Radreise von Lübeck nach Białystok, Abschnitt 1: Lübeck - Berlin


Blick über den Schweriner See nach Schwerin

Lübeck - Berlin

Etappe 1, Lübeck - Schwerin (Raben-Steinfeld): 90,03 km

/ / 18 - 22 °C



Am Schweriner Schloss
Es ist ein komisches Gefühl, zuhause loszuradeln und zu wissen, es geht gen Osten. Weit gen Osten. Der Geist kommt auf den ersten Kilometern noch nicht so richtig klar damit. Routinewege bilden den Anfang einer großen Reise: Vorbei an Famila, dann kommt der Wesloer Forst, dahinter Schlutup und dann Selmsdorf. Dazwischen überqueren wir eine erste Landesgrenze und sind in Mecklenburg.

Das schöne Schönberg heißt nicht nur so, sondern kann tatsächlich mit einem sehr lauschigen Ortskern aufwarten. Alles sieht hier irgendwie anders aus als in Schleswig-Holstein. Man merkt man ist in Mecklenburg.

Nach einer ersten Mittagspause geht es weiter. Starke Regenschauer sorgen für Abwechslung. Wir radeln über Rehna, Köchelstorf, Dragun und Warnitz in die Landeshauptstadt Schwerin - die einzige übrigens in Deutschland, die keinen Großstadtstatus besitzt. Dass Schwerin deshalb klein sei, gehört ins Reich böser Legenden.


Zelten in Raben-Steinfeld
Wir dürfen die wunderschöne Stadt mit ihren immerhin 97.000 Einwohnern von West nach Ost komplett durchqueren. Unser Zelt aufschlagen müssen wir im Nachbarkaff Raben-Steinfeld, wo der Campingplatz Süduferperle liegt. Dieser liegt - nomen est omen - an der Südostspitze des Schweriner Sees, genau gegenüber dem Schweriner Schloss.

Jetzt in der Hauptsaison ist es hier schon ein wenig ungemütlich. Aber die Anzahl der Autos auf der Zeltwiese hält sich noch in Grenzen. Leider gibt es hier keine Bänke oder Tische für Radreisende. Unser Abendessen müssen wir auf einem Tuch am See zu uns nehmen. Und das für happige 15 €.




Die drei Schwestern


Regen

Etappe 2, Raben-Steinfeld - Plau am See: 85,58 km

/ 15 - 20 °C



Wegweisung
Die erste Nacht im Zelt war erfrischend und erholsam. Langsam verabschiedet sich der Alltag und die Reise ergreift Besitz von uns. Zusammenpacken und Zeltabbau sind eine elende Plackerei, an die wir uns gewöhnen müssen. Unten brodelt das Kaffeewasser auf dem Spiritusfeuer, oben verdichten sich Wolken und schicken Regen hinab. Wir müssen uns beeilen, bevor die Ausrüstung nass wird.

Im dichten Regen radeln wir los, die Laune könnte besser sein. Der Verkehrslärm der B 321 ist eine einzige Belästigung. Zum Glück biegen wir schnell nach Sukow ab, es folgen Göhren, Tramm und Raduhn. Ständig halten wir Ausschau nach einer überdachten Bank mit Tisch. Wir haben noch nicht gefrühstückt und brauchen ein trockenes Plätzchen zum Essen.

In Grebbin werden wir endlich fündig. Wir breiten unsere Leckereien aus und lassen es uns gutgehen. Ganz zufällig haben wir uns direkt neben der Warnowquelle niedergelassen. Das kleine Flüsschen blubbert als müdes Rinnsal unter einer hölzernen Ambosskulptur hervor und befüllt einen kleinen Teich. 147 Kilometer weiter nördlich mündet es in die Ostsee und kann von riesigen Hochseeschiffen befahren werden.

