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Radreise Südskandinavien 2005 (Tag 17 - 21)

Tag 18: Helsinki, Kyrkslätt - Hanko

101 Km, Gesamtkilometer: 1330,99 km, Wetter: erst regnerisch und mäßig warm, dann heiter und wärmer

Crash-Sightseeing in HelsinkiNachdem gegen Acht Uhr das Wecksignal in unserer Luxus-Couchette ertönt war, schälte ich mich als erster aus der Koje. Langsam wurden auch meine zwei Mitreisenden wach. Marty, der Kanadier, erzählte mir verkatert, dass die Schweden wegen ihrer Alkoholpolitik nicht mehr alle Tassen im Schrank hätten. Bei aller Sympathie für dieses Land konnte ich da nicht so recht widersprechen. Ich zog mich an und ging an Deck, um nach dem Wetter zu sehen. Wie durch die Vorhersage erwartet, blies mir stürmischer und kalter Wind entgegen. Vorn auf Deck konnte man kaum stehen. Der Himmel hing voller dicker Wolken und es hatte geregnet. Schade, dachte ich, das war's erstmal mit dem skandinavischen Hochsommer.

Als die Autodecks freigegeben wurden, ging ich zu meinem Rad und stellte mit Erleichterung fest, dass alles heil und vollständig war. Gespannt wartete ich auf das Öffnen der großen Ladeklappe. Ein paar Minuten später stand ich orientierungslos irgendwo am Hafen von Helsinki und überlegte, was ich nun in der Stadt machen sollte. Ich entschied mich für eine kurze intuitive Sightseeingtour auf dem Rad, fuhr also recht planlos umher. Das mag zwar für einen ambitionierten Reisenden dilettantisch erscheinen, ist aber nicht die schlechteste Methode, wenn es darum geht, den spezifischen Charakter einer fremden Stadt aufzunehmen. Und in dieser Hinsicht schnitt Helsinki einigermaßen gut ab. Keine Frage, an Stockholm reicht die finnische Hauptstadt nicht heran, sie wartet aber mit einer vollkommen anderen Architektur und einem ganz anderen, fast schon osteuropäischen Charakter auf. Dabei kam mir entgegen, dass Helsinkis City nicht besonders groß ist und durchaus viele schöne Seiten hat. Jedenfalls fühlte ich auch im finnischen Nieselregen sehr wohl.

Nach einigen Runden erreichte ich den berühmten Senatsplatz, der vom noch berühmteren Dom gekrönt wird. Das Ende meiner kurzen Stadtbesichtigung markierte der imposante Hauptbahnhof. Weil ich mich nicht durch das Straßengewirr aus der Stadt heraus quälen wollte, fragte ich im Bahnhof nach, ob ich samt Rad per Regionalbahn Helsinki verlassen könnte. Es ging. So wartete ich im Nieselregen auf den nächsten Zug nach Kyrkslätt und stellte dabei fest, dass Helsinki kurz hinter dem Bahnhof schon aufzuhören schien.


Erster Eindruck von Helsinki



Der Marktplatz



Bepacktes Reiserad vor dem Dom



Schöne Gasse (führt direkt auf den Senatsplatz zu)



Standardisierte Einkaufsmeile mit standardisierten Geschäften


Eine unsportliche Abkürzung und ab nach Hanko

Eine Radreise ist eine Radreise ist eine Radreise. Wenn man nicht anders kann, wie etwa bei der Überquerung von größeren Gewässern, soll man gefälligst das Rad benutzen. Der sportliche Gedanke verpflichtet dazu, alle befahrbaren Strecken auf dem Drahtesel zurückzulegen. Er verbietet aber etwa, das arme Rad in einen Zug zu verfrachten und samt Radler befördern zu lassen. Genau das jedoch habe ich getan. Zwar hatte ich mir in Stockholm einen Stadtplan von Helsinki besorgt um den Weg aus der Stadt heraus finden. Doch musste ich bei der Lektüre feststellen, dass mich ein solches Unterfangen viel Zeit und Nerven kosten würde. Helsinki kann am besten auf Autobahnen verlassen werden; wie es mit Fahrradwegen aussieht, steht auf einem anderen Blatt. Und so erinnerte ich mich an den Rat des finnischen Couchette-Genossen aus der Fähre, doch besser den ÖPNV zu benutzen.

