Radreise von Lübeck nach Białystok, Abschnitt 2: Berlin - Küstrin / Kostrzyn nad Odrą


An der Oder bei Letschin

Quer durch Berlin - Küstrin

Etappe 6, Berlin - Erkner: 60,66 km

18 - 26 °C



Die Havel bei Spandau
Der Tag der Großstadt. Einmal quer durch Berlin von West nach Ost, und zwar mittendurch. Das ist unser Plan für heute, der recht vielversprechend klingt. Das Wetter passt auch, die Sonne scheint und wärmt bereits am Morgen. Dank des Küchenzeltes können wir unseren Morgenkaffee gemütlich auf einer Sitzbank trinken und müssen das Wasser auch nicht mühsam über dem Spiritusbrenner erhitzen. Anschließend folgt das Packen.

Dank guter Radwege lässt sich selbst eine Großstadt wie Berlin bestens mit dem Fahrrad durchqueren. Und das sogar auf relativ abgelegenen Wegen, die in unserem Falle dem Berlin-Spandauer Schifffahrtskanal bis Berlin-Mitte folgen. So radeln wir bester Dinge mitten ins Herz der Millionenstadt, ohne tatsächlich allzu viel von ihr mitzukriegen.


Grüne Innenstadtwege


Gut, der Verkehrslärm ist in Berlin praktisch omnipräsent. Aber das Radeln entlang der gut ausgeschilderten Rad- und Wanderwege ist entspannend und kurzweilig. Am Invalidenfriedhof ist leider Schluss mit der Gemütlichkeit. Jetzt gilt es, schnell das touristenverseuchte Regierungsviertel mit Bundestag, Kanzlerinstall und Brandenburger Tor zu durchqueren.

Der Prachtboulevard Unter den Linden ist eine einzige Aneinanderreihung von Schaufensterfronten, dahinter hochglanzpolierte Protzwelten. Auch auf der Fahrbahn ist viel los. Genau hier, wo der Verkehr besonders nervig ist, gibt es keine Radwege oder -spuren. Schnell vorbei am Alexanderplatz und hinein in die Karl-Marx-Allee, die etwas später zur Frankfurter Allee wird.

Hier, wo zwischen Strausberger Platz und Frankfurter Tor die prächtigen Zuckerbäckerhäuser im Stile des Sozialistischen Klassizismus stehen, ist Berlin am schönsten. Zudem werden wir wieder mit einem breiten Radweg verwöhnt, der uns bis zum Ende der Stadt erhalten bleiben soll. Die Orientierung übernimmt ab jetzt das lange Asphaltband der Bundesstraße 1, die vom Berliner Zentrum fast schnurgerade bis an den Stadtrand führt.

..die ab und zu Autosschlangen kreuzen


Wir verlassen Mitte und sind schnell in Lichtenberg, wo die großen Plattenbausiedlungen beginnen. Es folgen Freidrichsfelde, Biesdorf und Kauslsdorf. Alles kleine ehemalige Dörfer, deren dörfliche Kerne noch heute gut zu erkennen sind. Irgendwann wurden sie vom expandierenden Berlin überrollt und sind heute die Zentren der Ostberliner Großsiedlungen des Bezirkes Marzahn-Hellersdorf.

In Alt-Biesdorf ist dieser Umstand besonders gut zu erkennen. Die alte Dorfkirche des Örtchens liegt auf einer Insel inmitten der Verkehrsader B1 und wird zu beiden Seiten von obszönen Verkehrsmassen umrauscht.

Auch in Biesdorf gönnen wir uns eine kleine Pause in einem gleichnamigen Einkaufszentrum, danach nehmen wir die letzten Kilometer Berlins unter die Räder. Mahlsdorf heißt der letzte Stadtteil in Berlins Osten, dann dünnt die Stadt merklich aus und ist mit einem Schlage vorbei. Nur der Verkehr rauscht unvermindert über die B1.

Mitte


In Dahlwitz gleich hinter der Landesgrenze verlässt uns nicht nur unser Radweg, sondern auch jegliche Wegweisung. Wir tasten uns durch den wenig attraktiven Ort und finden die Straße nach Münchetofte. Weiter geht es nach Schöneiche bei Berlin, das zusammen mit Woltersdorf eine riesige Schlaf-Vorstadt Berlins bildet. Es gibt kaum Orientierungsmarken und auch keine Wegweiser. Wir müssen uns Erniedrigen und tatsächlich Leute nach dem Weg fragen.

