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Süditalien, Sizilien und die Äolischen Inseln (Juli 2002)

Abschnitt 4: Cava Grande und Siracusa

Siziliens Grand Canyon: Die Cava Grande

Im Laufe der Jahrtausende hat sich der Fiume Cassibile tief in das weiche Gestein des Hibläischen Gebirges gegraben. Dabei ist die Cava Grande entstanden, eine ca. 300 Meter tiefe Felsschlucht, auf deren Grund der Cassibile fließt. Die Cava Grande ist mit dem Auto von Avola aus schnell zu erreichen. Ausgangspunkt unserer Wanderung (Anregung aus dem Rother Wanderführer Sizilien) war der Belvedere genannte Aussichtspunkt, an dem sich neben einem gebührenpflichtigen Parkplatz auch ein barackenartiges Café sowie ein Eingangstor in die Schlucht befindet, wo man sich für den Eintritt in die Cava Grande registrieren lassen soll oder kann. Von dort aus führt ein sehr langer Treppenweg bis hinunter auf den Boden der Schlucht, wo sich einige Laghetti (kleine Seen) befinden, in denen im Sommer reger Badebetrieb herrscht.

Belvedere sollte jedoch der Endpunkt der Wanderung sein, hinabsteigen in die Schlucht mussten wir an einer ganz anderen Stelle. Der Weg dorthin führte zunächst von der Schlucht weg. Wir liefen eine asphaltierte Straße entlang bis an den Rand eines kleinen Dorfes und bogen dann in einen Feldweg ein, der auf ein paar Bauernhäuser zuführte. Schon am Anfang des Weges fiel uns ein beunruhigendes Schild auf, das Besucher mit der Aufschrift "No Entry" vor dem Weitergehen warnte. Wir ignorierten es, zumal auch keine offensichtlichen Gefahrenquellen zu erkennen waren. Nach einigen hundert Metern endete der Weg an einem Bauernhof, und die Fortsetzung der Wanderung war unangenehmer Weise an das Durchqueren des zugehörigen Grundstücks gebunden. Eine freundliche Bäuerin wies uns zu unserer Erleichterung jedoch den Weg zur Schlucht. Hinter dem Hof begegneten uns noch einige Weidezäune, die überklettert werden mussten sowie ein paar zusätzliche Verbots- und Warnschilder, die wie aber ebenfalls ignorierten.

Und dann standen wir endlich am eher inoffiziellen Eingang in die Cava Grande. Der Blick hinunter war grandios und schwindelerregend. Ganz unten war ein dschungelartiges Dickicht auszumachen, das sich um den Cassibile herum gebildet hat. Die Treppe bestand aus in den Stein gehauenen Stufen und hatte kein Geländer, so dass erhöhte Aufmerksamkeit geboten war. Mit der Zeit erschloss sich uns dann auch der Sinn der Warn- und Verbotsschilder, denn der Weg war gefährlich und ungesichert, so dass man leicht abrutschen und einige hundert Meter in die Tiefe stürzen konnte. Die Stufen führten bis zum Talgrund hinab, wo uns dichte Vegetation empfing, die uns von da an auf der gesamten Wanderung begleiten sollte. Ein Machete wäre hier sehr hilfreich gewesen. Häufig war es wegen der Pflanzen kaum möglich, den Verlauf des schmalen Trampelpfads zu erkennen. Nach einiger Zeit führte uns der Pfad zu einer Lichtung, die sich in einer breiteren Stelle der Schlucht gebildete hatte. Hier floß auch der Fluß sehr langsam, so dass sich Feuchtbiotope gebildet hatten, die einen ersten Höhepunkt unserer Wanderung und auch eine Entlohnung für die bisher erlittenen Strapazen darstellten.

