Polen

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Auch in Szczecin ist das Wetter nicht besser

Anreise mit dem Zug: Via Szczecin nach Danzig

[Etappen 1, 2: Lübeck - Szczecin - Danzig; 15 Rad-km]


Lübeck, Hauptbahnhof
Es regnet und regnet und regnet. Das norddeutsche Frühjahr zeigt sich mal wieder von seiner bescheidenen Seite. Als ob das Wetter nicht etwas gut zu machen hätte, nach diesem ewig langen Winter. Doch heute ist uns das ausnahmsweise mal egal, denn diese Radreise beginnt mit einer Bahnfahrt. Genauer mit zwei Bahnfahrten, die uns bis nach Danzig bringen sollen, dem eigentlichen Startpunkt der Radreise. Da wir in Szczecin übernachten, darf es von uns aus noch zwei Tage lang regnen. Hauptsache, das Wetter zeigt sich mit der ersten Radetappe wieder versöhnlich.

Von Lübeck nach Szczecin zu kommen, ist bahntechnisch nicht schwierig. Mehrmals täglich fährt ein Zug vom Lübecker Hauptbahnhof aus quer durch Mecklenburg-Vorpommern (MV) nach Polen. Mit dem MV-Ticket ist die vierstündige Fahrt (Regionalbahn) samt Fahrradkarte zudem recht erschwinglich. Die eingesetzen Züge entsprechen zwar kaum dem Standard eines Unternehmens zutrauen, das sündhaft teure Milliardenprojekte wie "Stuttgard 21" bauen will. Aber das dünn besiedelte Mecklenburg ist für den neoliberal umstrukturierten Konzern eben nur eine ökonomische Nebensache.


Szczecin
Szczecin (450.000 EW) empfängt uns ebenfalls regnerisch. Unter dem trüben Grau des dicht bewölkten Himmels wirken die Häuser Polens viertgrößter Stadt trist und abweisend. Dass Szczecin keine Schönheit ist, zeigt sich vor allem bei Regenwetter. Zu unserem Hotel sind es nur zwei Kilometer. Und da wir die Strecke bereits gut kennen, beziehen wir eine Viertelstunde später unser Zimmerchen im Hotel Campanile. Die Räder kommen in einem abgeschlossenen Raum in der Tiefgarage sicher unter.

Während des obligatorischen Ganges durch die Stadt lässt uns der Regen unbehelligt. Da wir die Szczecin schon recht gut kennen, begnügen wir uns mit einem kurzen Bummel durch das Zentrum. Abendessen gibt′s in einem Schnellimbiss (Pommes mit Ketchup), für weitere Speisen und Getränke konsultieren wir vertrauensvoll die Dependancen von Biedronka und Żabka (der kleine "Froschladen", bis spätabends geöffnet und mit besonders großer Auswahl an teils sehr starken Bieren).


Szczecin, Hauptbahnhof


Szczecin, Impression


Szczecin, Blick aus Hotelfenster

Mit der polnischen Bahn nach Danzig

Gut ausgeschlafen stehen wir um kurz vor 10 Uhr auf Gleis 3 des Stettiner Hauptbahnhofs. Es ist einiges los, denn der Zug ist eine wichtige polnische West-Ost-Verbindung und fährt vom westpommerschen Szczecin bis nach Białystock kurz vor der Grenze zu Weißrussland. Der Zug rollt ein. Nun muss schnell das Fahrradabteil gefunden werden. Diesmal befindet es sich nicht ganz vorne oder hinten am Zug, sondern mittendrin. Zum Glück schaut Claudi genau hin und erspäht das kleine Fahrradsymbol an einem der Wagons. Alles Weitere ist einfach: Räder samt Gepäck ins Abteil wuchten und mit Spanngurten befestigen. Platz ist genug im großzügig bemessenen Abteil, außerdem sind wir die einzigen Radler im Zug.