Die Warnowquelle


Eine Stunde später rollen wir durch das Städtchen Lübz, das vor allem durch seine Brauerei bekannt ist ("Lübzer"). Besonders attraktiv wirkt die Bierstadt allerdings nicht. Bis Plau müssen wir der B 191 folgen. Zum Glück gibt es einen Radweg. Und auch der Himmel reißt auf und lässt warme Sonnenstrahlen über die Landschaft streifen. Von Plau am See bekommen wir leider nicht viel mit, weil der Campingplatz "Zuruf" ein paar Kilometer weiter südlich liegt. Das ist schlecht für die Versorgung, da der nächste Supermarkt ebenso weit entfernt ist. Wenigstens gibt es hier eine Wiese für Radwanderer, sogar mit überdachtem Esstisch.


Mecklenburgische Allee


Plauer See

Etappe 3, Plau am See - Wittstock / Dosse: 43,68 km; dort drei Tage Krankenlager.

15 - 17 °C


Und wieder das gleiche Spielchen. Kaum sind wir aufgewacht, zieht sich der Himmel zu und schickt Regen auf die Erde. Schnell packen wir zusammen und machen uns auf den Weg in Richtung Berlin. Erreichen wollen wir Lindow, doch das liegt knappe einhundert Kilometer weiter im Süden. Und irgendwie fühle ich mich kränklich. Ziemlich kränklich sogar.

Bei strömendem Regen versuchen wir, Bad Stuer an der Südspitze des Sees zu erreichen. Es gibt einen beschilderten Rad- und Wanderweg, der sich aber schnell als dreiste Zumutung herausstellt. Ein matschiger Waldweg mit dicken Wurzeln und anderen Ärgernissen ist nicht gerade das, was Reiseradler brauchen. Das alles wird mit teils kräftigen Anstiegen garniert, was zusätzlich nervt. Da wir doch besser die radweglose Bundesstraße nehmen sollen.


Mieser Drecksweg zwischen Plau und Bad Stuer
Irgendwann landen wir auf einer Landstraße, die uns durch eintönige Felder führt. Und ehe wir uns versehen, sind wir in Brandenburg. Mit einem Schlag sehen die Dörfer wieder anders aus, irgendwie ursprünglicher und mit einem wohldosierten Hauch von Sprödigkeit versehen. In Freyenstein, das bereits zu Wittstock an der Dosse gehört, machen wir eine kleine Rast. In einer kleinen Kneipe trinken wir ein Bier und wärmen uns auf. Ich fröstele unverhältnismäßig und fühle mich elend.

Freyenstein hat ein bestens erhaltenes mittelalterliches Dorfbild inclusive einer Burg und einem Schloss. Betrübt radeln wir weiter durch den Regen. Schnell wird klar, dass wir es niemals bis Lindow schaffen werden. Weil es mir zunehmend schlechter geht, steuern wir Wittsock / Dosse an und suchen eine Unterkunft. Die Touristeninfo vermittelt uns ein schönes Privatzimmer, das für die nächsten Tage mein Krankenlager werden soll.

Am nächsten Tag liege ich mit Fieber und quälendem Husten im Bett. Selbst ein kurzer Spaziergang durch die idyllische Stadt mit ihren mittelalterlichen Bauten und ihrer gut erhaltenen Stadtmauer erschöpft mich. Trübe Aussichten, und Polen ist noch weit...


Freyenstein


Wittsock / Dosse, Marktplatz und Rathaus


Stadtmauer in Wittstock

Etappe 4, Wittstock / Dosse - Lindow: 63,64 km

/ 16 - 20 °C



Schloss Rheinsberg
Aus dem Krankenlager wurde zum Glück nicht mein Sterbebett. Nach drei Tagen Ruhe geht es mir wieder gut genug, um vorsichtig das Weiterradeln zu versuchen. Die restlichen sechzig Kilometer nach Lindow stehen heute auf dem Programm. Und sogar das Wetter sieht halbwegs gut aus.

Wir verlassen unsere schöne Pension und radeln über eine ruhige Landstraße durch Babitz und Schweinrich nach Zechlin. Links und rechts der Straße gibt es weite Heidelandschaften. Leider ist das Betreten lebensgefährlich, weil wohl noch Munitionsreste oder ähnlicher Kram aus ehemaligem Militärmissbrauch unter der Erde schlummern.

