spatzier.net

Service-Navigation


Radreise Südskandinavien 2005 (Tag 5 - 8)

Tag 5: Ängelholm - Ljungby (123,40 Km)

123,40 Km, Vav 14,6 km/h, Gesamtkilometer: 527,61 km, Wetter: kaum bewölkt und sommerlich warm bis heiß

Als ich mein Zelt abbaute und das Rad bepackte, lagen die jungen schwedischen Krachmacher noch in ihren Schlafsäcken. Andere, die sich später dazu gesellt hatten, waren schon wach und tranken zu diesmal leiserer Discomusik Energydrinks. Froh, diesen lauten und nervig Platz verlassen zu können, radelte ich los. Das Wetter zeigte sich von seiner allerbesten Seite, was einzig meine sonnenverbrannten Arme bedauerten. Bis Munka-Ljungby kreuzte ich auf kleinen Nebenwegen durch weite Felder und nahm dann die 114 in Richtung Örkeljunga. Um entspannter radeln zu können, bog ich in Lärkeröd auf eine Nebenstraße ab und bekam prompt die Rechnung dafür präsentiert. Für die nächsten Kilometer galt es, einige Ausläufer des Hallandsåsen (ein Höhenzug) zu überqueren. Nach dieser sportlichen Einlage mündete die Straße in die Fernstraße 24, die ich kurz darauf in Richtung Hishult verließ.

Ab dort wurde das Reiseradeln zum wahren Vergnügen. Die kaum befahrene und schnurgerade Nebenstraße führte durch weitgehend flache schwedische Bilderbuchlandschaften. Ausgedehnte Waldgebiete und hineingestreute falunrote Gehöfte verbreiteten eine anheimelnde Stimmung, das Sommerwetter tat sein Übriges. Weiter ging es über Knäred, Vivlunga nach Hinneryd, wobei die Straßenqualität ab der Grenze zur Provinz Kronoberg deutlich schlechter wurde. Die Ortschaften, die eher weit zerstreuten Siedlungen glichen, waren wie ausgestorben. Kein Mensch war zu sehen, was wohl am Midsommarfest lag.

Langsam ging mir das Trinkwasser aus. Ich stand vor einem Versorgungsproblem, denn die wenigen Geschäfte in dieser ländlichen Gegend hatten wegen des schwedischen Hauptfestes geschlossen. Ich erwog, Trinkwasser mit Hilfe meines Wasserfilters aus einem Gewässer zu gewinnen. Allerdings fand ich keinen passenden Bach oder See, bzw. war zu faul, vom Rad zu steigen. Also fuhr ich durstig weiter.

Hinter Nöttja unterquerte ich die E4 und radelte über die sehr gut ausgebaute E4-Parallelstrecke (E4-N, mit Radweg) nach Ljungby (14.000 EW). An einer Raststätte kaufte ich dann endlich Mineralwasser und radelte anschließend durch die wie ausgestorben wirkende Stadt, die in der späten Nachmittagssonne vor sich hin döste.



Schnurgerade Straße in Bilderbuch-Schweden

Ein gefundenes Fressen für die Mücken

Ljungby ist eine höchstens mäßig interessante Stadt mit ausgedehnten Industriegebieten. Das änderte sich auch nicht dadurch, dass an Midsommar kein Mensch auf den Straßen war. Angesichts der lärmigen Erfahrungen in Ängelholm hatte ich keine Lust, eine weitere Nacht zwischen trinkenden Schweden zu verbringen und machte mich auf die Suche nach einem lauschigen Plätzchen zum wilden Campen. Etwas nördlich der Stadt wurde ich fündig. In einer kleinen Waldlichtung, die nur durch einige kaum mehr benutzte Forstwege zugänglich war, baute ich mein Heim für diese Nacht auf. Erst unbemerkt, dann mit zunehmender Penetranz attackierten mich dabei unzählige Mücken. Die letzten Handgriffe vollführte ich in fortgeschrittener Hektik, bevor ich mich ins Zelt flüchtete und den rettenden Reißverschluss zuzog. Dafür verbrachte ich eine ruhige Nacht. Einzig einige Gewehrschüsse in der weiteren Umgebung sorgten ab und zu für ein wenig Besorgnis.

Tag 6: Ljungby - Sävsjö (93,02 Km)

93,02 Km, Gesamtkilometer: 620,62 km, Wetter:Dauerregen bis zum Nachmittag, dann sonnig und mäßig warm. Nachts sehr kalt.