Gedacht, getan. Im Hauptbahnhof besorgte ich mir eine Fahrkarte nach Masala, von dem ich annahm, schnell auf den Weg nach Hanko zu kommen. Als ich in den Zug stieg, erwies sich die Enge in den Abteil-Vorräumen als Ärgernis. Nur mit Mühe bekam ich mein Rad überhaupt hinein. Und bei jedem Halt musste ich es mühsam hin und her bugsieren, damit andere Fahrgäste ein- und aussteigen konnten. Meine unsportlichen Ambitionen erreichten einen unrühmlichen Höhepunkt, als ich auf dem Streckennetzplan erkennen konnte, dass mir die Fahrt bis zur Endhaltestelle einen beträchtlichen Teil meines Weges ersparen würde. Als der Schaffner kam, löste ich kurzerhand nach und fuhr so bis nach Kyrkslätt, wo ich schnell den Radweg an der Fernstraße 51 fand.

Meine Route führte zunächst über Inga und Karis nach Ekenäs. Anfangs war das Radeln ein reines Vergnügen. Auf guten Radwegen oder Seitenstreifen konnte ich selbst längere Strecken in recht hohem Tempo fahren (> 30 Km/h). Ab Karis, wo die Fernstraße 52 zu nehmen war, änderte sich das allerdings schlagartig. Der Seitenstreifen schrumpfte auf Minimalgröße, dafür nahm der LKW-Verkehr rapide zu. Vor allem russische Autotransporter brausten ständig an mir vorbei. Ab Ekenäs wurde die Landschaft zunehmend hügeliger und auch eintöniger. Fortan beherrschten langweilige Fichtenwälder das Bild. Vor dem Ortseingang nach Hanko erreichte ich schließlich den Campingplatz Silverstrand, mein Ziel. Weil aber gerade eine Regatta stattfand, musste ich gleich das ganze Wochenende buchen und 30 Euro berappen. Hätte ich nicht am folgenden Tag Claudi erwartet, hätte ich ob dieser Unverschämtheit lieber im Wald gepennt. Davon einmal abgesehen, war der Platz aber schön gelegen und halbwegs gut ausgestattet. Außerdem hatte sich das Wetter entscheidend gebessert.


Der Hauptbahnhof von Helsinki



Bahnhofsvorplatz



Sonnenuntergang in Hanko, aus dem Zelt heraus fotografiert

Tag 19: Hanko

38,80 Km, Gesamtkilometer: 1369,79 km, Wetter: heiter und warm

Dieser Tag war ein besonderer Tag, weil Claudi am Abend mit Fähre aus Rostock ankommen sollte. Samt ihrem Rad, versteht sich. Bei rundum schönem Wetter frühstückte ich erst und brach anschließend auf zu einer Fahrt in die Stadt Hanko. Hanko ist so ziemlich die südlichste Stadt Finnlands und wirkt wenig spektakulär. Es gibt im wesentlichen eine winzige Fußgängerzone, einen klobigen Leuchtturm, viele Supermärkte und natürlich den Fährhafen. Selbstredend mied ich bei meinem ersten Einkauf die Filiale des Menschenschinders Lidl und kaufte statt dessen in einem für mich namenlosen aber immerhin lokalen Supermarkt ein. Auf dem Rückweg fielen mir viele Jugendliche auf, die sich, ausgerüstet mit übergroßen Bier-Packungen, den schönen Seiten des süd-finnischen Lebens zuwendeten. Zurück auf dem Campingplatz bemerkte ich einen Schaden am Zelt und musste nochmal zurück in die Stadt, um in einem kleinen Handwerksladen Nadel & Faden zu besorgen. Ich war am Morgen schlaftrunken aus dem Innenzelt gestolpert, wobei sich eine Naht ein wenig gelöst hatte.

Nach dem Nähen wurde es dringend Zeit, zum Hafen zu radeln und Claudi abzuholen. Froh, sie endlich wieder bei mir zu haben, fuhren wir zum Campingplatz und verbrachten einen schönen, diesmal auch ersten Reiseabend zu zweit.


