spatzier.net

Service-Navigation


Radreise Südskandinavien 2005 (Tag 1 - 4)

Tag 1: Lübeck-Marli - Sütel

85,76 Km, Vav 14,6 km/h, Gesamtkilometer: 85,76 km, Wetter: sehr warm und sonnig

Das Wetter zeigte sich von seiner besten Seite, als ich das bepackte Rad aus dem Keller vor das Haus schleppte. Über dem Hinterrad hingen zwei prall gefüllte Satteltaschen nebst Zelt, Isomatte und Schlafsack, an den Lowridern am Vorderrad weitere zwei Taschen, vollgefüllt mit weiteren unentbehrlichen Sachen.

Bis ich nach all den letzten Erledigungen vor meiner langen Abwesenheit endlich los kam, war es Mittag geworden. Mein Plan, am ersten Tag schon Puttgarden zu erreichen, wurde damit hinfällig. Statt dessen fasste ich Sütel ins Auge, weil ich vor einiger Zeit schonmal auf dem hiesigen Campingplatz gewesen war.

Die ersten Meter auf dem vollgeladenen Rad erwiesen sich erwartungsgemäß als wackelige Angelegenheit, aber die Gewöhnung an das neue Fahrgefühl ging schnell vonstatten. Wenn man erst mal sitzt und fährt, fallen die zusätzlichen Kilos nicht mehr übermäßig auf. Zunächst radelte ich zu Claudia in die Firma und ließ mich fotografieren - ein letztes Mal vor der langen Fahrt. Vielleicht kann man ja nach der Tortur feststellen, dass ich mich in irgend einer Weise körperlich verändert habe - hoffentlich zu meinen Gunsten.


Letztes Foto vor der Abfahrt

Anschließend radelte ich über Bad Schwartau auf die B 207 und dann auf dem vorbildlichen Radweg über Neustadt i.H. nach Sütel. Das erste von vielen folgenden Malen baute ich das Zelt auf einer schönen und völlig freien Rasenfläche auf dem Süteler Campingplatz auf, der außerhalb dieser Rasenfläche im wesentlichen den Dauercampern gehört. So erklärt es sich auch, dass Gäste in zwei Kategorien eingeteilt werden, zumindest was den Zugang zu Duschen und Toiletten angeht. Jeder hat seine ihm zugedachten Örtlichkeiten, und mit Hilfe eines Magnetschlüssels sollte ich die für mich bestimmten öffnen können. Leider erst am späteren Abend, als die Rezeption geschlossen hatte, stellte ich fest, dass ich mit meinem Schlüssel so gut wie nichts öffnen konnte. Das zwang mich, zu improvisieren. Und nebenbei machte es den nicht gerade billigen und typisch deutschen Campingplatz zum einzigen auf der gesamten Reise, auf dem ich keinen Zugang zu wesentlichen sanitären Einrichtungen hatte. Peinlich für Sütel, unangenehm für mich, schlecht für ein Becken zum Händewaschen.
Dafür besuchte mich am Abend Claudia, brachte einen Picknickkorb mit und schlief die Nacht bei mir im Zelt. Ein schöner Abschied.

Tag 2: Sütel - Puttgarden - Tappernøje (DK)

119,39 Km, Gesamtkilometer: 205,15 km, Wetter: mäßig warm, sonnig bis bewölkt, abends kurze Regenschauer

Weil Claudia zur Arbeit musste, brach sie früh auf. Ohne zu frühstücken baute ich das Zelt ab und verstaute all die vielen Dinge, von denen möglichst keines verloren gehen sollte, wieder in den Packtaschen. Auf die Morgentoilette musste ich verzichten, da ja mein Magnetschlüssel keine entsprechende Tür öffnete und die Rezeption noch nicht geöffnet hatte. Kaum zu glauben, dass man einen solchen High-Tech Campingplatz ungewaschen verlassen muss. Fazit: Nie wieder Sütel.

Um 7.30 Uhr war ich bereits unterwegs in Richtung Fehmarn. Der Radweg, der über die Fehmarnsund-Brücke führt, lässt sich ohne Detailkenntnisse nur schwer finden. Will man sein Leben nicht auf der B 207 riskieren, muss man bei Großenbrode die Bundesstraße auf einer Brücke überqueren und einen Radweg durch die Felder nehmen. Durch ein Gatter kommt man dann auf den beradelbaren Fussweg über die Brücke.