Fahrt im Dauerregen

Gleich nach dem Aufwachen vernahm ich im Zelt die einem Radreisenden wohl am meisten verhassten Geräusche: Regenprasseln auf der Zeltplane. Was noch im gestrigen Hochsommerwetter ausgeschlossen erschien, war eingetreten - ein Wettersturz. Regen ist besonders am Morgen lästig, weil zum einen das Zelt beim Abbau nass werden kann und zum anderen die Aussicht auf einen verregneten Reisetag auf dem Rad keine besonders gute Motivationsquelle darstellt. Ich blieb zunächst liegen und wartete eine Regenpause ab. Bei dem Zelt handelte es sich um ein Kuppelzelt, bei dessen Abbau zuerst das Aussenzelt entfernt werden muss und das Innenzelt vorübergehend ungeschützt den klimatischen Unbilden ausgesetzt ist. Im Gegensatz zu einem Tunnelzelt kann also der Auf- und Abbau bei Regen ein nasses Innenzelt zur Folge haben. Und wer will schon in einer feuchten Wohnung schlafen?

Irgendwann kam schließlich die erhoffte Regenpause. Ich hatte bereits alles für den schnellen Abbau vorbereitet, schlüpfte ins Freie und entfernte das Aussenzelt. Wie auf Knopfdruck begann es wieder zu regnen. Binnen Sekunden öffneten sich die Schleusen und das Innenzelt wurde durchtränkt. Verärgert verzurrte ich den Kram auf dem Rad und machte mich auf den Weg in den Regen. Zum Frühstück besorgte ich mir in einem Supermarkt in Lagan ein Stück Briekäse und aß ihn elend am Straßenrand. Dann machte ich mich auf den Weg über die E4-N nach Värnamo.

Nach einigen Kilometern stellte sich heraus, dass ich die falsche Bekleidungsstrategie gewählt hatte. Über meine kurze Sporthose hatte ich eine Regen-Überhose gezogen und am Oberkörper trug ich eine Regenjacke mit Kapuze. Die Kapuze wurde mir bei höherem Tempo regelmäßig vom Kopf geweht, weil ich sie nicht richtig verschnüren konnte. Zog ich die Schnur fester zu, rutschte das blöde Ding über meine Augen. Natürlich war mir klar, dass man eine solche Kapuze nur in Verbindung mit einer darunterliegenden Kappe gut zuziehen kann. Aber meine schöne Kappe war mir nördlich von Kopenhagen von einer Windböe in die Ostsee geweht worden. Also nahm ich irgendwann die Kapuze ab und zog nasse Haare dem ständigen Kapuzenärger vor.

Die billige Regenhose lies zwar keinen Regen an meine Beine, dafür aber auch keinen Schweiss in die Luft. Das Ergebnis war wiederum Nässe, so dass ich die Überhose auch hätte weglassen können. Mein Fazit: bei Regen und einigermaßen warmen Temperaturen fährt man besser ohne Regenhose. Haut trocknet immer noch am schnellsten, und solange man nicht auskühlt, hat man nichts zu befürchten.

Auf der Straße nach Värnamo traf ich schließlich meine ersten Radreise-Kollegen. Das holländische Pärchen war auf dem Weg zu einer Umrundung der kompletten Ostsee inklusive des Bottnischen Meerbusens. Um auf ihre angestrebten 140 bis 160 täglichen Streckenkilometer zu kommen, mussten sie ein hohes Durchschnittstempo einhalten. Nach einem kurzen Plausch lies ich sie davonfahren. Ein wenig später durchquerte ich das luftig wirkende Värnamo, die schwedische Design-Hauptstadt.

Auf der zunächst beängstigend großen 137 verließ ich Värnamo in Richtung Vrigstad und Sävsjö. Die restlichen Kilometer gingen durch das beständige Auf und Ab des småländischen Berglandes. Langen Anstiegen folgten ausgedehnte Abfahrten, zwischendurch ging es auch mal durch langweilige Ebenen. Dafür aber hatte es aufgehört zu regnen. Der Himmel klarte auf und die Wolken verschwanden immer mehr. Als ich gegen Nachmittag in Sävsjö eintraf, machte ich zunächst Station an einem größeren Supermarkt und versorgte mich mit Lebensmitteln und schwedischem Dünnbier. Dann quartierte ich mich im CP Sävsjö ein, der südlich der Stadt an einem kleinen See liegt, sehr ruhig, sauber und gemütlich ist. Am Abend staunte ich nicht schlecht, als der sehr freundliche Betreiber eine (kostenlose) Isokanne voller Kaffee für den nächsten Morgen und Infomaterial ans Zelt brachte. In der Nacht sank die Temperatur bis runter auf 5°C und ich musste meine zwei Schlafsäcke (einen leichten Sommerschlafsack sowie einen Fleece-Schlafsack) ineinander stecken, um nicht zu erfrieren.



