Radreise von Warschau nach Minsk, Abschnitt 5: Minsk (Miнск) - Brest (Бpзст) - Kamianiuki (Kaмянюki) - Orzeszkowo - Wóla Nadbużna - Siedlce - Warszawa


Gedenkstätte der Brester Festung

Minsk (Miнск) - Brest (Бpзст)

[Kilometer: 6,77 km]




Unser Zug aus Minsk im Brester Bahnhof
Zwar waren Diskussionen nötig, aber wir haben uns entschieden. Wer uns kennt weiß, dass wir Reisen nur grob planen und vor Ort mehr oder weniger spontan entscheiden, wie es weitergehen soll. Und so war es auch mit unserem Besuch in Brest. Zurück nach Kamianiuki zu radeln, kam nicht in Frage. Wir hätten die selbe Strecke fahren müssen, nur eben in umgekehrter Richtung. Aber auch Brest wollten wir nicht mit dem Fahrrad bereisen, weil es zuviel Zeit gekostet hätte.

Also haben wir uns und unsere Räder in einen Zug verfrachtet und sind so nach Brest gekommen. Was so einfach klingt, hatte jedoch ein längeres Vorspiel. Denn wie soll man ohne Sprachkenntnisse rauskriegen, ob und wie man in Weissrussland Räder in Zügen transportieren kann. Man kann, wie wir dank der ausgesprochen kompetenten, ausführlichen und freundlichen Beratung in der Minsker Touristeninformation erfahren haben.

Ja, Minsk hat tatsächlich eine Touristeninformation. Sie liegt ein wenig abseits in irgendeiner Nebenstraße und ist nicht allzu leicht zu finden. Was wohl auch damit zu tun hat, dass Minsk nicht gerade ein Hotspot des internationalern Tourismus ist. Dafür haben sich jungen Damen in diesem Büro jede erdenklich Mühe gegeben, uns zu beraten. Man hat mit der Staatsbahn telefoniert, uns Fahrpläne ausgedruckt und übersetzt (auf Englisch) und sogar ein kleines Zettelchen beschrieben, das wir am Fahrkartenschalter vorlegen konnten, um Tickets für uns und unsere Räder zu kaufen.


Bahnhofsgebäude von Brest (Бpзст)
Das hat alles problemlos funktioniert. Mit der Radmitnahme in Weissrussland verhält es sich so: Fernzüge, die im Minsker Hauptbahnhof abfahren, nehmen Räder nur als kompliziert zu verpackendes Gepäck mit. Anders sieht es mit den Regionalzügen aus, die meist nicht vom Hauptbahnhof abfahren. Unser Zug nach Brest fuhr vom Bahnhof am Kulturinstitut ab und brauchte ganze sieben Stunden für die 300 Kilometer lange Strecke. In den Abteilen dieser Züge ist jeweils hinter den ersten und letzten Sitzbänken Platz für Gepäck oder eben Fahrräder.

Soviel zum Vorspiel. Jetzt stehen wir im ziemlich großen Bahnhof von Brest. Er gliedert sich in zwei Hauptbereiche. Einer ist für inländische Bahnverbindungen zuständig, der andere für den Transitverkehr zwischen Warschau und Moskau. Unser Hotel liegt ganz in der Nähe, so dass wir nur zwei Kilometer zu radeln haben. Nach den Stunden im Zug muss man sich ja nicht noch sportlich verausgaben.

Das Hotel "Bug" ist nach dem Grenzfluss benannt, der ganz in der Nähe Polen von Weissrussland trennt. Das Einchecken gestaltet sich problemlos, sogar unsere Räder kommen in einem kleinen Kämmerchen sicher unter. Im Flur der zweiten Etage begrüßt uns eine große Leninbüste, und auch unser geräumiges Zimmer mit Vorraum verströmt alten Sowjetcharme. Kurz, wir fühlen uns wohl im Hotel Bug.


Schmiedefiguren in der Brester Innenstadt
Brest dagegen kann uns insgesamt nicht überzeugen. Die Stadt mit ihren 310.000 Einwohnern wirkt zwar sauber und aufgeräumt, aber das eben einen Tick zu viel. Im Zentrum gibt es eine neu gestaltete Fußgängerzone mit Geschäften und Restaurants. Zwar fehlen die sonst allgegenwärtigen Filialisten, doch davon einmal abgesehen, spielt man hier westliche Kommerzkultur nach. Zu sehen gibt es nicht viel außer gepflegter Langeweile.