Anschließend durchquerte ich die trostlos wirkende Insel und kaufte mir in der Hauptstadt Burg eine (KFZ-)Straßenkarte für Dänemark. Das Wetter hatte sich verschlechtert und die Wolken sowie der Wind unterstrichen die eigenwillige Atmosphäre Fehmarns. Am Nachmittag erreichte ich den Fährhafen in Puttgarden, der - passend zur Insel - ebenfalls mit atmosphärischer Eintönigkeit glänzte. Ich reihte mich in die Schlange ein, kaufte für stolze 10 Euro ein Ticket und war wenig später auf der Fähre. Das Rad konnte hier praktisch nicht verzurrt werden.


Blick von der Fähre auf Fehmarn

Dänisches Inselhopping

Rødbyhavn besteht eigentlich nur aus dem Fährhafen und ein paar zusätzlichen Häusern. Es wirkte ähnlich karg wie Puttgarden. Über vorbildliche Radwege ging es entlang der 153 nach Maribo, einem wenig attraktiven Industriestädtchen, und von dort weiter nach Skakskøbing, das auch nicht viel mehr hermachte. Über die zuweilen schnurgerade 173 radelte ich in das schäbig wirkende Guldborg und erreichte über die ebenso schäbige Guldborgsund-Brücke die Insel Falster. Es galt nun, die nördliche Ecke dieser Insel auf der schnurgeraden 153 zu durchmessen. Die Straße führte durch eintöniges Agrarland, war aber mit einem separaten Radweg ausgestattet und stieg im letzten Drittel merklich an. Kurz vor der Storstrømsbroen füllte ich meine Wasserflaschen an einem gut ausgestatteten Rastplatz auf (übrigens dem einzigen mit Trinkwasser auf der gesamten Reise) und überquerte etwas später die mehrere Kilometer lange Brücke, der man ihr fortgeschrittenes Alter ansah. Das Wasser der Ostsee roch übel.

Vordingborg, die erste Stadt auf der Insel Sjaelland, empfing mich mit hässlichen Industriegebieten. In der gemütlich wirkenden Innenstadt verlor ich aufgrund der unstimmigen Radwegführung die Orientierung und folgte erfolgreich meinem Instinkt. Hier kann auch mit dem Vorurteil aufgeräumt werden, Dänemark sei ein flaches Land. Zuweilen gab es kurze Steigungen von an die 13%, die selbst im kleinsten Gang noch schwer zu bewältigen waren.

Nach kurzer Suche fand ich die Fernstraße 151, über die ich weiter nach Norden fahren wollte. Leider hörten ab hier die so vorbildlichen straßenbegleitenden Radwege auf. Über Nebenstrecken wurden Fernrouten für Radfahrer ausgewiesen, wobei mir jedoch unklar war, welche Umwege in Kauf zu nehmen wären. Also blieb ich auf der 151, wo ich mich bei lebensgefährlichem Verkehr durch hügeliges Auf und Ab quälte. Die Kollegen von der Kraftfahrer-Fraktion fielen hier durch eine besonders ausgeprägte Rücksichtslosigkeit auf. Zur Fahrausbildung jedes KFZ-Führers sollte eine obligatorische Radfahrt entlang einer solchen Straße gehören!

Kurz bevor ich nach wenigen Kilometern in Erwägung zog, auf ruhigere Nebenstrecken auszuweichen, begann wieder ein rettender Radweg. Wie zum Hohn für den Radler endete er nach wenigen Metern und entließ mich wieder in den ungesunden Ernst des Verkehrslebens. Zum Glück blieb mir ein etwas breiterer Seitenstreifen, auf dem ich unversehrt nach Tappernøje kam, dem Ort mit dem Campingplatz. Dieser war fast leer und angenehm zum Übernachten.