Nach einer kurzen Pause ging es weiter. Der Pfad stieg ab jetzt wieder an, wobei er mit zunehmender Höhe immer schmaler wurde. Dann führte er für einige Kilometer in ca. 100 Meter Höhe über dem Talgrund an der Schluchtwand entlang. Oft war der Pfad von Pflanzen überwuchert, die nicht selten Dornen besaßen. Auch nicht selten ergaben sich gefährliche Situationen, weil der unbefestigte Boden unter unseren Füßen abrutschte, was nur zu leicht zum Sturz in die Tiefe hätte führen können. Stellenweise trennten uns nur wenige Zentimeter vor der fast senkrecht nach unten führenden Schluchtwand - Trittsicherheit war also gefragt. Die Aussicht war allerdings einmalig. Ein faszinierender Ausblick jagte den nächsten, und über allem brannte die heiße Mittagssonne. Nach einigen Stunden erreichten wir angeschlagen den offiziellen Schluchtweg, denn über uns lag der Ausgangspunkt Belvedere. Vor dem Aufstieg besuchten wir noch kurz die Laghetti (kleine Seen) am Schluchtgrund.

Cava1
Blick in die Cava Grande

Cava2
Die Schlucht wird bis zu 300 Meter tief

Cava3
Auf dem überwucherten Weg

Cava5
Blick in Richtung Schluchtende (Meer bei Siracusa)

Schwitzen in Siracusa

Die Hafen- und Provinzhauptstadt Siracusa hat viel von ihrem ehemaligen Glanz eingebüßt. In der Antike war sie eine blühende Metropole gewesen, die mit ihren bis zu 500.000 Einwohnern die größte Stadt der griechischen Welt darstellte. Eine Neuordnung der sizilianischen Verwaltungsstruktur, die durch die Araber ab dem Jahre 878 eingeleitet wurde, stellte die einst blühende Stadt ins Abseits. Palermo wurde zur Hauptstadt Siziliens und Syrakus musste selbst den Status der Provinzhauptstadt an das benachbarte Noto abgeben. Die Einwohnerzahl sank daraufhin bis auf Kleinstadtniveau ab, und erholte sich erst mit der steigenden Bedeutung als Hafensitz gegen Ende des 19ten Jahrhunderts. Erst 1865 übernahm Syracusa wieder die Funktion der Provinzhauptstadt. Bis heute ist die Einwohnerzahl der Stadt auf 117.000 angewachsen, die wieder ein wichtiges kulturelles und wirtschaftliches Zentrum Südostsiziliens ist. Dabei ist Siracusa eine durchaus angenehme und sehenswerte Stadt mit einem sehr sympathischen Charakter. Die Altstadt Ortigia liegt auf einer Insel im Meer und ist nur über die Brücke Ponte Nuovo mit dem Festland verbunden. Die restlichen vier Stadtteile liegen auf dem Festland. Von ihnen beherbergt Neapoli die ausgedehnten archäologischen Bezirke.

Unsere erste Fahrt in die Stadt unternahmen wir am 15. Juli. Der Himmel war bedrohlich bewölkt, und es sah so aus, als würde es jeden Moment zu regnen beginnen. Da die archäologischen Bezirke außerhalb des Zentrums liegten, parkten wir auf den dazugehörigen Parkplätzen und gingen zu Fuß ins Zemtrum. Unser Weg führte uns über die beiden großen Hauptstraßen Corso Gelone und Corso Umberto I zum Ponte Nuovo, jener kleinen Brücke, die die Insel Ortigia mit der restlichen Stadt verbindet. Die Altstadtinsel empfängt den Besucher mit einem geschäftigen Platz, an dessen Ende sich bereits eine alte Tempelanlage befindet. Ortigia ist mit engen und sehr verwinkelten Sträßchen und Gassen überdeckt, in denen man sich schnell verlaufen kann. Dies wäre angesichts der umgrenzten Insellage nicht weiter schlimm, da man immer wieder Orientierungspunkte für den Rückweg ausmachen und sich auch nicht zu weit weg entfernen kann. Wir taten es in einer ähnlichen Weise und marschierten eher nach dem Zufallsprinzip durch die Gassen. Mittlerweile waren Temperatur und Luftfeuchtigkeit stark angestiegen und wir begannen empfindlich zu schwitzen. Wir betrachteten den beeindruckenden Dom und machten uns dann auf die Suche nach der Fonte Aretusa, die unspektakulär in einer Art Becken vor sich hin blubbert. Diese dicht am Meer liegende Süßwasserquelle brachte bereits in der Antike Wasser hervor, ist aber heute eher ein Platz zum kurzen Verweilen (und war sie damals wohl auch bloß). Anschließend traten wir den Rückweg an. Bei unserer Ankunft am Parco Archeologico litten wir derart unter unser naßgeschwitzten Kleidung, dass wir dessen Besichtigung auf den darauffolgenden Tag verschoben, zum Zeltplatz zurückkehrten und den Rest des Tages am Meer verbrachten.

