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Abschnitt 4: Kunming, Provinz Yunnan

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Auf nach Yunnan!


Der Hauptbahnhof von Kunming
Wir haben Glück mit unseren Mitpassagieren. Die junge Frau mit dem Kind verlässt den Zug schon nach einer Stunde, der junge Mann hält sich überwiegend im Speisewagen auf und eine weitere jüngere Frau verhält ist offensichtlich auch froh, ihre Ruhe zu haben. Allerdings scheint sie unter einem fürchterlichen Katarrh zu leiden und frönt ab und an bemerkenswert intensiven Hustenanfällen. Da ich bereits erkältet bin, sehe ich den zusätzlichen Bakterien in der knappen Abteilluft gelassen entgegen.

Bevor es dunkel und Schlafenszeit wird, steigt auch der junge Mann aus dem Zug und im Abteil wird es gemütlich. Im Vergleich zur Zugfahrt von und nach Shanghai hat sich die Landschaft dankenswerter Weise gravierend verändert. Berge unterbrechen die eintönigen Agrarebenen, auf denen man Reis und anderes Getreide anbaut. Auch hat sich das Wetter gebessert und eine rote Abendsonne hüllt die südchinesische Landschaft in ein schmeichelndes Licht.

Am nächsten Morgen rollt der Zug bereits durch den Osten der Provinz Guangxi. Die Großtadt Nanning haben wir verschlafen, dafür ist die Landschaft um so faszinierender. Zum Teil recht steile Gebirgsformationen beherrschen das Bild, dazwischen gibt es weite Reisfelder und beschauliche Dörfer. Vorbei sind die gesichtslosen Betonansammlungen, es dominieren sympathischere Bauweisen in eher traditionell geprägten Umfeldern. Unmerklich überrollen wir die Grenze zur Provinz Yúnnán, deren Bevölkerung auch durch die Nähe zu den südostasiatischen Ländern Vietnam, Laos und Myanmar eine besonders hohe ethnische Vielfalt aufweist.

Unser Zug schraubt sich langsam aber sicher die Berge hinauf. Schwindelerregende Aussichten wechseln sich mit dunklen Tunnelpassagen ab. Kunming liegt bereits auf dem Ost-Yunnan-Plateu auf stolzen 1.800 Metern Meereshöhe. Und die muss sich unser langer Stahlwurm erst mal erarbeiten. Kurz vor dem Ziel wird die Landschaft atemberaubend. Links und rechts der Gleise dehnen sich bizarre Karstformationen bis zum Horizont aus. Bei Shílín erreicht diese Landschaft ihren Höhepunkt. Hier sind die durch Wind und Regen erodierten Felsen besonders groß, und verä:stelt.



In der Stadt des ewigen Frühlings


Auf der Beijing Lu
Ein wenig später kündigen ausgedehnte Siedlungs- und Industriegebiete die Stadt Kunming an. Kurz darauf verlassen wir nach 25 Stdunden unseren Zug und versuchen, uns in der milden Luft dieser Stadt zum Hotel durchzuarbeiten.

Auch dieses haben wir per Internet in Guangzhou vorgebucht und dabei darauf geachtet, dass es in relativer Bahnhofsnähe liegt. Aber auch hier zeigt sich, wie sehr der auf schematisierten Stadtplänen vermittelte Eindruck von der eher chaotischen Realitä abweichen kann. Angeschlagen von langer Zugfahrt und Erkätung tapern wir über die lauten Straßen einer unbekannten Großtadt, die wir uns irgendwie geruhsamer vorgestellt hatten. Das Klima ist mild, aber nicht so warm, wie in Guangzhou. Auch sind die Straßen nicht von Palmen gesämt, wie uns ein Reiseführer weismachen wollte, sondern allenfalls mit verstreuten kleinen Platanenbäumchen bestanden.

Die Straße, in der unser Hotel liegen soll, findet sich schnell. Mit der Hausnummer aber beginnen die Probleme, denn die die Huancheng Nanlu ist eine mehrere Kilometer lange Ost-West-Magistrale. Überall wo wir nachfragen hat noch niemand etwas von unserem Hotel gehö,rt. Auch kann uns niemand sagen, in welcher Richtung denn die Hausnummer zu finden ist - nicht einmal die Dame vom CITS (China International Travel Service), der sein Bü in der gleichen Straße hat.


