen und architektonischen Besonderheiten dieser Gegend zu tun. Es ist vielmehr der piefige Geist, der aus ihnen weht. Man kennt ihn aus all den Nachkriegs- und Wirtschaftswunderfilmen, in denen dickbäuchige Spießbürger auf dem Ku′damm zum Café Kranzler promenieren.


Müssen die Autler sich nur noch dran halten...
Allzu viel hat sich seit dem nicht verändert. Und so ist die gefühlte Enge der City West eher die zu Stein geronnene Enge des spießbürgerlichen Horizontes. Und das ist kein Wunder, denn nach der Teilung der Stadt mussten auch die westlichen Sektoren so etwas wie ein Zentrum bekommen. Das historische lag schließlich in der Ostzone. Und so entstand ein neues Berliner Zentrum, und zwar in seiner aktuellen Gestalt als kapitalistisches Statement gegenüber Ostberlin.

Dabei ist Charlottenburg eine sehr alte Stadt. Ihre Geschichte lässt sich bis ins 13 Jahrhundert zurückverfolgen, wobei es aber besonders die jüngere Vergangenheit war, in der Charlottenburg zu Glanz und Ehren kam. Als es 1920 zu Groß Berlin eingemeindet wurde, zählte es bereits über 120.000 Einwohner und war eine der wohlhabendsten Städte des Deutschen Reichs.


Ernst-Reuter-Platz
Wir sind nicht ganz freiwillig hier, denn wir wollen das Käthe-Kollwitz-Museum besuchen. Und dieses liegt in einer Seitenstraße des Kurfüstendamms. Unsere Strategie: Schnell hinkommen, Museum angucken, schnell wieder abhauen - in den Osten. In einer S-Bahn rollen wir in den Bahnhof Zoo ein. Eigentlich heisst er Bahnhof Zoologischer Garten. Aber für Menschen unserer Generation war Christiane F. so etwas wie Harry Potter für die heutigen Kids. Deshalb kennen wir diesen Ort eben nur unter seinem Kurznamen. Und das Interessante ist, dass der Bahnhof Zoo noch heute exakt die trostlose Aura verströmt, die aus den Seiten der autobiografischen Drogenerzählung quoll.

Schnell verlassen wir den Bahnhof in Richtung Hardenbergstraße und kommen über die Joachimstaler Straße auf den Ku′damm. Jetzt geschwind bis zur Fasanenstraße weiter, dann nach links, und schon stehen wir vor dem Käthe-Kollwitz-Museum. Fotografieren ist leider verboten, wohl wegen der schädlichen Wirkung des Blitzlichts. Ich benutze zwar aus Prinzip kein Blitzlicht, darf aber trotzdem keine Bilder machen. Schade.


Straße des 17. Juni - Blick zur Technischen Universität
Nach dem - wohlgemerkt sehr interessanten - Besuch geht es auf gleichem Wege wieder zurück, dann unter den Gleisen durch und über die Hardenbergstraße auf den Ernst-Reuter-Platz zu. Ihn umringt ein kleines Ensemble von Hochhäusern, die zur Technischen Universität gehören. Auf der Straße des 17. Juni marschieren wir dann endlich wieder auf den Osten der Stadt zu. Doch bis dahin ist es noch weit. Um uns den Weg angenehmer zu machen, promenieren wir ein wenig später durch den Tiergarten.

Hier gehen die Berliner am Wochenende spazieren oder drehen ihre Joggingrunden. Irgendwie deprimierend, auf dieses Stückchen Kunstwald angewiesen zu sein. Um von hier in die "richtige" Natur zu gelangen, müssen in jeder Himmelsrichtung mindestens 20 Kilometer Stadt überwunden werden.

Im Tiergarten


Am Großen Stern mit seiner Siegessäule verlassen wir über den Spreeweg schließlich Berlins Prachtstraße. Es geht über die Spree, dann sind wir in Moabit. Wir bleiben Berlins Hauptfluss treu und wandern auf dem Magnus-Hirschfeld-Ufer weiter nach Osten. Dabei lässt es sich nicht vermeiden, mitten ins Regierungsviertel einzutauchen. Linker Hand erscheint mit der Bundesschlange das erste Politiker- und Politangestelltenghetto Berlins. In dem schlangenförmigen Gebäude mit angeschlossenem Kindergarten bleiben diese Leute weitgehend unter sich.

Ein wenig weiter fällt dann ein moderner Protz- und Prunkbau auf, der in seinen Ausmaßen seinesgleichen sucht: das Kanzleramt. Unter dem schon damals debilen Kanzler Helmut Kohl errichtet, wurde es von seinen Amtsnachfolgern sicher gerne als repräsentativer Amtssitz in Anspruch. Insbesondere Frau Merkel mit ihren militaristischen Großmachtphantasien dürfte sich im monumentalen Protzbau sicher sehr wohl fühlen.


Magnus-Hirschfeld-Ufer, links die "Bundesschlange"


Magnus-Hirschfeld-Ufer, Höhe Hauptbahnhof


In Köpenick (rechts das Rathaus)

Nix los in Köpenick


Kietz = slawisch "Hütte"; hier eine halbe davon
Ähnlich wie in Spandau hat sich auch in Köpenick der historische Ortskern samt alter Bausubstanz durch die Zeiten gerettet. Zu seinem besonderen Reiz trägt das viele Wasser bei, das Köpenicks Altstadt umfließt. Sie ist sogar tatsächlich eine Insel, denn was Spree und Dahme offen lassen, schließt der Kietzer Graben. Dem Idyll ein wenig abträglich ist allerdings das, was sich ganz in der Nähe des Grabens abspielt. Da braust der Verkehr lärmend über eine riesige Straße am kleinen Schlossplatz vorbei. Wohnen möchte man dort nicht.

Wir haben Köpenick per Tram erreicht. Ohne Fahrrad ist man erstaunlich immobil, aber mit der Elektrischen lässt sich Berlin auch prima erkunden - außerdem sieht man jede Menge. Weil es zu nieseln begonnen hat, machen wir uns auf die Suche nach einer warmem Kneipe. Aber Pustekuchen, Kneipen sind in Köpenicks Altstadt Mangelware. In der Nähe des Rathauses werden wir fündig und kehren ein in die Kneipe Zur Alten Laterne. Hier soll jede Menge alter Plunder so etwas wie Urigkeit vermitteln. Die stolzen Bierpreise vermitteln aber eher Touristennepp. Trotzdem, geschmeckt hat′s.


Gassenblick auf Laurentiuskirche
Für den Rest der Altstadt brauchen wir nicht lange, denn viel ist wirklich nicht zu sehen, Ein paar Sträßchen mit kleinen Häuschen, von denen ab und auch nur noch eine Hälfte steht. Dazwischen das wuchtige Rathaus aus dem Jahre 1905 und die Laurentiuskirche, das war′s.

Letztere dürfen wir uns noch eine Viertelstunde lang von außen angucken, denn so lange müssen wir auf die Tram warten. In Alt Friedrichsfelde steigen wir aus und gehen entlang der Frankfurter Allee zurück zum Hotel. Es dämmert schon sehr, was die Lichtenberger Wohn-Hochhäuser in besonders schönem Licht präsentiert.




Abends auf der Frankfurter Allee


Abends auf der Frankfurter Allee


Abends auf der Frankfurter Allee


Abends auf der Frankfurter Allee

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Text und Fotos © Frank Spatzier 2014