Fonte Aretusa
Die antike Fonte Aretusa

Siracusa
Blick auf die Stadt. Aufgenommen in der Nähe der Ponte Nuovo.

Corso Gelone
Die Haupstraße Corso Gelone

Leider enttäuschend: Der Archäolgische Bezirk Siracusas

Am darauffolgenden Tag besuchten wir den Parco Archeologico, auf den wir wegen der hohen Bedeutung der Stadt in der Antike sehr gespannt waren. Bekannt waren uns bereits der berühmte Steinbruch Latomia del Paradiso mit dem noch berühmteren " Ohr des Dionysios (Orecchio di Dionisio)", an dem der Sage nach der Tyrann wegen der hervorragenden Akustik selbst geflüsterte Gespräche der Gefangenen aus der Entfernung belauschen konnte. Der Eintritt kostete stolze 4,50 Euro, und nach dem Entrichten des Eintrittsgeldes hatten wir die Wahl, entweder zum Theatro Greco oder aber zu den Latomien (Steinbrüchen) zu gehen. Wir entschieden uns zunächst für das Teatro Greco, das in der Antike das größte seiner Art gewesen sein soll, heute aber nicht unbedingt nach Superlative aussieht. Die in Stein gehauenen Sitzstufen sind mit Holz übertäfelt worden, damit die Besucher der gelegentlich stattfindenden Aufführungen und Konzerte besser sitzen können. Ähnlich einem Kino ist das Theater mit Platzschildern versehen, die wir zuerst für archäologisch relevante Orientierungspunkte hielten. Wir irrten uns, denn es gab im gesamten archäologischen Bezirk so gut wie garkeine Hinweisschilder oder Erläuterungen irgend einer Art. Zu erwarten wären zumindest einige Erklärungen o.ä. gewesen, doch hierfür hatte man offensichtlich kein Geld ausgeben wollen.

Oberhalb des Theaters, im Nymphaeum, gibt es einige in den Fels gehauene Grab- und Wohnkammern aus byzantinischer Zeit sowie noch immer fließende Quellen zu sehen. Anschließend gingen wir zu den Latomien, den antiken Steinbrüchen. Dort standen wir vor einer großen Felswand mit vier hineingetriebenen großen Stollen. Einer dieser Stollen ist das berühmte Ohr des Dionysios, das mit einer Deckenhöhe von über 20 Metern etwa 60 Meter in den Fels hineinragt und über eine gute - mehr aber auch nicht - Akustik verfügt. Die anderen Höhlen sowie auch das römische Amphitheater konnten nicht besucht werden, worauf am Eingang nicht hingewiesen wurde, obgleich das Anfiteatro Romano eine Hauptsehenswürdigkeit darstellt. Im Großen und Ganzen wirkte der Parco Archeologico wegen der fehlenden Informationsmöglichkeiten und der vielen Absperrungen recht lieblos. Zu sehr hatten wir den Eindruck, dass das aufwandslose Einsammeln von Eintrittsgeldern im Vordergrund stand. Schade.

Ohr des Dionysios
Das Ohr des Dionysios

Karte

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