In der nächsten tristen Schlaf-Vorstadt Erkner finden wir endlich unser Quartier, den Zeltplatz der Naturfreunde Springenberg in einem Wäldchen am Flakensee. Viel ist hier nicht los, aber in der Nähe stehen unzählige Wohnmobile von Dauercampern. Über jedem davon ist ein riesiges Dach aus Plane gespannt, um die stationären Mobile von den Unbilden der Natur zu schützen. Irgendwie widersinnig.




Berlin-Kaulsdorf


Berlin-Mahlsdorf, dann ist Schluss mit Hauptstadt


...und tschüss!

Etappe 7, Erkner - Kostrzyn nad Odrą: 104,95 km

/ 17 - 20 °C



In der Nähe des Maxsees
Der Morgen ist kühl und dunkel. Eine dicke Wolkenschicht versperrt den Himmel und verbreitet eine irgendwie herbstliche Atmosphäre. Wir trinken unseren Kaffee in der Bäckerei eines Discounters. Die Frau hinterm Tresen kann kaum glauben, dass wir heute noch nach Küstrin radeln wollen.

Die Kleinstadt Erkner ist trist und langweilig, auch das Ortszentrum macht nicht viel her. Über Grünheide radeln wir nach Hoppegarten, wo wir auf einen kleinen Feldweg zum Maxsee abbiegen. Ein Risiko, da sich solche Wege nicht selten im Nirgendwo verlieren oder plötzlich die Beschilderung fehlt.

Und tatsächlich, gleich nach dem ersten und mit Erleichterung wahrgenommenen Wegweiser passiert nichts mehr. Eine Weggabelung bleibt ohne Information, wir müssen einen Pilzsammler fragen. Er rät uns vom Weg um den Maxsee ab, da dort überschwemmte Fischteiche den Weg weggespült hätten. Ein kleiner Umweg wird nötig - wenigstens führt er über eine schöne Fahrradstraße.

Verfahren...


Doch Brandenburg macht es uns heute nicht leicht. Müncheberg ist wegen einer Baustelle kaum mit dem Fahrrad zu erreichen. Seine Häuser wirken wie lieblos in die Märkische Erde gestreut, und einen Ortskern scheint es nicht zu geben. Mit Mühe finden wir einen müden Supermarkt für unser Päuschen.

Einen Ortskern hat Müncheberg dann doch, aber der befindet sich eher am östlichen Ende der Kleinstadt. Einen Schicksalsschlag haben wir noch zu verkraften. Zwischen den Käffern Trebnitz und Worin übersehen wir einen Wegweiser und landen in der Pampa. Fast zwei Kilometer quälen wir uns über einen groben Kieselweg, bevor uns alles seltsam vorkommt und wir umdrehen.

Neuhardenberg (links die Schinkelkirche)


Von da an läuft alles wie am Schnürchen. Problemlos finden wir in die wunderschöne Stadt Neuhardenberg mit Schloss und Schinkelkirche. Rückenwind bläst uns förmlich über Letschin und Sophiental an die Oder. Diese mäandert als naturbelassener Fluss gemütlich durch die flache Landschaft. Weil sie gerne mal Hochwasser führt, ist sie eingedeicht. Gut für Radfahrer, denn auf dem Deich befindet sich ein Radweg.

Auf dem Weg nach Küstrin haben wir linker Hand immer Polen im Blick, während wir schon von Weitem die hohen Silogebäude von Kostrzyn nad Odrą ausmachen können. Der deutsche Teil der Stadt - Küstrin-Kietz - wirkt dagegen unscheinbar und langweilig. Auch hier lässt uns mal wieder die Beschilderung im Stich. Ein paar lästige Extrakilometer werden nötig, um die Auffahrt zur Oderbrücke zu finden.

Eine letzte Hürde, dann rollen wir im Schatten der Küstriner Festung endlich auf polnischen Boden. Zugegeben, Kostrzyn nad Odrą ist optisch bei Weitem keine Perle. Es dominieren die Farbe Grau und eine ausgeprägte Schmucklosigkeit. Egal, wir beziehen unser Zimmer in einem günstigen Hotel und schlafen dem polnischen Abschnitt unserer Radreise entgegen.


Auf dem Oderdeich


Polska!


Kostrzyn nad Odrą

Gesamtkilometer Etappen 1 - 7: 530,70

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