Radrerise um das Stettiner Haff Nr.1, Abschnitt 2 (Juli 2014, 4 Tage, 271 km)


FS vor der Etappe auf der E65 nach Międzyzdroje (Misdroy)

Świnoujście - Stepnica (Stepenitz)

[67,81 km]


In Misdroy geht es zuweilen recht steil zu
Neuer Morgen, neuer Tag, neues Land, und zwar Polen. Nach einer ruhigen Nacht im Hotel packen wir unsere Siebensachen und machen uns bei bestem Wetter auf den Weg. Doch bevor es über Międzyzdroje und Wolin nach Stepenica geht, müssen wir die Fähre bemühen. Weil sich Świnoujście nicht nur auf der Insel Usedom, sondern auch auf der Nachbarinsel Wolin breit macht, müssen wir Wasser überqueren.

Und zwar das Wasser der Swina, die im eigentlichen Sinne kein Fluss ist, sondern ein Seegatt. Das ist eine Sonderform eines Meeresarms, der als Strömungsrinne durch den Gezeitenstrom gebildet und offen gehalten wird. Die Swine ist allerdings nicht nur eine gewöhnliche Strömungsrinne, sondern letztlich auch die Öffnung der Oder in die Ostsee. Alle Schiffe, die den Hafen von Szczecin in Richtung Meer verlassen, müssen durch die enge aber entsprechend tiefe Swine fahren.


Kleine Fußgängerzone in der Innenstadt von Misdroy
Die Fähre über das Seegatt verkehrt regelmäßig und ist kostenlos. Schnell sind wir auf der Woliner Seite, wo das Radfahren zunächst ein wenig unschön wird. Außer dicken Hauptverkehrsstraßen gibt es keine gemütlichen Alternativwege nach Misdroy. Zum Glück besitzt die fette E65 einen gut ausgebauten Randstreifen, der für den nötigen Abstand zu den vorbei donnernden Fahrzeugen sorgt. Nach fünfzehn Kilometern ist zum Glück Schluss mit dem Stress und wir verlassen das lärmige Asphaltband nach Miedzyzdroje.

Międzyzdroje ist das wichtigste Seebad der Insel Wolin und daher mit allen touristischen Wassern gewaschen. Wir frühstücken in der kleinen Fußgängerzone der Innenstadt und radeln weiter zum Nationalpark Wolin, den wir komplett durchqueren müssen. Im Vergleich zu Usedom geht es auf Wolin noch etwas hügeliger zu. Und weil sich die höchsten Erhebungen ausgerechnet im Nationalpark befinden, müssen wir erstmal kräftig strampeln.


Brücke über die Dievenow in Wolin


Typische Landschaft südlich von Wolin


Landschaft südlich von Recław
Und in der Tat: Im Vergleich zur deutschen Seite geht es auf der polnischen eher langweilig zu. Links und rechts der Straße breiten sich landwirtschaftliche Nutzflächen aus, die irgendwann von Wäldern abgelöst werden. Nichts wirklich Spannendes, eher öde Einheitskost. Ab und an geht es durch eine verschlafene Ortschaft, was auch nicht wirklich für Abwechslung sorgt.

Auch Stepenica will da auf den ersten Metern keine Ausnahme machen und sieht nicht gerade so aus, wie ein ehemaliges Seebad von Rang und Wichtigkeit. Nur direkt am Haff ändert sich das Bild. Es gibt so etwas wie eine kleine Promenade, eine kleine Seebrücke sowie die Gaststätte Panorama mit ihrem auffälligen Häuschen, das auch ein Hotel beinhaltet. Brauchen wir nicht, denn wir können auch unser Zelt auf dem Rasen aufschlagen.

Und das Beste: Eine Stettiner Brauerei hat gerade eine Werbeaktion laufen und verkauft ihr leckeres Bier zum Preis von umgerechnet 50 Cent pro frischgezapften halben Liter. Eine bessere Stärkung können wir uns nach dieser Etappe kaum vorstellen! Klar, dass es da nicht bei einem Bier bleibt. Immerhin steigt mit jedem getrunkenen Bier der gesparte Betrag...


Zelten in Stepenica
Das ehemalige Stepenitz ist ein wenig bemüht, wieder an seinen alten Ruhm als Seebad anzuknüpfen. Damals, bis zum Zweiten Weltkrieg, war der kleinen Ort sozusagen die Sommerfrische der Stettiner und konnte veritable Übernachtungszahlen vorweisen. Das Restaurant Panorama mit seinen Übernachtungsmöglichkeiten scheint heute der einzige Hotelbetrieb des Örtchens zu sein. Aber wie es aussieht, stehen die Chancen ganz gut für eine positive Zukunft in Sachen Tourismus. Jedenfalls fühlen wir uns recht wohl in der symphatischen Kleinstadt. Das einzige, was ein wenig stört, ist der Ausblick auf die Chemieanlagen von Police (Pölitz), die auf der gegenüberliegenden Seite des Papenwassers (Verbreiterung der Oder vor dem Übergang zum eigentlichen Haff).