Auf der Storstrømbroen, Blick nach Vordingborg



Auf der Storstrømbroen, Blick zurück nach Falster

Tag 3: Tappernøje - Kopenhagen - Naerum (111,13 Km)

111,13 Km, Gesamtkilometer: 316,28 km, Wetter: mäßig warm, sehr windig, bewölkt, später aufgelockert

Bei heftigem Wind nach Kopenhagen

Ich schlief bis 8.00 Uhr und kam nach der morgendlichen Abbauprozedur eine knappe Stunde später los. Das Wetter zeigte sich von seiner ungemütlicheren, man möchte fast sagen nordischen Seite. Unter einem stark bewölkten Himmel fegten unschöne Windböen durch die Gegend und versüßten das Radfahren durch eine verstärkte Luftbremsung. Ich folgte der 151 durch hügeliges Terrain. Bei jeder waldlosen Fläche galt es, dem von der Seite heranblasenden Wind zu begegnen und die Spur zu halten. Der Seitenstreifen war auf Minimalbreite geschrumpft und der so starke wie auch rücksichtslose Verkehr würzte die Situation mit einer gehörigen Portion Lebensgefahr. Hierbei tat sich vor allem der Schwerlastverkehr besonders eifrig hervor.

Bei Dalby hatte ich schließlich Schnauze und Hosen voll. Ich bog in die nächste Nebenstraße ein und fand schnell den ausgeschilderten Rad-Fernweg Nr. 56 in Richtung Køge. Fortan ging es durch winzige Dörfer in die seeländische Provinz - zwar nicht auf direktem Wege, dafür ohne Lebensgefahr. Zum Glück war die Beschilderung vollständig. Nicht auszudenken, wenn ein Wegweiser gefehlt hätte... Die Landschaft wirkte zuweilen heideartig und erinnerte manchmal schwach an lappländisches Fjell. Bei allem blieb mir der starke Wind ein treuer Begleiter.

In Køge durchquerte ich das schöne Stadtzentrum mitsamt der hübsch hergerichteten Einkaufsmeile und verließ die Stadt auf der 151 in Richtung Kopenhagen - diesmal wieder auf einem begleitenden Radweg. Ich radelte durch die end- und gesichtslosen Vororte der dänischen Hauptstadt, die sich wie an einer Perlenschnur lückenlos aneinanderreihen und irgendwann einmal, ohne das man es merkt, in Kopenhagen übergehen. Jedenfalls befand ich mich am frühen Nachmittag plötzlich in Frederiksberg und gleich darauf am Kopenhagener Zoo, also fast mitten in der Stadt


Rathausplatz in Kopenhagen


Kopenhagens Tivoli


Könnte auch in Hamburg sein...

Per Intuition durch die dänische Hauptstadt

Es ist, untertrieben ausgedrückt, ein strategischer Nachteil, sich in einer Stadt wie Kopenhagen ohne Stadtplan zurechtfinden zu wollen. Man kann es aber auch als Herausforderung an Intuition und Orientierungssinn auffassen, die zudem noch durch die Tatsache gesteigert wird, dass es in Kopenhagen so gut wie keine Wegweiser für Fernziele gibt. Weder für Autos noch für Radfahrer. Also ließ ich mich treiben, folgte ab dem Zoo willkürlich einem passend erscheinenden Radweg. Es ging bergab und ich hielt es für wahrscheinlich, dass mich der Weg in Richtung Meer führen würde. Dort, so nahm ich an, würde ich die Fortsetzung der 151 finden. Diese fand ich zwar nicht, dafür kam ich ins Stadtzentrum zu Tivoli und Hauptbahnhof. Nebenbei entdeckte ich einen winzigen Wegweiser in Richtung Helsingør und folgte ihm dankbar. Leider bestätigte sich schnell mein Verdacht, dass er den Verkehr zur zuständigen Autobahn leitete. Aber immerhin war ich wieder ein Stück weiter gekommen. Zufällig fand ich in der Nähe der Auffahrt einen weiteren Puzzlestein für das erfolgreiche Verlassen der Stadt und gelangte schwer gestresst, vorbei an der schmucken Tuborg-Zentrale, zur rettenden 152.

Der Norden Kopenhagens unterscheidet sich stark vom Süden. Hier wohnen vermehrt wohlhabende Leute, und anstelle gesichtsloser Vororte findet man hier luftige Villengebiete. Über den Øresund bieten sich überall tolle Ausblicke hinüber nach Schweden. Wohl damit genug Platz für die dicken Limousinen der reichen Dänen bleibt, löst sich der Radweg kurz hinter Klampenberg in Wohlgefallen auf. Der Wind blies hier wieder unerbittlich von vorn und die Strecke wurde zunehmend hügeliger.