Dabei hat man sich durchaus Mühe gegeben. Einige Straßenzüge sind liebevoll mit schmiedeeisernen Figuren verziert. Wie fast überall in Weissrussland verschönern auch hier gepflegte Blumenrabatten das Stadtbild. Doch das war es dann auch schon. Wir sind froh, dass wir nur zwei Tage hierbleiben.

Die eigentliche Attraktion Brests liegt zwei Kilometer außerhalb der Stadt (ist aber trotzdem bestens zu Fuß zu erreichen). Es ist die Gedenkstätte der Brester Festung, die während des Angriffs auf die Sowjetunion durch deutsche Wehrmacht hart umkämpft war. Damals harrte zuletzt eine nur noch kleine Anzahl an Soldaten in der Festung aus und leistete den überlegenen deutschen Truppen erbittert Widerstand, während Wasser und Lebensmittel knapp wurden.

Auf dem weitläufigen Gelände sind riesige Skulpturen in den Fels und die Reste der Festung gehauen. Eine 40 Meter hohe Stele erinnert an die Gefallenen des Krieges. Außerdem befinden sich dort noch ein Museum sowie eine orthodoxe Kirchen. Der Eintritt ist frei.


Fußgägngerzone, Brester Innenstadt


Fußgägngerzone, Brester Innenstadt


Gedenkstätte der Brester Festung

Brest (Бpзст) - Kamianiuki (Kaмянюki) - Hajnówka - Orzeszkowo


[Etappe 11: 105,20 km]




Radspur an der P83
Nachdem uns Brest nicht so sehr in seinen Bann ziehen konnte, fällt uns auch der Abschied nicht so schwer. Bei der Abfahrt vom Hotel Bug ist uns noch nicht so richtig bewusst, dass es heute wieder zurück nach Polen geht. Leider haben wir nicht ewig frei und müssen uns auch mal wieder auf die Rücktour machen. Doch die dauert noch ein bisschen - so eilig haben wir es mit dem Heimkommen auch wieder nicht.

Aus Brest finden wir problemlos heraus. Und genauso problemlos erreichen wir über einen fetten Kreisverkehr die P83, die uns schnurstracks zurück in den Belovezhskaya Nationalpark bringen wird. Dann soll es über die lauschigen Waldwege zur Grenze und weiter durch Hajnówka bis Orzeszkowo gehen, wo wir ein Zimmerchen in einer Privatunterkunft gebucht haben.

Der Wettergott jedenfalls scheint es gut mit uns zu meinen, denn die Sonne brennt aus Leibeskräften vom Himmel. Es ist nicht nur war, sondern richtiggehend heiß. Bis zum Mittag steigt die Temperatur locker über 40 Grad, was uns Hitzefetischisten sehr gefällt.
Die P83 hat bis Kamianiuki nicht viel Aufregendes zu bieten. Es geht durch Felder und Wälder, ab und an mal durch eine laue Ortschaft. Der Verkehr ist moderat und nimmt ab, je näher wir dem Nationalpark kommen. Irgendwann zeigen zwei weiße Hirschskulpturen links und rechts der Straße, dass wir uns im Gebiet des Nationalparks befinden. Dann noch ein paar Kilometer und wir rollen nach Kamieniuki ein. Diesmal von der anderen Seite.


Noch 18 Kilometer bis zur Belovezhskaya Pushcha
Unser erster Stop ist das Magazin. Wir haben noch Weissrussische Rubel, die wir a) nicht ausführen dürfen, und mit denen wir b) ohnehin sonst nichts mehr anfangen können. Also tauschen wir sie in zwei formschöne Wodkaflaschen und in etwas Mineralwasser um. Dann trinken wir im Cafe Sosni noch ein letztes frischgezapftes weissrussisches Bier und machen uns auf zur Grenze.

Auch vor diesem Grenzübertritt ist uns mal wieder etwas mulmig. Dabei sollten wir es wegen unserer durchgehend guten Erfahrungen selbst mit belarussischen Amtsträgern eigentlich besser wissen. Aber wir sind uns nicht ganz sicher, ob unsere Migrationskarte genügend Registrierungsstempel aufweist. Jedes Hotel drückt einen solchen in die Karte hinein, aber unsere Wildcamps in der Pampa sind natürlich stempellos geblieben.

Auch dieses Mal sind wir wieder die Einzigen Reisenden an der Grenze. Man öffnet uns den Schlagbaum und wir treten vor den Schalter. Heute hat eine attraktive junge Frau Dienst. Gut gelaunt erledigt sie die Formalitäten. Könnten wir Russisch, würden wir jetzt einen kleinen Plausch mit ihr halten. Die Ausreise klappt problemlos. Das Letzte, das wir in Weissrussland sehen, ist das nette Lächeln der Grenzbeamtin.


