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Rondane, Ringebufjell und Oslo

Gegen Ende unserer Reise unternahmen wir noch zwei ausgedehnte Wanderungen in südlicheren Gefilden Norwegens. Hier fehlte uns ein wenig der vorteilhafte Einfluss der Mitternachtssonne, auch erwiesen sich die Landschaften in vielerlei Hinsicht als tiefer touristisch erschlossen. Überhaupt konnten wir in Norwegen eine Art Nord-Süd-Gefälle feststellen, demzufolge es - vereinfacht ausgedrückt - im Norden entspannter und unkomplizierter zugeht, als im Süden. Während man zum Beispiel auf nördlichen Campingplätzen sein Zelt häufig ohne Anmeldung aufbaut und die Formalitäten erst später, wenn die Rezeption besetzt ist, erledigt, fällt im Süden der höhere Grad der Durchorganisiertheit etwas unangenehm auf.

Keine Einsamkeit im Peer-Gynt-Land: Der Rondane-Nationalpark

Wo man auch hintritt: Peer Gynt begegnet einem auf Schritt und Tritt. Es scheint fast so, als solle in der Gegend um Rondane-Gebirge und Gudbrandsdal durch die Omnipräsenz des Ibsenschen Titelhelden von etwaigen Unzulänglichkeiten der Landschaft abgelenkt werden, was sich jedoch bei näherem Hinschauen als Fehlannahme erweist. Nach einigen Nächten des wilden Campens schlugen wird unser Zelt auf dem Campingplatz in Otta (2.500 EW) auf, der hinter einem kleinen Industriegebiet liegt, den Komfortbedürfnissen wohlstandsverwöhnter Urlauber nicht so ganz genügen dürfte, dafür aber sehr günstig und ansonsten empfehlenswert ist.

Ausgangspunkt unserer Rundwanderung durch den Rondane-Nationalpark war ein Parkplatz in der Ortschaft Høvirngen, die von der E6 aus über eine sich in Serpentinen das Gebirge hinaufschraubende Straße zu erreichen ist. In Høvirngen spielt der Wintersport eine bedeutende Rolle, was sich an der Konzentration von Hoteleinrichtungen ablesen lässt. Auf knapp 1.000 Metern Meereshöhe gelegen, bieten sich hier weit über das Jahr ausgedehnt entsprechende Wetterverhältnisse. Dass das Hochland bei unserem Besuch völlig schneefrei war, wies uns ein weiteres Mal darauf hin, dass wir den hohen Norden weit hinter uns gelassen hatten, denn dort läge in derartigen Meereshöhen selbst im Hochsommer noch Schnee.

Auf dem fast zu gut befestigten und markierten Wanderweg gingen wir durch baumloses Hochfjell, das die Eigenart besitzt, schnell langweilig zu wirken, sofern man nicht in der richtigen Gemütsverfassung ist. Letztere stellte sich bei uns nicht im gewünschten Maße ein, so dass wir zuweilen etwas lustlos durch die einförmig reduzierte Landschaft trotteten. Vorbei an einigen Bergseen und einer professionell bewirtschafteten Herberge (Smuksjøseter Fjellstue), die schändlicher Weise auch mit dem Auto zu erreichen ist, führte unsere Route zur Peer-Gynt-Hytta (wie auch sonst...), die von schneebedeckten Bergen malerisch umrahmt wird. Als weitaus weniger malerisch empfanden wir die Massen von Mitwanderern, die besonders zwischen Herberge und Peer-Gynt-Hütte die Hochebene bevölkerten und das Klischee von den menschenleeren Weiten norwegischer Landschaften Lügen straften. Erst als wir auf einer "Nebenstrecke" über felsige Geröllhalden und steinige Pfade die zurückführende Hälfte des Rundweges bewältigten, waren die Massen verschwunden und Einsamkeit eingetreten. Erst hier, nachdem die karge Landschaft einige Stunden lang auf uns wirken konnte, kam Gefallen am eintönigen Fjell auf. Dann allerdings geriet auch schon der Parkplatz in Sichtweite...


Durchschnitts-Fjell im Rondane-Nationalpark

Im Regen durch das Ringebufjell

Die schönste Landschaft ist dem ästhetischen Sinn des Betrachters nur dann von Nutzen, wenn die Rahmenbedingungen einen Genuss überhaupt erlauben. Hierzu zählen im Falle der direkten Betrachtung vor allem die Einflüsse der Witterung, die im ungünstigsten Fall schlichtweg verhindern können, dass eine auch noch so reizvolle Umgebung überhaupt die Chance erhält, als solche wahrgenommen zu werden. All das zählt zu den Kehrseiten norwegischer Landschaften, die aufgrund des äußerst wechselhaften und eher zum Unangenehmen neigenden Wetters in nur begrenztem Ausmaß voll zur Geltung kommen können. So fand unsere letzte Wanderung in diesem Urlaub, die durch das Ringebufjell führte, im Dauerregen bei nur unter gutem Zureden zweistelligen Temperaturen statt, während in Lübeck zur gleichen Zeit eine Hitzewelle festsaß.