Danzig
Gegen 14 Uhr erreichen wir den Großraum von Trójmiasto, der Dreistadt aus Gdynia, Sopot und Danzig. Mit über 800.000 Einwohnern bezeichnet man sie zuweilen auch als zweitgrößte Stadt Polens, was allerdings etwas hinkt - schließlich sind es immer noch drei unabhängige Städte. Der Großraum beginnt allerdings schon vor den Toren Gdynias in Rumia. Hier ist es mit jeder Beschaulichkeit vorbei, alles ist in der Hand der Industrie. Will heißen, dass die wenig erbauliche Ästhetik schier endloser Industriegebiete und Geschäfte die Landschaft dominiert.

Die Industriegebiete gehen nahtlos in Gdynia über, wo sie sich in endlose Hafenanlagen verwandeln. Diese zeichnen sich als lange Reihen von Kränen am Horizont ab. Dazwischen immer wieder Wohngebiete mit Plattenbauten und Wohnhochhäusern. Auch Gdynia ist eher funktional als schön und trotzdem eine der reichsten Städte Polens.


Danzig, Alststadt


Danzig
Unser Zug hält nun sehr häufig. Mal an Haltestellen, mal einfach so auf der Strecke. Hier im Flaschenhals des Ballungsraums ist wohl allerhand los. Auch steigen immer mehr Leute zu und es wird voll im Fahrradabteil. Über eine halbe Stunde bummelt der Zug die zehn Kilometer zwischen Gdynia und Danzig Hauptbahnhof entlang. Da hätte man auch das Rad nehmen können, denke ich. Allerdings ist der Verkehr in Trójmiasto auch nicht ohne.

Endlich angekommen, ist der Rest ein Kinderspiel. Schnell ist die Straße gefunden, in der unser Appartement liegt. Stutzig werden erst, weil sich hinter der Hausnummer ein ganz gewöhnlicher Wohnblock verbirgt. Nichts deutet auf ein Hotel oder ähnliches hin, im Gegenteil. Trotzdem gehen wir hinein, und siehe da - oben wohnt der Eigentümer einer anderen Wohnung, die er als Appartement vermietet. Und dieses erweist sich als wahrer Glücksgriff: Eine komplett möblierte Wohnung mit Küche, Wohnzimmer, Schlafzimmer, Bad und Balkon, in nur fünf Gehminuten von Danzigs Altstadt entfernt. Dazu ein Biedronka und Żabka in unmittelbarer Nähe - besser kann man in Danzig kaum unterkommen.

Und während wir am späten Nachmittag durch die pittoreske Altstadt Danzigs bummeln, lugt ein fast in Vergessenheit geratener Bekannter aus den Wolkenlücken hervor, die Sonne!


Auf der Wisła (Weichsel)

Danzig - Malbork (Marienburg)

[85 km]


Die Weichselfähre
Heute soll es mit Malbork ins ehemalige Ostpreußen gehen. Der Freistaat Danzig reichte zu Weimarer Zeiten bis ans Westufer des Nogat - und Malbork liegt auf der östlichen Seite.

Doch erst einmal müssen wir aus Danzig herauskommen. Und das ist nicht allzu einfach. Über die Elblaska verlassen wir die Stadt nach Osten. Der Name deutet an, dass es sich hier um eine Ausfallstraße handelt, die sich zur dicken E77 entwickelt und Danzig mit Elblag verbindet. Und so etwas bedeutet für den Radfahrer zumeist Stress. Zum Glück gibt es mal Radwege, mal Seitenstreifen, die uns vom Verkehr trennen.


Ab und zu gibt′s auch Radwege
Doch dann die Herausforderung: Irgendwann überquert die Straße Gleisanlagen. Die Brücke wurde wohl neu angelegt, und die Fahrbahn ist für Radfahrer offizielle Tabuzone. Auf der linken Seite gibt es eine Art Mehrzweckpfad, der wohl die Alternativstrecke für Radfahrer sein soll. Dieser aber endet abrupt vor einer hohen Leitplanke vor dem Zubringer zu einer autobahnähnlichen Straße.