Ein letztes Bier in Weissrussland im Cafe Sosni
Was nun folgt, kennen wir schon. Wir radeln durch Białowieża, dann durch den Wald, dann durch Hajnówka, dann etwas die Landstraße entlang bis Orzeszkowo. Die einzelnen Ortsteile der Ortschaft sind großflächig in der Gegend verstreut, was die Suche nach unserer Unterkunft etwas erschwert.

Doch die Mühe lohnt sich. Die Pension Uroczysko Sosnówka (Facebook-Site liegt direkt am Waldrand und ist liebevoll eingerichtet. Wisente und andere Wildtiere sollen hier des Öfteren zu Besuch kommen, erzählt uns die Besitzerin. Ihr Mann, offenbar ein begabter Schreiner, hat nebenan ein "Hexenhäuschen" als Attraktion für Kinder und Erwachsene gebaut. Schade, dass wir nur für eine Nacht bleiben. Die Pension Uroczysko Sosnówka ist eine ideale Alternative zu den Unterkünften in Białowieża.


Im Hexenhäuschen


Dortt geht′s zu den einzelnen Hausnummern

Orzeszkowo - Wóla Nadbużna

[Etappe 12: 77,21 km]


Radeln auf Nebenwegen
Auch die heutige Etappe kennen wir schon zu 99,5 Prozent. Wie auf der Hinfahrt radeln wir wieder entlang der angenehmen 693 von Orzeszkowo bis Siemiatyce. Weil wir uns noch das Hexenhäuschen des Pensionswirtes angucken und es ohnehin nicht sonderlich eilig haben, radeln wir erst am späten Vormittag los.

Das Wetter zeigt sich von seiner allerbesten Seite. Die Sonne scheint lustig vom Himmel und verwöhnt uns mit schweisstreibenden Temperaturen. "Erbarmungslose Hitze" würden das die meisten anderen Leute nennen, wir aber lassen uns gerne beim Radeln grillen.

Unsere heutige Unterkunft kann leider nicht mit der Pension Uroczysko Sosnówka mithalten. Wir nächtigen in einer schäbigen Holzhütte auf einem Campingplatz, der in Wóla Nadbużna, etwas südlich von Siemiatycze, in der Nähe des Bug liegt. Die ganze Nacht über sind wir Sorge, von Spinnen und ähnlichem Getier heimlich ausgesaugt zu werden.


Unterwegs in der Nachmittagshitze

Wóla Nadbużna - Siedlce _ Warszawa

[Etappe 13: 61,55 km]


Radeln auf Nebenwegen
Wir haben die Nacht ohne insektoide Angriffe überstanden. Schnell packen wir unsere Sachen und fahren los. Heute wollen wir bis nach Warschau kommen. Weil das von hier aus etwas über einhundert Kilometer sind, radeln wir nur bis Siedlce und nehmen dort den Zug. Etwas unsportlich, aber wir haben wenig Lust, uns durch das Verkehrsgetümmel der Warschauer Einfallstraßen zu quälen.

In Wóla Nadbużna scheint man es mit der öffentlichen Sauberkeit nicht allzu ernst zu nehmen. Überall an den Straßenrändern liegt Müll herum, ein starker Kontrast zum sauberen Weißrussland. Polen ist eben schon im Westen angekommen.

Wir überqueren den Bug und verlassen Podlachien. Ab sofort kurven wir durch Masowien, und das auf kleinen Nebenwegen. Die Landschaft ist hier weitgehend ländlich geprägt und wird, je näher wir Siedlce kommen, immer flacher und optisch eintöniger. Keine Gegend, die man unbedingt mit dem Fahrrad durchfahren haben muss.

Auch Siedlce wirkt gesichtslos und fade. Aber immerhin schaffen wir es, den Bahnhof zu finden. Das ist angesichts der spärlichen Beschilderung keine Selbstverständlichkeit. Im Bahnhof wartet bereits ein moderner Nahverkehrszug, der an S-Bahnen erinnert. Für Fahrräder gibt es großzügigen Platz, so dass wir die masowische Landschaft entspannt an uns vorbei ziehen lassen können.

Dabei stellen wir erleichtert fest, dass wir durch die Zugfahrt nichts verpasst haben. Die Landschaft zwischen Siedlce und Warschau ist ebenfalls langweilig, eintönig und wenig sehenswert.

In Warschau beziehen wir unser modernes Appartement, das ganz in der Nähe des verrufenen Westbahnhofs (Warszawa Ochota) im hypermodernen Stadtteil Cyste liegt.


..auch mal ohne Asphalt


Unaufgeregte Landschaften


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[Gesamtkilometer: 1176,98]

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