Palanga (Litauen), Liepāja (Lettland)

Weitere Fotos am Ende der Seite


Palanga, Seebrücke

Raus aus Ostpreußen: Šilutė - Klaipėda - Palanga

[93 km]

Die Minja
Heute verlassen wir das alte Ostpreussen und radeln nach Palanga. Litauens berühmtestes Seebad befindet sich etwa zwölf Kilometer nördlich von Nemirseta (Nimmersatt), wo sich früher die Grenze zu Russland befand. Nimmersatt war damit die nördlichste Ortschaft des Deutschen Reichs und lag mit 55° 52′ nördlicher Breite einen guten Breitengrad nördlicher als Flensburg.

Doch bevor wir dorthin kommen, müssen wir erst einmal Klaipėda erreichen - womit uns keine allzu leichte Aufgabe bevorsteht. Trotzdem fängt die Etappe gut an. Über eine frisch asphaltierte Straße geht es vorbei an ausgedehnten Mooren und durch dichte Wälder in das hübsche Städtchen Kintai. Von dort an verlassen wir die bequeme Straße und rollen über einen unschönen Schotterweg durch dichte Wäler entlang der Haffküste. Beschilderungen sind hier sehr rar, was uns kilometerlange Sorgen bereitet. Auf andere Gedanken bringen wollen uns dagegen ein paar Pferdebremsen.


Der König-Wilhelm-Kanal bei Dreverna
In Dreverna haben wir dann endlich wieder Asphalt unter den Laufrädern. Am Ortsgang machen wir einen kleinen Stopp König-Wilhelm-Kanal. Er wurde 1873 fertiggestellt und verband den Atmata und Minge mit dem Memeler Tief. Idee war, das gefährliche Windenburger Eck am Haff für die Schifffahrt zu vermeiden. Doch viel Verkehr herrschte nie auf dem Kanal. Heute ist er ein stehendes Gewässer.

Nach Priekule ist dann Schluss mit Lustig. Mitten im Ort nimmt der Verkehr nach Klaipėda sprunghaft zu. Für anderthalb Kilometer können wir uns noch auf einem Radweg verstecken, dann müssen wir rauf auf die verkehrsreiche Straße 141. In Dituva nimmt sie autobahnähnliche Ausmaße an. Dadurch erhält sie aber auch zwei Fahrspuren in jede Richtung sowie einen kleinen Seitenstreifen, was das Radeln nicht ganz so stressig macht.


Palanga
Zwanzig Minuten später taucht am Horizont schließlich Klaipėda auf. Oder vielmehr eine riesige Ansammlung trister Betonklötze, umgeben von Fabrikhallen und Industriebetrieben. Genau dorthin biegen wir ab und befinden uns wieder auf dem Europaradweg R10. Der ist auch noch einen Kilometer lang beschildert, bevor wir irgendwo in der litauischen Hafenstadt stranden.

Sprichwörtlich planlos, denn einen Stadtplan haben wir nicht. Brauchen wir auch nicht, die Orientierung ist nicht allzu schwer. Wir folgen einer der Hauptstraßen in nördlicher Richtung und können damit nicht viel falsch machen. Die Straßenverhältnisse sind allerdings weniger spaßig. Es gibt sogar in den Radgebieten häufig Radwege. Ihr Zustand lässt sich bestens als "improvisiert" beschreiben.

Endlich kommen die Hochhäuser des Zentrums in Sicht. In der Altstadt machen wir eine Rast und essen in unserem Stammlokal noch eine Portion fritiertes Brost mit Knoblauch. Dann radeln wir weiter nach Norden und treffen dabei auch wieder auf die Beschilderung des R10.


Palanga: Religionskitsch im Botanischen Garten
Ab hier beginnt dann das Radlerparadies in Form eines wunderschönen Radweges, der entlang der Ostseeküste bis nach Palanga führt - fern ab von jeglichem Autoverkehr, nur durch Wälder und Küstenwiesen. Herrlich.

In Palanga beziehen wir unser Hotel und verleben anschließend drei schöne Tage in Litauens wichtigstem Seebad. Besonders gerne bummeln wir über die J. Basanaviciaus Gatve, Palangas Fußgängerpromenade. Hier reiht sich ein Lokal an das andere, was die Auswahl selbst für uns Veganer so sehr erhöht, dass wir auch kulinarisch auf unsere Kosten kommen. Und das Beste: Vodka wird nicht in deutschen Miniportionen zu 2 cl angeboten, sondern los geht es erst ab 5 cl. Als ich gefragt werde, ob ich nicht auch 10 cl trinken möchte, sage ich gerne ja. Für umgerechnet drei Euro auch ein preiswertes Vergnügen.

