Russland (Kaliningradskaja Oblast′): Svetlogorsk, Rybatschij

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Svetlogorsk, Strandpromenade

Svetlogorsk: Gartenstadt für Reiche


Villen und hohe Zäune
Schon zu preußischer Zeit war das Seebad Rauschen an der samländischen Ostseeküste eine Perle. Und geändert hat sich daran auch bis heute wenig. In Rauschen, also Svetlogorsk, kommen drei wesentliche Faktoren zusammen: eine steile Ostseeküste, viel Wald und feiner Sandstrand.

Obwohl Svetlogorsk über eine große Menge an Unterkünften verfügt, die ein Mehrfaches seiner Einwohnerzahl fassen können, wirkt es keinesfalls wie eine organische oder gar überladene Stadt. Das Seebad ist eher eine größere Gartensiedlung, deren Gebäude sich auf weitläufigen Waldgrundstücken verteilen. Grün ist die dominierende Farbe, aus der hie und da die verborgenen Fassaden verwunschener Villen hervorlugen.


Hotel Lazur
Ein Idyll, das leider einen Makel hat - nämlich die offensichtliche Konzentration von Reichtum samt seiner argwöhnischen Einhegung durch hohe Zäune. Wohnt das weniger betuchte Volk in Kaliningrader Wohnblocks ohne Außenputz, bewirtschaftet der russische Geldadel seine teuren Wochenendvillen im lauschigen Svetlogorsk. Auch Russland hat es nicht hinbekommen, die positiven Aspekte des Kommunismus zu bewahren und ein politisches System mit weitgehender sozialer Gleichheit zu etablieren. Ganz im Sinne des globalen neoliberalen Mainstreams und als Folge von Boris Jelzins Privatisierungspolitik zeigt sich das heutige Russland als Land mit einer eklatanten sozialen Kluft.


Unser Hotelzimmer
Dennoch ist Svetlogorsk ein sehr angenehmes Städtchen mit viel Wald und guter Luft. Auch die Seepromenade, die in den unteren Etagen der Steilküste liegt, lädt durchaus zum Verweilen ein. Es gibt auffällig wenig touristischen Nepp, und selbst die in dieser Region unvermeidlichen Verkaufsstände mit Bernsteinartikeln halten sich in engen Grenzen. Allerdings ist jetzt, Mitte Juni, noch Vorsaison. Viele Geschäfte haben noch nicht geöffnet, und in Svetlogorsks Einkaufsmeile werden viele Läden noch für die Hauptsaison vorbereitet.

Apropos einkaufen, das ist in Svetlogorsk nicht unbedingt einfach - zumindest wenn es sich um Lebensmittel handelt. Und Svetlogorsk I, denn die Stadt ist eigentlich zweigeteilt: Svetlogorsk I ist die Hälfte ohne die Villen im Grünen, Svetlogorsk II das eigentliche Seebad. In letzterem gibt es keine herkömmlichen Selbstbedienungs-Supermärkte, sondern Läden mit langen Tresen und Verkaufspersonal, das die Waren auf Wunsch anreicht. Keine gute Sache bei fehlenden Russischkenntnissen. Zum Glück gibt es in Svetlogorsk I einen herkömmlichen Supermarkt, in dem wir uns mit allem Nötigen versorgen können.


Vorbereitungen für die Hauptsaison
Und was tut man so in Svetlogorsk? Man legt sich an den Strand und genießt die Sonne. Genau das machen wir, denn das Wetter ist mehr als einladend. Und da Vorsaison ist, gibt es auch kein Gedränge am Strand. Und so liegen wir in der Sonne, trinken russisches Bier (besonders gut: "Ostmark" aus Kaliningrad) und lassen es uns gut gehen. Dazu gibt es Knabberstangen und Dosenoliven aus dem Supermarkt. Lecker.




Das alte Warmbad


Seepromenade (mit Fahrstuhlturm für die Beinlahmen)


Kurische Nehrung, Russischer Teil

[80 km]

Eine Autobahn ist nicht nur für Autos gut
Ausnahmsweise ist das Wetter einmal schlecht. Nicht wirklich, also ohne Regen oder Sturm. Aber es ist dicht bewölkt und ziemlich kühl. Kein Vergleich zum Vortag, als die Sonne bei sehr sommerlichen Temperaturen vom Himmel brannte. Schon erstaunlich, wie schnell sich die Luft im Frühsommer abkühlen kann, wenn Land- und Wassermassen noch untertemperiert sind. Zum Glück konnten wir den gestrigen Sommertag am Strand genießen - zum Radfahren nach Rybatschij genügt auch bewölktes Mängelwetter.

Unsere heutige Route ist denkbar einfach: Erst geht es von Svetlogorsk nach Zelenogradsk, dem zweiten berühmten Seebad an der samländischen Ostseeküste. Von dort dann weiter über die Nehrungsstraße bis Rybatschij, dem ehemaligen Rossitten auf der Kurischen Nehrung.