Hankos Hafen



Hankos Leuchtturm


Tag 20: Hanko - Salo (88,65 Km)

88,65 Km, Gesamtkilometer: 1458,44 km, Wetter: heiter und warm

Claudias erster Reisetag sollte sie vor eine harte Probe stellen. Nach dem Zeltabbau ging es bei schönem Wetter zunächst auf den breiten Seitenstreifen der Fernstraße 25. Es rollte sich ausgesprochen gut. Um den stärker befahrenen Rest der 25 zu meiden, bogen wir bei Lapphoja (Lappvik) auf eine Nebenstrecke ab, die uns immer entlang des Gennarbyviken bis Tennala (Tenhola) bringen sollte. Als die Straße dann irgendwann in einen besseren Schotterweg überging und zudem durch zermürbend hügeliges Gelände führte, wurde uns klar, dass wir uns mit dieser Routenwahl wohl doch keinen Gefallen getan hatten. Kurze, aber heftige Anstiege, ebensolche Abfahrten, Schlaglöcher, Kiesbelag und andere radunfreundliche Begebenheiten begleiteten uns fortan auf über 20 Kilometern.

Als wir in Tenhola auf die Fernstraße 52 trafen, bot uns diese zwar einen guten Fahrbahnbelag, aber fast keinen Seitenstreifen. Der schnelle und starke KFZ-Verkehr wurde so von einer nervigen Belastung zu einer nicht unerheblichen Gefährdung. Erst ab Perniö verbesserten sich die Bedingungen. Hier machten wir eine kurze Rast, kauften an einem Imbiss Eis und Wasser und machten uns auf den Weg nach Salo. Der Weg führte über hügelige, aber insgesamt erträgliche Strecken immer entlang der Fernstraße 52.

In Salo, einem zumindest auf den ersten Blick wenig interessant wirkenden Städtchen, irrten wir auf der Suche nach unserem Nachtquartier zunächst planlos herum. Es gab keine Beschilderung zum Campingplatz. Ein junger Jogger, der uns unsere Hilflosigkeit ansah, erklärte uns schließlich freundlich den Weg. Durch ein Industriegebiet erreichten wir gegen Abend den wunderschön auf einer Insel inmitten eines idyllischen Sees gelegenen CP. Ein schöner Abschluss nach einem anstrengenden Tag.


Kurz vor Beginn der Schotterstrecke



Ein Boots-Übergang zwischen zwei Seen



In der Nähe des Saloer CP


Tag 21: Salo - Turku (62,33 Km)

62,33 Km, Gesamtkilometer: 1520,77 km, Wetter: heiter und sehr warm

Eintöniges Finnland

Finnland ist nicht unbedingt das Land der imposanten Eindrücke, großartigen Panoramen und spektakulären Aussichten. Es ist eher ein sanftes Land, das eher durch gleichförmige und abwechslungsarme Geländeformationen zum Meditieren, Ausruhen und Entspannen einlädt. Was unter geruhsamen Reisebedingungen erwünscht sein kann, erweist sich für den Reiseradler zuweilen als lästig. Denn die Mühen des Radelns wollen durch unvergessliche Sinneseindrücke belohnt werden. Jedenfalls ist es immer willkommen, wenn von den Schmerzen in den unteren Extremitäten durch Stimulation der oberen Exremitäten ein wenig abgelenkt wird. Das südliche Finnland hatte diesbezüglich wenig beizutragen, denn unsere Route nach Turku führte fast ausnahmslos durch eintönige Waldlanschaften. Wir radelten auf dem in aller Regel sehr schmalen Seitenstreifen der Parallelstraße zur E1, immer durch hügeliges Auf und Ab.

Erst hinter Paimio wurde die Landschaft zusehends flacher und der verstädterte Großraum um Turku kündigte sich an. Ab Kaarina wurden wir sogar wieder mit einem eigenen Radweg verwöhnt, der jedoch zuweilen ungünstig bis unintelligent geführt war und erkennen lies, dass seine Planer wohl eher der KFZ-Fraktion angehörten.

Ein paar Kilometer später erreichten wird endlich Turku, das mit seinen 170.000 Einwohnern die fünftgrößte Stadt Finnlands ist. Auf den ersten Blick wirkte Turku wenig attraktiv. Und das galt sowohl für die Randgebiete als auch das Centrum, dessen tristes Ambiente von einem schmucklosen Marktplatz unterstrichen wurde. Weil wir nicht so weit vom Fährhafen entfernt schlafen wollten, gönnten wir uns den Luxus eines Hotels (für mich nach drei Wochen im Zelt die erste Nacht auf einem Bett in einem festen Gebäude...). In Sichtweite zum Fährableger verbrachten wir die Nacht in den gemütlichen Betten des Seaport - eine willkommene Abwechslung.


Straße nach Turku



Turku 1



Turku 2



Turku 3


Route

  • Tage 18 - 21


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