Ab Skodsberg folgte ich dem Wegweiser zum CP in Naerum, was mich noch eine abschließende Bergüberfahrt kostete. Naerum ist ein gesichtsloser Vorort Kopenhagens und der CP liegt an der Autobahn unter Hochspannungsleitungen. Dafür ist er mit 14 Euro sehr teuer, was sich allenfalls durch die sehr guten Serviceeinrichtungen halbwegs rechtfertigt. Zwischen einer dänischen Jugendgruppe und einem einsamen Deutschen verbrachte ich eine feinstaubgeschwängerte und elektrosmoggeladene Nacht.

Tag 4: Naerum - Ängelholm (S) (87,93 Km)

87,93 Km, Gesamtkilometer: 404,21erst mäßig warm und windig, dann sonnig bis heiß km, Wetter: mäßig warm, sehr windig, bewölkt, später aufgelockert

Dänische Fahrrad-Irrwege

Nach dem Aufstehen frühstückte ich warm, um die Küche des teuren CP möglichst ausgiebig zu nutzen. Gegen 10.00 Uhr radelte ich los in Richtung Helsingør. Um die verkehrsreiche und radweglose 152 zu umgehen, befuhr ich den ausgeschilderten Fern-Radweg nach Helsingør, der auf den ersten Kilometern fast ausschließlich den Bahnschienen folgt. Die Qualität des Radweges war zuweilen haarsträubend, zudem gab es teils groteske Steigungen und Gefälle. Ärgerlicher als das war allerdings die mangelhafte Beschilderung - sie löste sich bei Hørsholm urplötzlich in Wohlgefallen auf.

Der Radweg mündete kommentarlos in eine größere Straße und überließ mich meinem Schicksal. Meine Intuition führte mich durch schöne Schloss- und Parkanalgen oberhalb des Ortszentrums. Schließlich fand ich einen Wegweiser zur rettenden 152, fuhr Ewigkeiten in diese Richtung und bog schließlich in einen weiteren Bahn-Begleitweg bis Kokkedal ein. Ein wenig später begann das gleiche Spielchen mit der Suche nach seiner Fortsetzung. Mit Glück fand ich den Anschluss zum gut ausgebauten Radweg nach Nivå. Verärgert wegen der miesen Beschilderung, die mich zusätzliche Kilometer und Zeit kostete, fuhr ich in Nivå wieder auf die Fernstraße 152, die ab dort wieder mit einem begleitenden Radweg gesegnet war.

Musste ich ab Naerum im wesentlichen durch wenig attraktive bis trostlose Ortschaften und Wohngebiete fahren, änderte sich in den Vororten Helsingørs des Bild gewaltig zum Positiven. Über den Øresund, der eher wie eine breiter Fluss als wie ein Teil der Ostsee wirkt, fiel mein Blick auf Schweden. Für laue 18 Dkr (ca. 2,50 EUR) kaufte ich ein Fährticket und landete ein wenig später im schwedischen Helsingborg.



Blick über den Øresund nach Helsingborg, Schweden



Sattgrüne Felder bei Skoghus

Bei Kaiserwetter nach Ängelholm

Bei der Ankunft in Helsingborg geschah Erstaunliches: das bisher noch recht bewölkte Wetter vollzog eine Wendung und die Sonne begann heiss aus dem blauen Himmel zu strahlen. Helsingborg (105.000 EW) ist eine recht große Stadt mit angenehmer Atmosphäre und schönen Bauten. Im warmen Wetter herrschte ein fast mediteranes Ambiente. Für mich als Durchreisendem auf dem Rad galt aber wieder einmal, ohne Stadtplan und in richtiger Richtung die Stadt zu verlassen. Auf kleinen Nebenstraßen radelte ich über Allerum, Skoghus und Bjökeröd durch Agrar- und Waldgebiete, die irgendwie ein besonders sattes und tiefes Grün ausstrahlten.

Auf dem breiten Seitenstreifen der Fernstraße 112 näherte ich mich mit hohem Tempo Ängelholm. Die Stadt hat ein nettes Zentrum mit rechteckigem Marktplatz. Der CP liegt ein wenig abseits in einem großen Freizeitarreal am Meer, ist gut durchorganisiert und recht groß. Gegen Abend gesellten sich schwedische Jugendliche auf die Zeltfläche und begannen, den Vorabend des Midsommartages mit schlechter Musik und dünnem Bier zu feiern. Ich ärgerte mich über den lauten und nervigen CP und beschloss, das nächste Mal lieber wild zu campen.

Route

  • Tage 1 - 4


Alle Inhalte © Frank Spatzier 2007