Huancheng Nanlu
Wir beschließen, mich als Kundschafter auszuschicken, während es sich Claudi mit unserem gesamten Gepäck an einer Straßenecke bequem macht. Derweil sie unsere Siebensachen beaufsichtigt, hechte ich die Huangchen Nanlu entlang und wundere mich, wie schwer ich dabei atmen muss. Kein Wunder, auch auf nur 1.800 Metern Höhe muss sich der die Meereshöhe gewöhnte Körper erst mal akklimatisieren. Schließlich finde ich das Mercure Hydro Majestic Hotel ziemlich im Osten der Huangchen Nanlu und hole Claudi mit dem Gepäck nach. Ein wenig später folgt die lang ersehnte Dusche in unserem Zimmer im 14. Stockwerk des Hotels. Weil kein Zimmer mit Doppelbett verfügbar war, hat man uns in eine höhere Kategorie upgegradet, weshalb wir nun auf Executive-Niveau logieren dürfen. Das ist genau das Richtige nach der langen Fahrt hierher!

Website des Mercure Hydro Majestic

Kunming, Hauptstadt der Provinz Yunnan


Straßenszene
Kunming ist die Hauptstadt der Provinz Yunnan und weist aufgrund ihrer Höhenlage ein für die diese südliche Breite vergleichsweise mildes Klima auf, was ihr denm Beinamen "Stadt des Frühlings" eingebracht hat. Mit knapp 2 Millionen Einwohnern im unmittelbaren Stadtgebiet ist Kunming aber bei weitem nicht so beschaulich, wie der eher nach Kurort klingende Beinamen vermuten lässt. Wie für chinesische Großstädte üblich, ist das Zentrum von gläsernen Bürotürmen geprägt, die hier zwar nicht allzu hoch in den Himmel schiessen, der Stadt aber dennoch ein ziemlich modernes Aussehen verleihen. Starker Verkehr ergiesst sich über zum Teil vielspurige Autostraßen, die in der Mehrzahl über separate Fahrradwege verfügen. Hier teilen sich die Radler also nicht einen knappen Fußweg mit genervten Passanten, sondern haben eine baulich vom KFZ-Verkehr getrennte Fahrspur. Und dass man in Kunming angeblich entspannter lebt, zeigt sich besondersd darin, dass eher selten gehupt wird. Laut genung ist's trotzdem.


Modernes Stadtzentrum
Unser erster Stadtbummel durch Kunming fällt eher bescheiden aus. Das liegt nicht unbedingt daran, dass uns eine lange Zugfahrt in Kombination mit nerviger Erkältung so sehr zugesetzt hätte, dass uns unsere Neugier zum erliegen käme. Vielmehr ist uns nach dem ständingen Herumrgereise der letzten Tage langsam einmal nach geruhsamem Ausspannen. So schlendern wir ein wenig durch die umliegenden Straßen und sind wieder einmal die einzigen Europäer weit und breit. An die gelegentlichen neugierigen Blicke haben wir uns mittlerweile schon gewöhnt - obgleich sich die durch uns erregte Aufmerksamkeit in sehr engen Grenzen hält.

Die Hengchen-Road ist in ihrem östlichen Abschnitt Sitz vieler kleiner Läden aus dem Klempnerbereich. In den Auslagen liegen Gewinde, Rohre, Dichtungen und alles andere, was man irgendwie für Reparaturen oder Neuinstallationen gebrauchen könnte. Dazwischen gibt es immer mal wieder eines der Lebensmittelgeschäfte, die von Tütensuoppen über Drogerieartikel bis hin zu Schnaps und Bier alles im Sortiment haben, was Herz und Leber begehren. Schnell machen wir einen besonders gut sortierten Laden ausfindig und versorgen uns mit ein paar Snacks, Klopapier und, ganz besonders bemerkenswert, billigem Reisschnaps. Als Werbemittel benutzt der Besitzer zwei PA-Boxen, aus denen schlechte Chinaschlager in einer partygemäßer Lautstärke dringen.