Hier wurde die Verkehrsplanung offensichtlich nicht zu Ende gedacht, die Fahrbahn für Radler gesperrt, aber kein Ersatzweg zur Verfügung gestellt. So bleibt uns nichts anderes übrig, als die schweren Räder über die hüfthohe Leitplanke zu wuchten. Was durchaus gefährlich ist, denn auf der anderen Seite zweigt der Zubringer ab.


Die Marienburg
Von dieser Fehlplanung mal abgesehen, verläuft der Rest der Etappe sehr angenehm. Auf einem Deich geht es anschließend nach Sobieszewo, wo auf einer rumpeligen Brücke ein Seitenarm der Weichsel überquert wird. Weiter radeln wir durch jede Menge Danziger Vororte bis hin zum Hauptarm der Weichsel. Erst hier endet dann auch endlich mal das Danziger Stadtgebiet. Für uns ist hier eine Zwangspause angesagt. Es gibt keine Brücke über den recht mächtigen Strom, sondern eine altertümlich wirkende Fähre. Sie verkehrt alle halbe Stunde und kostet für uns beide zehn Złoty - ein stolzer Preis für zwei bescheidene Radler.

Weiter geht es, fast ausschließlich über kleine Landstraßen, bis nach Malbork. In Ostaszewo machen wir Rast und lassen uns auf den Treppenstufen eines Skłep Bier und Limonade schmecken. Skłep bedeutet soviel wie "Einkaufsladen", von denen es selbst in kleinsten Dörfern einen gibt. Polen ist nicht wie Deutschland von den ewig gleichen Discounterfilialen überzogen, die sich nur dort ansiedeln, wo es sich lohnt. Fast jede Ortschaft hat dort ihren Einkaufsladen, in dem es Dinge des täglichen Bedarfs gibt. Hier muss man also nicht unterwegs verhungern, wenn die Reise nur durch Dörfer geht (ist mir in Mecklenburg einmal passiert, kein Witz).


Die Marienburg
Das erste, was wir von Malbork sehen, ist die riesige Marienburg. Das aber nur, weil wir von Nordwesten kommen. Kämen wir aus südlicher Richtung, wären es Plattenbauten. Wobei wir schon beim Thema wären: Malbork hat außer der Marienburg nicht viel zu bieten. Es ist sogar eine ziemlich gesichtslose Stadt, bei der sich die Plattenbausiedlungen der Peripherie bis ins Innere auszubreiten scheinen. Letzteres besteht lediglich aus der Ul. Kościuszki, in der auch die (recht gute) Touristeninformationen residiert. Aber auch diese Straße hat alles andere als Flair.

Dafür beherbergt sie an ihrem Anfang eine ganz besondere Attraktion, den Stadtplatz mit seinem Brunnen und dem König-Kasimir-Denkmal. Zu bestimmten Zeiten tanzen die Fontänen des Brunnes, dazu plärrt krächzige Musik aus rundum montierten Quäk-Lautsprechern. Muss man sich wirklich nicht antun.


Der Stadtplatz mit dem Brunnen
Ansonsten ist Malbork eine eher belanglose Stadt ohne Charme und Atmosphäre. Gäbe es nicht die Marienburg, kaum ein Reiseführer würde sie erwähnen. Aber auch das weltgrößte Backsteingebäude, ehemaliger Sitz des Hochmeisters des Deutschen Ritterordens, ist nur für Fans von Ritterburgen interessant. Weil es für eine Besichtigung schon zu spät ist, begnügen wir uns mit einem Rundgang um das doch recht imposante Gebäude. Passend zur tristen Innenstadt Malborks verzieht sich der Himmel und lässt es regnen.




Die Marienburg


Malbork

Malbork - Elbląg - Frombork

[90 km]


Unterwegs auf fragwürdigen Wegen
Man darf Landkarten nicht immer vertrauen. Zumindest nicht unserer vom Höfer-Verlag. Um uns die verkehrsreiche 22 zu ersparen, verlassen wir Malbork auf der 515 nach Süden. Wenige Kilometer hinter dem Ortsausgang würden wir dann über kleine Landsträßchen in nordöstlicher Richtung auf Elblag zuradeln. So jedenfalls die Routenplanung anhand besagter Landkarte. Doch Stichstraßen nach Osten gibt es nicht. Nach sieben Kilometern versuchen wir unser Glück in der ersten Abzweigung. Wir folgen einem üblen Kolonnenweg, landen schließlich in einem Kaff. Endstation, weiter geht es nicht. Also umkehren, zurück nach Malbork und rauf die gefährliche 22. Siebzehn Kilometer umsonst geradelt - danke, Höfer-Verlag.