Das Besondere: Von Svetlogorsk nach Zelenogradsk nehmen wir die Autobahn. In Russland kein Problem, denn es ist nicht verboten, auf dem Randstreifen zu fahren. Und der ist so großzügig bemessen, so dass selbst zwei Radfahrer bequem nebeneinander radeln können. Auch der Verkehr hält sich in engen Grenzen, was diesen Abschnitt recht angenehm macht. Autobahnen können also auch für Radfahrer Vorteile haben.


Zelenogradsk


Blick auf die Ostsee (KurischeNehrung)
Kurz vor Zelenogradsk ist dann leider Schluss mit der bequemen Betonpiste. In das ehemalige Seebad Cranz geht es auf einer etwas holprigen Landstraße. Zelenograskd bedeutet soviel wie "Grüne Stadt", was so gar nicht auf die vielen Appartementhochhäuser passen will. Als Haus-Seeband der Kaliningrader wird hier fleißig gebaut, was der kleinen Stadt jegliche Atmosphäre raubt. Wir widmen der Ortschaft keinen zusätzlichen Aufenthalt, sondern radeln gleich auf den Abzweig zur Nehrungsstraße.

Nach wenigen Kilometern kommt der Kontrollpunkt zum Nationalpark Kurische Nehrung. Autofahrer müssen hier eine Gebühr entrichten, wir dürfen kostenlos die Kurische Nehrung befahren. Es wird häufig behauptet, dass der russische Teil der Nehrung wilder, romantischer und melancholischer wirke, als der litauische. Da ist durchaus etwas dran, denn die Nehrungsstraße windet sich durch einen dichten Mischwald. Weder Haff noch Ostsee sind zu erblicken, nur dichter Wald. Dennoch gibt es in regelmäßigen Abständen Stichwege zum Wasser. An einem davon machen wir einen kleinen Abstecher an die Ostsee, um auf der Steilküste unsere Nasen in die frische Brise zu halten.


Strandpromenade Lesnoj, Ostsee
In Lesnoj machen wir einen ersten Stopp. Das frühere Sarkau ist der einzige Ort auf der Nehrung, der vom Haff bis an die Ostseeküste reicht. Letztere ist wegen ihres raueren Klimas fast unbesiedelt, alle weiteren Ortschaften liegen am wärmeren und windgeschützten Haff. Weil Lesnoj eine Strandpromenade an der Ostsee zu bieten hat, suchen wir dort nach einem ruhigen Plätzchen. Doch es ist so windig und gemütlich, dass wir uns lieber wieder auf die Räder schwingen.

Weiter geht es über die Nehrungsstraße, die abschnittsweise recht kurvig verläuft. Auch die Vegetation ändert sich; mal umgibt uns der dichte Mischwald, dann wieder lockerer Fichtenwald. Gelegentlich sind in Dünen zu erkennen.


Alte Kirche von Rybatschij (Rossiten)
In Rybatschij schließlich machen wir uns erstmal auf die Suche nach einer Unterkunft. Das ehemalige Rossiten hat sich seit früher nur wenig verändert. Hier ist die Dorfstruktur aus ostpreußischer Zeit weitgehend erhalten geblieben. Wir finden sogar noch die alte Schule und die Kirche, beide sogar unbeschädigt.

Wie in Russland wohl üblich, ist auch hier das Hotel nicht einfach zu finden. In diesem Falle hört es auf den Namen Atrimo und ist mit drei Sternen angeblich das beste Haus der Umgebung. Ablesen lässt sich das am stolzen Zimmerpreis von fast 100 Euro pro Nacht. Dennoch scheint man im Atrimo der Sparfuchs umzugehen: ein Hotelschild fehlt und im Bad das Abflussrohr des Waschbeckens. Egal, dann putzen wir uns halt die Zähne unter der Dusche. Davon abgesehen logiert es sich in den Räumen der ehemaligen deutschen Jugendherberge sehr angenehm. Das Kurische Haff liegt kaum einen Steinwurf von unserem Zimmer entfernt. Sein leises Rauschen wiegt uns sanft in den Schlaf.

Bevor es am nächsten Tag weitergeht, schauen wir uns noch Rybatschijs Sehenswürdigkeiten an. Da wäre zum einen die Düne Müllers Höhe, die mit ihren 43 Metern zu den höchsten der Nehrung zählt. Man hat einen schönen Rundweg durch das Naturschutzgebiet angelegt. Leider sind alle Hinweistafeln auf Russisch. Auf der Düne gibt es zwei Aussichtstürme, einen kleinen und einen großem. Letzterer ist eine dünne Stahlkonstruktion mit steiler Außenleiter und eine Herausforderung für die Nerven. Claudi schafft es als einzige von uns beiden bis auf die kleine Aussichtsplattform. Ich passe auf halbem Weg und schaue mir den Turm lieber von unten an. Zum anderen gibt es den Möwenbruch, den größten Süßwassersee der Nehrung. Er ist ein ideales Brutgebiet für alle möglichen Vogelarten. Leider ist sein Wasser durch die Abwässer Rybatschijs von keiner guten Qualität.


Prost auf Müllers Höhe!

Claudia auf der windigen Aussichtsplattform (Müllers Höhe)

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Texte © Frank Spatzier 2013, Fotos © Frank Spatzier / Claudia Santamaria-Spatzier 2013