Im Hotelzimmer



Kunming bei Nacht


Die große Runde: Innenstadt, Zoo, Yuangtong Tempel


Die nördliche Beijing Lu
Eine lange Wanderung ist angesagt. Nach einer geruhsamen Nacht geht es uns wieder besser und wir machen uns bei allerbestem Kaiserwetter auf den Weg zu Zoo und Yuangtong Tempel. Beide Sehenswürdigkeiten liegen geschätze fünf bis sieben Kilometer von unserem Hotel entfernt, so dass wir auch noch genügend Gelegenheiten bekommen, den Eindruck von Kunming in uns aufzunehemen. Denn das kann man nur dann am besten tun, wenn man zu Fuß durch die Straßen einer unbekannten Stadt marschiert und dabei alle Sinne auf Empfang schaltet. Die Orientierung fällt uns nicht schwer, es genügt sogar der kleine Stadtplan in unserem Lonely Planet "Chinas Southwest" - übrigens wohl der einzige Reiseführer, der sich in aller Ausführlichkeit dieser Region Chinas widmet. Unbedingt empfehlenswert.

In der Beijing Lu statten wir zunächst Tian Fu Famous Teas einen Besuch ab. Das südliche Yunnan ist geradezu berühmt für seine hochwertige Teeproduktion, wobei der Pu-Erh Tee eine ganz besondere Spezialität dieser Region ist. Allerdings hat man sich im hochglazpolierten Teeladen wohl ganz auf zahlungskräftige Touristen eingestellt, was wir ein wenig erschreckt am recht stolzen Preisniveau ablesen können. Emsige Damen in roten Kimonos schleichen zwischen den Auslagen herum und lassen uns an allerlei Teeköstlichkeiten schnuppern. So lecker es aus den Dosen auch duftet, wir ziehen es schließlich vor, nur günstigen Alltagstee zu erstehen. Aber selbst dieser dürfte es noch mit hochpreisigem Tee aus dem deutschen Fach- und Einzelhandel aufnehmen.


Traditionelles Viertel in der Nähe des Pantong Flusses
Weiter gehts bis zur Yuantong Jie, wo wir von der Brücke über den Pantong-River auf ein traditionelles chinesisches Viertel blicken können, das mit seinen geduckten Häschen im Vergleich zum Stahlbeton des modernen Kunming leicht heruntergekommen wirkt. Einen halben Kilometer später stehen wir vor dem Zooeingang und kaufen zwei Eintrittskarten. Der Zoo von Kunming steht nicht etwas deshalb auf unserer Besichtigungsliste, weil wir Zoofreunde wären, die zudem noch ein Faible für die hier wenig artgerechten Tierhaltungsbedingungen hätten. Nein, der Hauptgrund ist der Hügel, auf dem der Zoo errichtet ist. Von den Parkanlagen ganz oben soll man einen grandiosen Ausblick über die Stadt haben - dafür nehmen wir sogar den deprimierenden Zoo in Kauf.

Die unterschiedlichen Käfige und Gehege sind auf dem weiträmigen Areal des Hügels verteilt. Dazwischen gibt es ausgedehnte Parkflächen, die zum Verweilen einladen. Obgleich der Kunminger Zoo in Sachen Tierhaltung nicht ganz so schlimm sein soll, wie viele andere in der Volksrepublik, fristen die meisten der Tiere ein kümmerliches und trauriges Dasein in viel zu engen und kargen Käfigen. Die meisten dämmern antriebslos vor sich hin. Nicht, dass es den Tieren in deutschen Zoos bedeutend besser gehen würde - artgerechte Haltung ist in kommerziellen Zoobetrieben ohnehin kaum m&oumglich;glich, was Zoos im Allgemeinen die ethische Existenzberechtigung abspricht. Doch bleibt es für uns ein Rätsel, wie man angesichts dieser gepeinigten Lebewesen Freude empfinden kann. Obwohl es mitten in der Woche ist, sind erstaunlich viele Familien unterwegs - auch ethischer Minderheiten, die man an ihren bunten Trachten gut erkennen kann. Lustig ist, dass man uns auch hier des Öfteren neugiereig mustert. Angesichts der Zookäfige fühlen wir uns ein wenig so, als ob auch wir eigentlich hinter den Gitterstäben hocken müssten. Wie auch immer, ein wenig entschädigt uns dann doch die Aussicht von der Höhe des Hügels über die Stadt. Sie ist allerdings bei weitem nicht so umwerfend, wie uns die Reiseliteratur verpsrochen hatte.