Auch Kolonnenwege sind dabei
Sobald es vertretbar ist, verlassen wir die 22. Ganz einfach ist das nicht. Stets müssen wir damit rechnen, wieder im Nirgendwo zu landen. Weil unsere Landkarte unzuverlässig ist und die Beschilderung im polnischen Hinterland oft zu wünschen übrig lässt. Irgendwann finden wir aber doch einige brauchbare Nebenwege, die uns bis nach Elbląg bringen.

Die 120.000 Einwohner zählende Stadt ist die zweitgrößte der Woiwodschaft Ermland-Masuren. Es gab eine Zeit, da war sie bedeutender als Danzig. Doch die Danziger sorgten mit Sabotageaktion dafür, dass der Elblągs Zugang zum Frischen Haff versandete. Und so begann ihr Stern zu sinken.


Elbląg
Wir legen in Elbląg eine Pause ein, denn wir müssen uns für die Wysoczyzna Elbląska (Elbinger Höhe) stärken. Dieser Ausläufer des Baltischen Höhenrückens steigt schon im nördlichen Teil der Stadt an und erreicht Höhen bis an die 200 Meter über NN. Knapp 30 Kilometer Berg- und Talfahrt liegen noch vor uns. Und die dichten Wolken verheißen nichts Gutes.

Radfahrtechnisch ist die Wysoczyzna Elbląska nicht schlimm. Mal geht es für ein paar Hundert Meter bergauf, dann wieder bergab usw. Einzig der Elbinger Berufsverkehr macht uns das Radeln auf der schmalen 504 anfangs schwer. Ab Piastowo lässt dieser langsam nach, dafür nimmt der Regen zu. Irgendwann wird aus dem Regen ein Wolkenbruch, eine Bushaltestelle gewährt uns Zuflucht.


Wolkenbruch über den Elbinger Höhen
Während wir in Frombork einrollen, scheint sogar die Sonne. Wie es sich für diese Kopernikus-Stadt gehört, quartieren wir uns im Hotel Kopernik ein, dem ersten Haus am Platz. Klingt nach teurem Zimmer, ist mit drei Sternen aber relativ erschwinglich. Sicher gibt es günstigere Unterkünfte. Aber auf den schönen Blick auf die Schlosskirche wollen wir nicht verzichten.

Frombork (Frauenburg) ist eine ausgesprochen schöne Stadt. Direkt am Frischen Haff gelegen, wird ihre Handvoll Straßenzüge von der imposanten Schlosskirche überragt. Der Größe nach würde der Bau in eine Großstadt passen, für den kleinen Ort wirkt er reichlich überdimensioniert. Aber genau dieses Missverhältnis macht den eigentümlichen Reiz des Städtchens aus. Diese Kulisse dürfte für viele ostpreussische Flüchtlinge eine unvergessliche Erinnerung gewesen sein, als sie sich im Winter 1944/45 über das zugefrorene Frische Haff in Richtung Nehrung bewegten. Unzählige Menschen fanden dabei den Tod. Ein kleiner Gedenkstein in der Nähe des Hafens erinnert daran.

Zwei ganze Tage verbringen wir in Frombork, weil unser Russisches Visum noch nicht gültig ist. Zeit genug, um die Schlosskirche, das Nikolaus Copernikus Museum und Heiliggeist-Hospital zu besuchen.


Frombork, Mole


Frombork, Schlosskirche


Blick über das Frische Haff


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Texte © Frank Spatzier 2013, Fotos © Frank Spatzier / Claudia Santamaria-Spatzier 2013