Stepenica


Stepenica


Stepenica

Stepnica (Stepenitz) - Szczecin (Stettin)

[62,31 km]


Wolliner Tor, Góleniow
Gut ausgeschlafen (der günstigen Biere zum Dank) bauen wir das Zelt ab und machen uns auf den Weg zur letzten Etappe. Das Wetter zeigt sich von seiner allerbesten Seite, will heißen das Thermometer klettert unter einem wolkenlosen Himmel schnell in ebensolche Höhen. Zum Glück ist auf der 112 - immerhin eine dreistellige Landstraße - kaum etwas los. Leider erfordert die Haff-Umrundung auf dieser Etappe eine ausgeprägte "Beule" in der Route. Um nach Szczecin zu kommen, muss ein Umweg über Góleniow gemacht werden. Alternativen dazu scheint es nicht zu geben - jedenfalls nicht ohne sehr genaues Kartenmaterial, das wir ja leider nicht erwerben konnten.

Sei′s drum. Dafür lernen wir eben das ehemalige Gollnow kennen und machen zudem einen veritablen Schlenker hinein ins polnische Binnenland.


Góleniow
Góleniow ist mit seinen 22.000 Einwohnern ein Mittelzentrum zwischen Stettin und der Ostsee. Der Weg dahin ist nicht weiter erwähnenswert, weil landschaftlich kaum auffällig. GÓleniow ist es im Grunde auch nicht, denn auch hier sucht der Fahrradtourist recht vergeblich nach Sehenswertem. Es gibt ein kleines Stadtzentrum mit ein paar Geschäften und einer Brücke über das Flüsschen Ina.

Dort sind sogar noch Reste der mittelalterlichen Stadtmauer auszumachen. Zusammen mit Katharinenkirche und Wolliner Tor bilden sie so ziemlichen die letzten Überreste aus früheren Zeiten. Der Rest des Städtchens ist von funktionalen Plattenbauten geprägt. Wir machen Rast und lassen uns eine große Pizza schmecken (Pizza Vegetarianska ohne Käse - "bez sera").

Auf einer frisch geteerten Straße geht es weiter in Richtung Szczecin. Nach ein paar Kilometern versetzt uns der Zubringer-Kreisverkehr zur Autobahn in Angst und Schrecken, weil der Abzweig in Richtung Rurzyca kaum auffällt. Mittlerweile ist es recht heiß geworden und die Sonne brennt vom Himmel. Immer wieder müssen wir anhalten und uns etwas zu trinken besorgen. Kein Problem in Polen, wo es in fast jedem noch so kleinen Kaff wenigstens einen Tante-Emma-Laden gibt. Undenkbar in Deutschland.


Die Oderbrücken von Szczecin
So langsam kommen wir ins Stettiner Umland. Ortschaften wie Rurzyca oder Klininska Wielkie ziehen sich über Kilometer entlang der Landstraße hin. Der Verkehr hält sich zunächst in gut erträglichen Grenzen. Erst in Pucice wird es mehr. In Załon breiten sich triste Neubaugebiete aus. Hier scheinen die neureichen Stettiner ihre Häuser zu bauen. Dabei wird viel Wert darauf gelegt, seinen Reichtum und Status auch ordentlich zur Schau zu stellen. Es ist wohl Mode, Hauseingänge mit säulengestützten Vorbauten zu verzieren. Geschmacklosigkeiten, die durch steinerne Löwenfiguren bis hin zur Lächerlichkeit gesteigert werden können.

Je weiter wir uns Szczecin nähern, desto dichter wird der Verkehr. Kein Wunder, mit 408.000 Einwohnern ist das ehemalige Stettin immerhin die siebtgrößte Stadt Polens. Radwege gibt es leider nicht, so dass es zuweilen etwas ungemütlich wird. In Dąbie sind wir dann mitten drin im Stettiner Stadtgetümmel. Dąbie (Altdamm) ist ein Stadtteil Stettins, der östlich der Oder liegt und eine eigenständige Entwicklungsgeschichte besitzt. Mit über 13.000 Einwohnern ist Dąbie auch recht gut bevölkert, viel Sehenswertes gibt es hier aber nicht.


Brückenblick auf Szczecin
Um ins Zentrum Stettins zu kommen, müssen wir die riesigen Oderbrücken (Trasa Piotra Zaremby, Trasa Zamkowa) mit ihren Schnellstraßen überqueren. Zum Glück gibt es hier sehr gut ausgebaute Radwege, auf denen sich sicher und komfortabel radeln lässt. So bekommen wir immer wieder gute Ausblicke von oben auf die verzweigten Oderarme und die dazwischen liegenden Hafenanlagen. Und auch Szczecin selbst ist von der Brücke gut zu überblicken.

So gut alles geklappt hat, eine Enttäuschung müssen wir dann doch noch erleben: Im Hotel Focus weist man uns trotz Buchung ab, weil man diese aus unerfindlichen Gründen mal eben storniert hat. Sauladen. Also kommen wir im immer zuverlässigen Hotel Campanile unter - ohnehin die bessere Wahl.

Nach einer guten Nacht geht es dann mit dem Zug wieder zurück nach Lübeck.


Oderbrücken, Blick zurück (nach Osten)


Szczecin, Hakenterrasse


Szczecin, Blick auf das Schloss der Pommerschen Herzöge

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