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Mecklenburger Runde, August 2009

Tag 2: Flesenow am Schweriner See - Wismar - Zierow

45 km / 65 km (mit abendlicher Stadtrunde Wismar)

25 - 30 °C


Im Natrschutzgebiet (NSG) Döpe
Der zweigeteilte Schweriner See ist der zweitgrößte See Norddeutschlands und liegt im bundesweiten Flächenvergleich immerhin an vierter Stelle. Knapp südlich seiner geographischen Mitte wird er durch den Paulsdamm in den Außen- und Innensee geteilt. Nur ein kleiner Kanal verbindet beide Teile. An seiner tiefsten Stelle liegen 54 Meter Wasser zwischen Grund und Oberfläche, was ihn nach dem Schaalsee zum zweittiefsten See Mecklenburg-Vorpommerns macht.

Von all dem kriegen wir in unseren Zelten nichts mit. Dafür jedoch von einem Mähdrescher, der bis in frühen Morgen hinein die Felder beackert. Es ist Erntesaison und Landwirte haben zuweilen Sondergenehmigungen dafür. Dirk, der nur schlecht schlafen kann, weiß am Morgen sogar vom Gedröhne einer nahen Disco zu berichten, das wohl noch länger zu hören war.

Unser Frühstück besteht aus einer starken Tasse Kaffee. Wären wir keine Reiseradler, fehlte nur noch die filterlose Gauloises zum Französischen Frühstück. So bleibt es jedoch nur beim Flessenower Kaffekick, bevor es an den leidigen Abbau der Zelte und das Zusammenpacken der Ausrüstung geht. Über eine Stunde nimmt die Arbeit in Anspruch, dann kann es endlich losgehen.


NSG Döpe
Wieder radeln wir über einen unbefestigten Naturweg durch das Naturschutzgebiet Döpe am nordöstlichen Ufer des Schweriner Außensees. Diesmal sehen wir nochmal bei Tageslicht, was gestern in der Abenddämmerung nur schattenhaft an uns vorbeigezogen war. Die Wegebeschaffenheit lässt zuweilen zu wünschen übrig, was durch das Landschaftsidyll des waldumsäumten Döpe-Sees mehr als ausgeglichen wird.

In Hohen Viecheln befahren wir die Landstraße nach Dorf Mecklenburg, eine in weiten Teilen baumbestandene Allee, von der aus sich schöne Ausblicke in die umliegende Landschaft ergeben. Ärgerlich sind allerdings die Ortsdurchfahrten. Besonders in Moltow, dessen Einwohner sich mutmaßlich darüber freuen dürften, nur zwei "o’s" im Ortsnamen zu tragen, macht grobes Kopfsteinpflaster das Radeln zur Hölle.

Es ist Sonntagmittag und wir haben die Straße fast für uns alleine. Ab und an kommen uns Autos entgegen; drinnen sitzen oft junge Leute, die wohl ihre Eltern zum Sonntagsessen besuchen. Unser Mittagsmahl liegt noch in weiter Ferne - erst in Wismar wollen wir es uns so richtig schmecken lassen. Die Mägen knurren jedoch schon jetzt.


Abkürzung durchs Maisfeld (NSG Döpe)


Albtraum für jeden Radler: Kopfsteinpflaster, hier in Moltow


Ortszentrum Dorf Mecklenburg
Dorf Mecklenburg (3.000 Einwohner) hinterlässt einen zwiespältigen Eindruck. Der Ortskern - oder besser das, was wir dafür halten - wird von funktionalen Plattenbauten geprägt. Der Rest wirkt gediegen kleinstädtisch und durchaus gemütlich. Es ist beileibe nicht so, dass ich den ehemaligen sozialistischen Plattenbauten nicht etwas Faszinierendes abgewinnen könnte. Doch hier handelt es sich um die dörfliche Version dieser Architektur, die nur noch wenig Beeindruckendes an sich hat.

In Gebiet der heutigen Gemeinde Dorf Mecklenburg befand sich im frühen Mittelalter eine große Burganlage der slawischen Obotriten, die im Jahre 1160 komplett zerstört wurde. Aus ihrem früheren Namen Michilinburg ("große Burg") leitet sich der heutige Name Mecklenburg ab.

Gleich nach dem Ortsausgang geraten wir in den Dunstkreis der Hansestadt Wismar. Bemerkbar macht sich das für uns durch die Abwesenheit der kleinen und verkehrsarmen Landwege, auf denen sich so prima Radlen ließ. Auf einem Radweg am Rande der ungemütlicheren B106 geht es nun direkt hinein ins Herz von Wismar.


"Nix und Nixe" an der Wasserkunst
Wismar ist mit knapp 45.000 Einwohnern die kleinste kreisfreie Stadt Mecklenburg-Vorpommerns und schmiegt sich an das spitz zulaufende Südende der Wismar Bucht an. Ihre malerische Altstadt ist Teil des UNESCO-Weltkulturerbes, allerdings nicht alleine, sondern im Zweierpack mit der historischen Altstadt Stralsunds. Geprägt wird das Stadtbild allerdings auch durch das blaue Trockendock der Wadan-Werft, einem der größten seiner Art in Deutschland. Die Wadan-Werft war die größte Arbeitgeberin der Region, bevor sie im Strudel von Missmanagement und Finanzkrise in die Insolvenz getreiben wurde. Nur einen Tag vor unserer Ankunft in Wismar demonstrierten noch die Beschäftigten für den erhalt ihrer Arbeistsplätze.