Ausgangspunkt der Wanderung war ein kleiner Parkplatz am Venabu Fjellhotel in 932 Metern Meereshöhe. Von hier aus führte unser Weg direkt in einen gespenstisch wirkenden Hain von Krüppelkiefern hinein. Erstes Ziel war der Wasserfall Myfallet, den wir nach einer Weile erreichten und der von einem balkonartigen natürlichen Aussichtspunkt gut zu besichtigen war. Das Wasser der Mya fällt hier in mehreren Stufen etwa 120 Meter tief in eine Schlucht hinab. Im weiteren Verlauf ging es schließlich geradewegs auf das baumlose Plateau Venabufjell zu, das in der düsteren Atmosphäre des Regenwetters eine eigenartige Stimmung ausströmte. Nach wenigen Kilometern erreichten wir schließlich unser zweites Ziel, die steile und mehrere Kilometer lange Schlucht Dørjuvet. Der steilwandige Abfall in die Tiefe ist erst aus nächster Nähe zu sehen, wirkt dann aber um so schwindelerregender. Zur kurzen Rast setzten uns auf eine in die Schlucht hineinragende Felsnase und blickten bei der Vesper in den tiefen Abgrund. Nach einem Abstecher zur Dø die am Nordende der Schlucht in einem dünnen Wasserstrahl in die Tiefe stürzt, ging es weiter zum dritten Wanderziel, dem Gipfel des 1034 Meter hohen Veslefjell. Am Gipfelkreuz kam in der nasskalten Witterung in der Tat ein wenig alpines Bergsteigergefühl auf. Anschließend führte die Route wieder zurück zum Ausgangspunkt.

Später machten wir es uns im Zelt gemütlich und waren positiv über die Regenfestigkeit seiner Außenhaut überrascht - eine kaum millimeterdicke Schicht, die uns vor den Unbilden des norwegischen Klimas trennte und lebenswichtig für unser Wohlbefinden war.


Im Ringebufjell


Die tiefe Schlucht Dørjuvet

Kurzer Besuch in Oslo

Oslo (512.000 EW) als schön zu bezeichnen, beschriebe - zumindest aus unserer Sicht - nicht die Wirklichkeit. Das fällt zuallererst auf der E6 kurz vor der Stadt auf, wenn an einer großen und verstopften Mautstation unverschämter Weise plötzlich Wegezoll erhoben wird. Dahinter geht es vorbei an Industriegebäuden und schmucklosen Wohnvierteln hinein in einen Moloch, der bestimmt auch schöne Seiten hat, wenn man sie kennt oder die Lust hat, nach ihnen zu suchen. Ist das nicht Fall, präsentiert sich Oslo im Stil mittelklassiger Stadtteile Hamburgs. Die letzte Nacht vor der Fährfahrt nach Kiel wollten wir auf dem Campingplatz Ekeberg verbringen, der reizvoll auf einer Anhöhe im östlichen Teil der Stadt liegt und durch eine gute und frühzeitige Ausschilderung auch im großstädtischen Straßengewirr gut zu finden ist. Die hervorragende innerstädtische Lage des Ekeberg Camping ist allerdings auch schon alles, was an dieser Massenunterkunft positiv bemerkt werden kann. Alles andere, von den überaus hohen Preisen über die übervölkerte Enge bis hin zu den siffigen Sanitäranlagen, ließ diesen Campingplatz zum herausragenden Negativbeispiel werden. Nachdem wir unser Zelt aufgebaut hatten, brachen wir zur Besichtigung des Edvard Munch-Musuems auf. In dem schmucklosen Gebäude am Botanischen Garten wird der Nachlass des berühmten Malers gezeigt. Das Museum ist gut und liebevoll sortiert, äußerst informativ und kostet - was den horrenden Preis des Ekeberg Camping ein wenig ausglich - keinen Eintritt!Zurück in der teuren Massenunterkunft betäubten wir unseren gekränkten Sinn für Ästhetik mit Rotwein, und schliefen schließlich unter dem Klang des prasselnden Regens ein.


Oslo von Ekeberg aus gesehen


Oslo im Regen


Hafen und Hauptstadt


Abschied: Das Schiff hat den Oslofjord mit Kurs auf Kiel verlassen