Brandenburgisches IdyllSchloss Rheinsberg


Das Schloss in Rheinsberg gibt eine prima Kulisse für die erste Bierpause des Tages ab. Ich bin zwar noch weit davon entfernt, gesund zu sein. Doch das Pausenbier lasse ich mir nicht vermiesen. Schon garnicht von einer lästigen Bronchitis. Die letzten Kilometer bis Lindow in der Mark Brandenburg verfliegen im Nieselregen.

Das malerische Lindow wird von Wutz-, Gudelack- und Vielitzsee liebevoll eingerahmt. Der Campingplatz am Gudelacksee ist in der Hochsaison weniger malerisch und gleicht einem Großparkplatz mit Übernachtungsmöglichkeiten. Dicht an dicht stehen Autos und Campingmobile, dazwischen ein paar Zelte und Sitzgarnituren. Ein Mann macht es sich auf einem Liegestuhl bequem und genießt die Aussicht auf die nächste Kühlerhaube. Es ist Wochenende im Autoland.

Zum Glück müssen wir unser Zelt nicht zwischen den eng geparkten Blechkisten aufstellen. Die Chefin weist uns einen relativ schönen Platz direkt am Seeufer zu. Wir müssen nur noch ein Gewitter mit fortgeschrittenem Wolkenbruch vorbeiziehen lassen, dann können wir unser Zelt aufbauen. Bis dahin stehen wir in Regenklamotten unter einem leidlich schützenden Baum. Einen Steinwurf dahinter liegt eine Front von stationären Campingmobilen mit Vorgärten. Niemand bittet uns ins Trockne. Deutschland halt.


Lindow, Sturzregen über dem Gudelacksee


Lindow


Lindow, Wutzsee

Etappe 5, Lindow - Berlin-Spandau: 81,16 km

/ 18 - 24 °C



Brandenburgische Landstraße
Heute soll es nach Berlin gehen. Doch wer in die Großstadt will, muss sich zuerst durch die Provinz quälen. Und in Brandenburg können in dieser schon einmal aus Landstraßen Waldwege führen. So landen wir südlich von Lindow hinter Seebeck mitten im Wald und kommen uns recht verloren vor. Nur gelbe und hochamtliche Wegweiser machen uns Mut, uns doch nicht verirrt zu haben.

In Großmutz haben wir dann endlich wieder Asphalt unter den Laufrädern. Wir radeln weiter ins Löwenberger Land, wo es auf den größeren Straßen langsam voller wird. Es ist Sonntag, und all die Ausflügler aus dem Ballungsraum Berlin sind auf ihren Heimwegen.

In Grüneberg weichen wir daher auf eine Nebenstrecke aus, die zudem schlecht ausgeschildert ist. Irgendwann landen wir auf einem matschigen Waldweg und sind heilfroh, als uns dieser auf eine passable Landstraße entlässt. Über einen wunderschön Asphaltierten Radweg (Neuholländer Weg) gleiten wir durch einen Wald ins Städtchen Malz. Das Schönste daran: Während der Radweg nagelneu und in einwandfreiem Zustand ist, ist die daneben gelegene Autofahrbahn nicht asphaltiert und eine elende Buckelpiste. So muss es sein!

Wegweisung


Je näher wir an Berlin kommen, desto schöner wird das Wetter. Aber noch haben wir uns die Vororte zu kämpfen, was uns dank einer recht guten Ausschilderung auch recht gut gelingt. Es geht durch Oranienburg und Velten nach Henningsdorf, das als Berliner Industrievorort fast schon abstoßend wirkt.

Um so schöner ist dafür an der Havel. Wir rollen über den Fuß- und Radweg, der den Fluß begleitet und passieren die Stadt- und Landesgrenze von Berlin. Noch ein paar Kilometerchen, dann haben wir unser Zeil erreicht, den Campingplatz Bürgerablage des Berliner Camping Club e.V. - der sogar ein Küchenzelt mit Sitzgarnituren, Kochstelle und Kühlschrank für Rad- und Rucksackreisende bereithält. Sehr lobenswert!


Neuholländer Weg: Toller Radweg neben Rüttelpiste für Blechkisten


Landesgrenze Berlin


An der Havel

Gesamtkilometer Etappen 1 - 5: 364,09

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