Wir hingegen treiben erstmal den Umsatz eines Döner-Imbisses in die Höhe, denn mit komplett leerem Magen radelt es sich nicht optimal. So sitzen wir vor gut gefüllten Tellern in einer kleinen Altstadtstraße und futtern, was die Sitzbank hält. Anschließend statten wir dem berühmten Rathausplatz einen Besuch ab, der mit genau 100 x 100 Metern einer der größten Norddeutschlands ist. Hier bewundern wir auch die Wasserkunst, einen zwölfeckigen Brunnenbau im Stil der Niederländischen Renaissance.


Rathausplatz mit Rathaus


Marienkirchturm


Seebrücke Wismar-Wendorf
Nach einer ersten kurzen Besichtigungsrunde schwingen wir uns wieder auf die Sättel und pedalieren in Richtung Zierow, das bereits in Wismar für Radler ausgeschildert ist - sehr vorbildlich! Der Wegweiser führt uns erstmal an die Ostsee, wo wir einen kleinen Stopp einlegen und die Seebrücke in Wismar-Wendorf begehen , die stolze 350 Meter in die Wismar Bucht hineinragt. Ganz an ihrem Ende, wo sich ein Anleger für kleinere bis mittlere Schiffe befindet, springt die örtliche Jungend aus mehreren Metern Höhe in die Fluten. Viele der Passanten sehen dem Treiben eher skeptisch zu, doch das Wasser ist an dieser Stelle selbst für ambitionierte Kopfsprünge tief genug. Die Aussicht auf Altstadt, Hafenanlagen und die blaue Trockendockhalle der Wadan-Werft lohnt den weiten Fußweg, denn für Radler ist die Seebrücke gesperrt und 350 Meter per pedes stellen einen Reiseradler auf eine harte Geduldsprobe.

Über den Ostseeküsten-Radweg geht es entlang der Küstenlinie weiter nach Zierow. Das gemütliche Örtchen liegt an der Eggerstorfer Wiek am Anfang der Steilkü,ste. Die Gemeinde bildet den östlichen Abschluss des Klützer Winkels, einer reizvollen Natur- und Kulturlandschaft im nordwestlichen Mecklenburg von hohem touristischen Stellenwert.


Blick auf Wismar und das Wadan-Trockendock


Fischereihafen
Der Ostsee-Camping Ferienpark in Zierow ist eine wahre Massenunterkunft. Die Rezeption hat gleich mehrere "Schalter", vor denen Mitglieder der Caravan-Fraktion auf das Auschecken warten. Eine Wagenbesatzung debattiert eifrig über einen Preisnachlass, da zurzeit eine Marienkäferplage herrscht. Zu Recht ist die Angestellte der Meinung, dass man von Seiten der Campingplatzverwaltung nichts dafür könne und so der volle Preis zu zahlen sei. Diesen müssen auch wir mit unseren zwei kleinen Zelten und Räder berappen - pro Stellplatz immerhin knappe zwölf Euro. Die Zeltflächen am Rande des riesigen Geländes scheinen alle belegt zu sein, zum Glück finden wir in unmittelbarer Nähe zur Rezeption einen der wenigen stillen Flecken auf dem Platz. Grund für die Ruhe ist die Lage des Areals inmitten der "Haupteinflugschneise der Marienkäfer", wie man uns vorher mitteilte. Uns ist das Wurscht, schließlich verfügen unsere Zelte über Moskitonetze.

Nach einer ausgiebigen Dusche geht es mit den nackten Rädern erst mal wieder in die Wismarer Innenstadt. Gemütlich durchstreifen wir die historische Altstadt, versorgen uns mit Bier und lassen uns auf einer Sitzbank auf dem großen Marktplatz nieder. Die lokale Jugend trifft sich vor der Wasserkunst und führt ihre aufgemotzten PKWs vor. Einige fahren unvermeidliche Runden um den Marktplatz, mit aufgedrehter Musikanlage, tiefergelegtem Fahrwerk, dicken Reifen und ebensolchen Auspuffrohren. Amüsiert schauen wir dem Kindertreiben zu, dem schließlich ein Wachmann ein jähes Ende bereitet. Der Mittfüfziger scheint eigens dafür zuständig zu sein, den Marktplatz am Abend von unliebsamem Gesindel freizuhalten. Auch uns Biertrinker beäugt er argwöhnisch, lässt uns aber in Ruhe. Was auch besser ist, denn ein öffentlicher Platz ist von der Öffentlichkeit zu nutzen - auch zum friedlichen Biertrinken.

Bei einsetzender Abenddämmerung schlendern wir noch ein wenig durch die anheimelnden Gassen der alten Hansestadt, bevor wir die zehn Kilometer zurück nach Zierow in Angriff nehmen. Dort sitzen wir auf ein letztes Bier noch ein wenig vor unseren Zelten und legen uns danach wohlverdient zur Ruhe.


Abendstimmung über der Wismar Bucht

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Route

  • West-Mecklenburg


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