Wismar im Nebel

Etappe 3: Rerik - Wismar - Grevsmühlen - Schönberg - Lübeck


Gesamtkilometer: 100,16


Vmax: 43,38 km/h

Ich werde wach durch lautes Gerede. Zwei Familien mit Wohnmobilen stehen zusammen und fachsimpeln lautstark. Mit dem einem älteren Pärchen hatte ich gestern Abend noch kurz gesprochen. Wie man bei diesen Temperaturen nur im Zelt schlafen könne, lautete die bewundernde bis bemitleidende Frage. Wie man die Welt nur aus der Blechkiste heraus erleben kann, waren meine Gedanken.

Der Abbau von Zelt und Gerödel nimmt ein wenig Zeit in Anspruch. Aber allzu eilig habe ich es auch nicht, da ich heute wieder im eigenen Bett schlafen kann. Mit vollgepacktem Rad geht es bei bestem Wetter wieder auf den Ostseeküstenradweg in Richtung Wismar. Dass es sich dabei um einen sehr bekannten und auch touristisch relevanten Fernradweg handelt, wird nicht immer ersichtlich.

Nicht selten ist der Radweg in beinahe desolatem Zustand. Vor allem zwischen Stove und Blowatz ist die D-Route 2 eine ärgerliche Rüttelpiste. Und dann diese Schilder. Man wird nicht müde zu betonen, dass auf dem Radweg eben kein Winterdienst stattfindet. Mit anderen Worten ist der Ostseeradweg für die Verkehrsverantwortlichen derart uninteressant, dass man ihn nicht einmal vom Schnee zu befreien gedenkt. Schade, schade.

Bis in zu den ersten Wismarer Vororten ist noch so manche Steigung zu bewältigen. Kein Wunder, denn es geht von Meereshöhe knapp über Null in Rerik bis auf knapp 60 Meter am Scharberg bei Boiensdorf. Mit der Zeit wird es zunehmend nebeliger. Und damit kälter. Nun muss ich am hellichten Tage wieder die Handschuhe überstülpen.

Als ich Wismar erreiche, ist die Suppe um mich herum schon recht dick geworden. Ich habe keinen Stadtplan und muss irgendwie herausfinden, wie ich durch die Stadt und dann weiter nach Grevesmühlen komme. Erst ab dort habe wieder Kartenmaterial, meine aktuelle Karte endet bei Wismar.

Wismar ist zweifelsohne eine sehr schöne Stadt - zumindest in ihrem altstädtischen Kern. Dieser teilt sich ein UNESCO-Weltkulturerbe zusammen mit dem von Stralsund. Jetzt im kalten Nebel dürfte sicher der allerschönste Erostempel noch abweisend wirken. Jedenfalls gelingt es mir, auch ohne Stadtplan das Zentrum und wieder aus diesem heraus zu finden. Leider sind für Radfahrer nur solche Ziele ausgeschildert, die auf irgendwelchen Radfernwegen liegen. Im Westteil der Stadt sind das nur Boltenhagen und Klütz sowie Dorf Mecklenburg (Richtung Schwerin). Grevesmühlen gehört leider nicht dazu.

Deshalb gönne ich mir erstmal ein Mittagsbier und mache mich weiter auf die Suche. Ich finde die Lübsche Straße, die zur B105 führt. Ihr folge ich aus der Stadt hinaus, wobei es mal wieder gut bergauf geht.

Es geht weiter nach Gägelow, wo die B105 nach Grevesmühlen vorbei führt. Mir stehen hier die radweglose und lärmige Bundesstraße sowie eine schöne Landstraße mit Radweg zur Auswahl. Letztere führt - wohin wohl? - nach Boltenhagen und Klütz. Egal, besser ein Umweg durch schöne Landschaften, als der Roadkill im Nebel. Trotzdem lege ich ausnahmsweise eine Signalweste an.

Und ich habe richtig gewählt! Zuerst geht es über ein paar Kilometer stetig bergab, dann kommt eine Abzweigung nach Grevesmühlen. Nur noch über ein paar lästige Hügel zwischen Hohenkirchen und Groß Walmsdorf, und schon bin ich in Grevesmühlen.

Ich bin mir bis heute nicht sicher, ob ich Grevesmühlen schön oder hässlich finden soll. Sicher ist, dass es von beidem etwas hat. Der allgegenwärtige Nebel trägt jedenfalls nicht zur Verbesserung des Eindrucks bei.

Vorbei an der alten Malzfabrik radele ich nach Börzow, wo ich jedes Mal nicht weiß, wie es danach weitergehen soll. Kein Wunder, denn hier werden die Dörfer immer kleiner und namenloser. Sie verlieren sich gewissermaßen im Nichts und sind weder auf Wegweisern noch auf Karten eindeutig auszumachen.

Eines dieser Dörfer hört auf den Begriff Papenhusen. Hier scheint es Bedingung für die Bewohner zu sein, einen scharfen Hund an einer Leine oder im Zwinger aufzubewahren. Aus jedem Hof kläffen mich die Köter an.

Danach folgt die eintönige L01, die mich bis nach Schönberg bringt. Schönbergs spröde Heimeligkeit gefällt mir. Obwohl nur wenige Kilometer von Schleswig-Holstein entfernt, ist man hier in einer anderen Welt. Eben in Mecklenburg.

Nun folgt die Routine vieler Tagesausflüge. Über Lockwisch, Lüdersdorf und Herrnburg erreiche ich wieder Lübeck. Nachdem ich drei Tage lang nur im Freien oder im Zelt gewesen bin, verbringe ich den Abend in der warmen Badewanne und trinke Glühwein.

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