Nach dem Regen: schönes Campen in Sävsjö

Tag 7: Ruhetag in Sävsjö (4,53 Km)

4,53 Km, Gesamtkilometer: 625,15 km, Wetter: mäßig warm und wechselnd wolkig, abends und nachts kalt (ca. 5°C)

Ab und an einen Ruhetag einzulegen, ist bei einer längeren Radreise empfehlenswert. Weil es auf dem Campingplatz (CP) in Sävsjö so gemütlich war und das Städtchen selbst einen sympathischen Eindruck machte, entschied ich spontan, meinen Körper hier zu regenerieren. Den Vormittag verbrachte ich mit Lesen und dem Zubereiten warmer Speisen. Am Nachmittag radelte ich ins Zentrum der småländischen Kleinstadt und kaufte einige Lebensmittel ein, u.a. auch Chips und leckere schwedische Schokolade. Wieder zurück im Zelt, aß ich beides auf und fühlte mich anschließend ein wenig schlecht. Danach stand die Fahrradwartung auf dem Programm, die hauptsächlich aus dem Ölen der beweglichen Teile und dem Kontrollieren der Speichenspannung bestand. Auf die Mitnahme von Ersatzspeichen hatte ich verzichtet, weil ein Speichenbruch im Hinterrad ohnehin den Besuch einer Werkstatt nötig gemacht hätte. Die beste Garantie gegen einen solchen Defekt sind gut eingespeichte Laufräder und eine regelmäßige Kontrolle der Speichenspannung mit Hilfe eines Speichenschlüssels.

Am späten Nachmittag zogen Wolken auf und es wurde recht windig. Die Wolken verschwanden am Abend wieder und empfindliche Kälte zog auf. Wieder musste ich mit langer Hose in meine beiden (dünnen) Schlafsäcke kriechen und wachte nachts ein paar mal frierend auf.



Abendliche Stimmung auf dem Campingplatz Sävsjö

Tag 8: Sävsjö - Mariannelund (125,36 Km)

125,36 Km, Gesamtkilometer: 750,51 Wetter: wolkig, windig und kühl; gegen Abend aufgeklart

Im Astrid Lindgren - Land

Die Entscheidung, von Hultsfred aus nach Mariannelund zu fahren, war eine navigatorische Fehlentscheidung, da ich so von meiner Idealroute abwich und mir einige Zusatzkilometer und -berge einhandelte. Grund dafür war das Ende der Landkarte und meine Unlust, die Anschlusskarte auszubreiten. Dafür bekam ich die Gelegenheit, das Michelort Lönneberga zu sehen. Lönneberga liegt an der 127 zwischen Hultsfred und Mariannelund und besteht im wesentlichen aus einigen tristen Häusern längs der Hauptstraße. Nichts deutete auf Lindgrens Romanheld hin. Und nicht einmal eine besondere Idylle oder Beschaulichkeit könnte man diesem öden Kaff bescheinigen. Positiv muss daher festgestellt werden, dass hier kein blindwütiger Vermarktungswahn ausgebrochen ist, wie er anderorts nur allzu oft seine Blüten treibt.

Zwanzig Kilometer später erreichte ich schließlich Mariannelund und quartierte mich im etwas abseits gelegenen Campingplatz ein. Dieser liegt in der Nähe der Fernstraße 33 an einem See unterhalb der Stadt und fiel vor allem dadurch auf, dass man fast alle der schäbigen Serviceeinrichtungen nur gegen Münzeinwurf benutzen konnte. So kochte ich mein Süppchen auf dem mitgebrachten Spiritusbrenner und schaute dem Treiben der vielen deutschen Touristen zu, die sich hier wohl wegen Astrid Lindgrens Erbe versammelt hatten.



Nebenstraße in der Nähe von Hultsfred

Route

  • Tage 5 - 8


Alle Inhalte © Frank Spatzier 2005