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Mecklenburger Runde, August 2009

Tag 4: Schwerin / Raben-Steinfeld - Lübeck

93,75 km

18 - 23 °C


Blick auf Schwerin
Aller Anfang ist mal wieder schwer. Kaum haben wir ausgeschlafen, unser Gerödel abgebaut und einen letzten Kaffee in uns hineingegossen, sitzen wir auch schon wieder auf unseren Rädern und kämpfen uns die steile Straße durch Raben Steinfeld hinauf. Der Schweriner See liegt inmitten eines eiszeitlichen Endmoränengebietes, was die Landschaft für norddeutsche Verhältnisse recht bergig macht. Bei einigermaßen gutem Wetter radeln wir Ăźber Görslow nach Leetzen, wo wir uns in einem Supermarkt erstmal mit Verpflegung versorgen. Immer wieder können wir über den tiefer gelegenen Innensee nach Schwerin hinüberschauen, das recht unscheinbar die gegenüberliegende Seeseite bedeckt.

In Rampe geht es schließlich wieder bergab, nachdem uns eine wenig intelligente Radwegführung auf einen kleinen Umweg gezwungen hat. Entlang der B104 kurbeln wir nun über den Paulsdamm auf die Westseite des Schweriner Sees. Dieser künstlich geschaffene Damm wurde Mitte des 19. Jahrhunderts auf dem moorastigem Untergrund errichtet, um die Dörfer zu beiden Seiten des Sees besser miteinander zu verbinden. Heute bildet die stak befahrene Bundestraße einen Kontrast zu den idyllischen Schilflandschaften am Wasser. Der Pausldammgraben, ein etwa drei Meter tiefer natürlicher Kanal, ist die einzige Verbindung zwischen beiden Teilen des Schweriner Sees, der aus dieser Perspektive eher den Charakter zweier nahe beieinander liegender Seen erhält. Gleich hinter dem Paulsdammgraben verlassen wir die Bundesstraße in Richtung Wickendorf und dürfen uns anschließend wieder auf das Höhenniveau des Westufers hinaufarbeiten. Dirk hat keine Chance und muss schieben, während ich ihn nassgeschwitzt auf der Anhöhe erwarte.


Der Paulsdammgraben trennt den Schweriner Innen- und Außensee
Abseits des Sees wird die Landschaft ein wenig eintönig. Über Lübstorf und Rugensee tauchen wir wieder in die Monotonie der mecklenburgischen Agrarweiten hinein, die uns zu allem Überfluss noch mit einer Prise leichten Gegenwindes in Empfang nehmen. Es folgt eine Reihe kleiner und kleinster schier namenloser Weiler, von denen so mancher trotz seiner Winzigkeit noch über einen der unvermeidlichen grauen Wohnblocks aus DDR-Zeiten besitzt. Botelsorf scheint kein Ende nehmen zu wollen, so ausdauernd ziehen sich die Häuser die kleine Ausfallstraße entlang. Mitten auf der Straße nach Groß-Hundorf, eher einem besseren Feldweg, hat ein Bauer seinen Mähdrescher geparkt. Für PKW gäbe es kein Durchkommen, käme denn in dieser Einöde mal einer vorbei. Erst in Köchelstorf nimmt die urbane Zivilisation langsam wieder Gestalt an, während wir uns über eine radweglose und verkehrsreichere Landstraße auf Rehna zubewegen.

Die knapp 3.000 Einwohner zählende Kleinstadt liegt inmitten einer recht hügeligen Landschaft, die sich bis auf stolze 83 Meter Meereshöhe im Stadtgebiet hinaufschraubt und damit fast an der offiziellen norddeutschen Todeszone kratzt. Wir kommen jedoch ohne künstlichen Sauerstoff aus, da das historische Zentrum um einiges tiefer liegt. Dort legen wir eine kleine Rast ein und führen uns die verbrauchte Energie in der bewährten Form überladener Dönerteller zu.


Mecklenburgische Agrarweiten


Kleinste Dörfer, große Wohnblocks


Ortsmitte Rehna


Agrarlandschaft
Hinter Rehna muss Dirk schmerzlich feststellen, dass der angenehmere Weg nicht immer der richtige ist: Kurz vor Vitense kommen wir an eine unscheinbare Kreuzung. Während ich kurz anhalte und die Wegweiser studiere, folgt Dirk mit Karacho dem bisherigen Straßenverlauf, der über ein nettes Gefälle mitten in den Ortskern von Vitense führt. Ich rufe ihm hinterher, doch er ist zu schnell für meine Worte. Zur Belohnung darf er sein Rad den ganzen steilen Hang wieder nach oben schieben, bevor es weiter nach Zehmen geht. Auch hier wird unser Weg noch durch einige Steigungen versüßt, die Gift für Dirks Cityrad, Laune und Kondition sind - schließlich ist es kaum weniger mühsam, ein vollbeladenes Rad zu schieben, als es zu fahren.

Eine halbe Stunde später stehen wir vor den Toren Schönbergs und befinden uns damit wieder in der näheren Umgebung Lübecks. Über Rupensberg, Lockwisch, Lüdersorf und Herrburg erreichen wir am frühen Abend unser Ziel. Weil Dirk im westlichen Teil der Hansestadt wohnt, habe ich schon längst Feierabend, während er die letzten Kilometer einer für ihn ungewohnt langen Radreise hinter sich bringt - dafür wird er sich am Abend eine gute Dose Faxe-Strong mit zehn Umdrehungen gönnen. Verdient hat er sie sich auf jeden Fall.


Fazit:

Im Vergleich zu einem gut ausgestatteten Reiserad hat ein Damen-Cityrad trotz gekonnter Improvisation und bestem Optimismus selbst auf einer kleineren Radreise keine Chance. Obwohl Dirk die Mühen bestens gemeistert hat, sich nicht hat entmutigen lassen und ihm auch nie der Humor abhanden gekommen ist - eine richtige Freude war ihm das Radeln auf dem überladenen Drahtesel wohl nur auf wenigen Kilometern. Erstaunlich ist die Erkenntnis kaum, schließlich trägt das Cityrad seine Bezeichnung nicht umsonst. Für den Transport umfangreichen Gepäcks ist es nicht konstruiert und ebenso wenig taugt die Gangschaltung in bergigem Terrain. Trotz allem hat uns die Radrunde durch das sommerliche Mecklenburg sehr viel Spaß gemacht und wird Stoff für schöne Erinnerungen liefern. Und Dirk wird sich irgendwann einmal nach einem anderen Fahrrad umschauen.

Dirks Fotos von dieser Radreise gibt es hier zu bewunden.

Route

  • West-Mecklenburg


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