Fazit: Palanga ist zumindest in der Nebensaison eine sehenswerte, angenehme und unterhaltsame Stadt, in der man viel Spaß haben kann. Weniger sehenswert ist dagegen das 12 Kilometer nördliche gelegene Šventoji, das recht gesichtlos und spröde daherkommt. Eine Kuriosität: Der R10 wird hier allen Ernstes über eine sehr enge Hängebrücke sowie durch unbefahrbare Sandwege geführt. Spricht auch nicht gerade für das Kaff.


Palanga, Promenade


Palanga: Fahrradparkplatz auf der Promenade


Gepflegte Langeweile in Šventoji

Die letzte Etappe: Palanga (LT) - Liepāja (LV) - Fähre nach Lübeck

[90 km]


Selbst in Nähe der Innenstadt sind gibt es Schotterwege
Weil unsere Fähre nach Lübeck in Liepāja ablegt, müssen wir nach Lettland. Keine Frage, ginge es nach uns, würden wir noch mindestens bis nach St. Petersburg radeln. Ohne mit der Wimper zu zucken. Doch die Zwänge des bürgerlichen Lebens in einer kapitalistischen und auf Lohnarbeit aufgebauten Gesellschaft machen eine Heimkehr nötig. Leider, leider.

Also packen wir ein letztes Mal unsere Sachen und machen uns auf den Weg ins nördliche Nachbarland. Und das bei besten Bedingungen - die Sonne scheint und der Wind bläst von hinten.








Liepāja wirkt vielerorts sehr ärmlich


Ortseingang
Die Etappe ist denkbar einfach: Mangels Alternativen beradeln wir einfach die Fernstraße zwischen beiden Städten. In Litauen hört sie auf den Namen A13, in Lettland auf A11. Mit dem deutschen Autobahn-A hat das aber nichts zu tun, beide Straßen sind bestenfalls mittlere Landstraßen. Auch der Verkehr hält sich in sehr erträglichen Grenzen, so dass wir über längere Strecken nebeneinander fahren können.

An der lettischen Grenze ändert sich plötzlich der Fahrbahnbelag. Nun ist es vorbei mit dem glatten Asphalt. Es folgt der für lettische Straßen typische Flickenteppich aus groben Ausbesserungen, Schlaglöchern und anderen Unebenheiten. Kurzum, es holtert und poltert, rüttelt und wackelt. Trotzdem, auf der A11 ist kaum was los, und dazu scheint die Sonne.

Der Zustand der A11 liefert in gewisser Weise einen Vorgeschmack auf Liepāja. Denn die drittgrößte Stadt Lettlands überrascht uns mit einem erstaunlich ärmlichen Erscheinungsbild. Selbst in unmittelbarer Nähe zur Innenstadt sind viele Straßen nicht asphaltiert. Und die Bausubstanz präsentiert Zerfall in unterschiedlichsten Varianten. Während die kleine Innenstadt selbst durchaus passabel aussieht, geht es dahinter wieder rau und hässlich zu. In der Nähe des Hafens dominieren schließlich bröckelnde Wohnblocks der Marke DepriHeim. Im Unterschied zum hochglanzpolierten Riga ist Liepāja eher die lettische Lebensrealität.


Impression
Nun müssen wir Zeit totschlagen. Unsere Fähre legt erst um vier Uhr früh ab, auf′s Schiff können wir ab 1.30 Uhr. Was also tun in einer Stadt wie Liepāja? Erstmal einchecken am Hafen, ein leckeres Bier in der Abendsonne genießen, dann zurück ins Zentrum. Dort machen wir uns auf die Suche nach einem Restaurant. Unser Vorhaben: stundenlanges Bauch-Vollschlagen. Wir werden fündig, können sogar draußen an einem Stadtplatz sitzen. Aber auch hier zeigt sich die Armut Lettlands. Die Menschen könnten ihrer Kleidung, ihrer Frisur und ihrem Habitus nach gut nach Berlin-Marzahn passen. Hier ist putzt sich niemand mehr heraus.

Um 23 Uhr müssen wir gehen, das Restaurant macht zu. Die letzten Stunden dösen wir noch im Wartesaal des Fährterminals vor uns hin, dann geht es rauf aufs Schiff. Es folgen anderthalb Tage mit bester Ostseesicht - unsere Außenkabine hat ein riesiges Außenfenster. Und wenn man von den Kojen aus nach draußen gucken kann, braucht man die Kabine nur zu verlassen, um im Dutyfreeshop einzukaufen. Welch ein Luxus.


Liepāja

Wer will bei einer solchen Kabine schon auf Deck?

Einfahrt in die Trave (Lübeck-Travemünde)

Highslide-Galerie: Auf Bilder klicken und dann Navigationsleiste in der Großansicht nutzen!


Nächster Abschnitt


Alle Inhalte © Frank Spatzier 2013, Fotos © Frank Spatzier / Claudia Santamaria-Spatzier 2013