Am Pantong-Fluss
Nachdem wir uns satt gesehen haben, schreiten wir zur Besichtigung des Yuantong Tempels, der direkt unterhalb des Zoohügels (Luofeng Hill) liegt und aus der Tang-Dynastie stammt. Damit ist der Tempelkomplex stolze 1200 Jahre alt, immer noch in Betrieb und das Ziel zahlreicher Pilgerer. Das Zentrum des Tempels bildet ein oktogonaler Bau aus der Ming-Zeit, der auf einer kleinen Insel innerhalb eines künstlichen Sees steht und eine drei Meter hohe Maitreya-Statue beherbergt. Man erreicht ihn über verzierte Brücken, die über das türkisblaue Wasser führen, in dem sich Goldfische, Koi-Karpfen und Wasserschildkröten tummeln. Daneben gibt es noch einige weitere Andachtsräme sowie eine neuere Halle mit einer Statue von Buddha Shakyamuni. Eingerahmt wird das Ganze von der steilen Wand des Putuo-Felsens, in der in kleinen Nischen weitere Figürchen hausen und ein kleiner Wasserfall in ein ebenfalls türkisblaues Becken plätschert.


Blick nach Süden, unten der Yuangtong-Tempel






Blick über ein Affengehege nach Osten



Im Yuangtong-Tempel


Ein enstpannter Stadtbummel


Neubauten an der Kreuzung Zhengyi Lu / Nanping Jie
Insgesamt ist der Yuangtong-Tempel eine entspannende Oase der Ruhe inmitten der großstädtischen Hektik. Dennoch ist eine knappe Stunde mehr als ausreichend für eine ausgiebige Besichtigung der Anlagen. Und so stehen wir bald wieder im Verkehrsgewimmel Kunmings. Über die später steil abfallende Yuangtong Jie marschieren wir in Richtung Green Lake Park, einer weiteren grünen Oase inmitten der Stadt. Uns ist aber nicht nach Entspannung in der lauschigen Natur, sondern vielmehr nach Eintauchen in die blaugrau glitzernde Welt des Stahlbeton und verspiegelten Glases. Daher lenken wir unsere Schritte über Huashan Xiliu und Renmin Zhonglu zur Zhenggyi Lu, der amtlichen Einkaufsmeile der Stadt. Im verkehrsberuhigten Bereich sieht es so aus, wie in fast allen konsumorientierten Fußgängerzonen der Welt. Hie und da herrscht rege Bautätigkeit, werden neue Betonriesen aus dem Boden gestampft. Trotzdem strahlt selbst das kommerzielle Zentrum der Stadt eine gewisse Ruhe und Entspanntheit aus. Wir genehmigen uns ein Eis und legen müde die letzten Kilometer zu unserem Hotel zurück. Derweil hüllt die Abendsonne eine zwar nicht spektakuläre, aber dennoch sympathische chinesische Provinzhauptstadt in ein goldenes Licht.

Mit dem Taxi geht es am nächsten Tag zum Kunminger Flaughafen, der erstaunlich groß und auf dem es entsprechend geschäftig ist. Die Abfertigungsprozedur ist wie überall, allerdings hat unser Flieger von Air China leichte Verspätung. Macht nix, lange dauert der Flug in die Region Xishuangbanna ja nicht. Um 17 Uhr startet die Möhre endlich. Kaum hat sie Reiseflughöhe erreicht, beginnt auch schon der Landeanflug. Eine knappe Stunde später verlassen wir den Flieger auf dem Flughafen von Jinghong. Rotes Abendlicht taucht das kleine Gebäude in ein warmes Licht. Zusammen mit den großen Palmen daneben wirkt es auf uns wie das Eingangstor nach Südostasien, denn nun befinden wir uns keine 50 Kilometer mehr von Myanmar und 150 Kilometer von Laos entfernt. Hier im äßersten Südwesten nimmt der Han-Chinesische Einfluss stetig ab und es dominieren jene ethnischen Minderheiten, die aus den südlichen Nachbarländern stammen.


Flughafen Kunming: Abschied von einer sympathischen Stadt



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