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Abschnitt 1: Hong Kong (1)



Landung in der Glitzerstadt


Straße im Viertel SheungWan mit chinesischen Spezialitäten (rechts im Bild ein Händler für Vogelnester)
In den frühen Abendstunden setzt die Maschine zum Landeanflug auf die Insel LanTau an. Dieses größte zum Hong Konger Archipel gehörende Eiland wurde in den letzten Jahren an seinem Nordende künstlich verlängert und beherbergt nun den hypermodernen Großflughafen ChekLapKok. Vorbei ist es nun mit dem atemberaubenden Landeanflug, bei dem Piloten mit einer speziellen Hong Kong - Landeausbildung die Düsenjets zwischen die Hochhäuser mitten in die Stadt hinein gesteuert haben. Dafür lebt es sich in Kowloon jetzt wohl etwas ruhiger und sicherer.

Leider spuckt die hochmoderne Gepäckausgabe Claudis Rucksack nicht aus, was uns jedoch einen ersten Eindruck von fortgeschrittenem Service spüren lässt. Ein Flughafenmitarbeiter kommt von sich aus auf uns zu und kümmert sich um die Angelegenheit, sprich die Nachsendung des Gepäcks in unser Hotel. Zoll- und Einreiseprozeduren verlaufen ebenfalls unaufgeregt und schnell - eine Mentalität, von der sich insbesondere der Flughafen London-Heathrow eine dicke Scheibe abschneiden kann. In der weiträumigen Ankunftshalle wechseln wir etwas Geld und kaufen Karten für den Airport-Express, einen Schnellzug, der den Flughafen mit dem Festland (Kowloon) und Hong Kong Island verbindet. Die Orientierung im Riesengebäude ist denkbar einfach, ebenso die Benutzung des Zuges. In den Abteils werden Haltestationen sowie aktuelle Position auf einem LED-Display angezeigt, so dass auch der Ortsunkundige jederzeit weiß, wann er aussteigen muss. Vor den Fenstern rauschen zuweilen die Lichter gigantischer Wohnhochhäuser vorbei - untrügliche Zeichen dafür, dass wir uns in einer Stadt mit einer Skyline befinden, die selbst die von New York in den Schatten zu stellen vermag.



Links der Turm der Bank of China (367 m), daneben das Cheung Kong Centre (283m)
Zwanzig Minuten später erreichen wir den Bahnhof Hong Kong Central, der sich in den unteren Bereichen des Two International Finance Centre - Komplexes (Two - IFC) befindet. Entgegen unserer bisherigen Erfahrungen mit südostasiatischen Verhältnissen wirken die mit Glas und Chrom verzierten Anlagen sauber und fast hochglanzpoliert. Auch werden die Menschenströme durch eine geschickte Wegführung so zu den Taxen gelenkt, dass kein Gedränge entsteht. So sitzen wir kurz darauf in einem Taxi und fahren durch die Straßenschluchten zu unserem Hotel, das im Western District, einem noch eher chinesisch geprägten Viertel von HK-Island liegt.

Die nächste positive Überraschung ereilt uns schließlich im Ramada-Hotel in der Des Voeux Road: Unser Zimmer ist nicht, wie es im chronisch unter Raumnot leidenden Hong Kong oft der Fall ist, eine klaustrophobisch kleine Zelle, sondern überaus großzügig dimensioniert. Allerdings hatten wir es schon ein halbes Jahr im Voraus gebucht, sonst wäre es nicht erschwinglich gewesen. In Hong Kong liegen die Unterkunftspreise auf recht hohem Niveau, so dass selbst ein schummriges Loch in den berüchtigten ChungKing Mansions (Kowloon, Nathan Rd.) nicht wirklich billig ist.

SheungWan, Central


Blick von der Man Yiu Street nach Norden in den Central District. Deutlich zu erkennen sind die Fußgängerbrücken, die eine zweite Ebene der Fortbewegung darstellen. Hinten links das Jardine House (179m) mit seinen runden Fenstern, rechts davon One Exchange Square (188m).
Nach einer wegen des Jetlag nicht allzu guten Nacht machen wir uns auf den Weg in die Straßenschluchten. Zu Fuß, versteht sich, denn die westlichen und zentralen Bezirke HK-Islands sind recht überschaubar und lassen sich auf diese Weise am besten erkunden. HK-Island ist eine sehr bergige Insel, so dass sich der Hauptteil der Bebauung an ihrer Nordküste entlang zieht, der man mit Landgewinnungsmaßnahmen einen guten Teil an ebenem Baugrund hinzufügen konnte. So erstreckt sich die Stadt auf mehrere Kilometer in Ost - West - Richtung, der auch die Hauptmagistralen (Des Voeux Rd., Queens Rd.) folgen. In Nord - Süd - Richtung sieht die Sache ganz anders aus. Weil die Berge der Insel nur bis zu einer gewissen Höhe und Steilheit bebaubar sind, endet die Stadt recht schnell in ihren Hängen, wo die Wohnhochhäuser der Midlevels in den Himmel ragen. Die bebaute Fläche auf HK Island erhält so die Form einer langgezogenen, schmalen Sichel, die selbst in Höhe des Central Districts nur einen knappen Kilometer Breite aufweist. Durch diese spezielle Topographie kann man sich im Groben auch nur schwer verlaufen, im Feinen aber durchaus.

Da sich unser Hotel im westlichen Teil des Western Districts befindet, kurz vor den Toren der Kennedy Town, liegen etwa zwei Kilometer Fußmarsch durch die Des Voeux Rd. vor uns. Je weiter westlich man sich auf HK-Island befindet, desto ursprünglich chinesischer ist die Stadt geprägt. Auf den ersten Blick fällt dem Besucher das nicht zwingend auf, denn auch hier ragen - wie sonst auch - moderne Hochhäuser in den Himmel. Auf den zweiten Blick fallen die vielen typisch chinesischen Ladenlokale ins Auge, die zur Straße hin offen sind und in den hinteren und oberen Bereichen die Wohnungen der Inhaber beherbergen. Verkauft wird vor allem Seafood, also getrocknete oder sonst wie haltbar gemachte Meeresfrüchte, von denen uns fast alles völlig fremd ist. Beliebt sind auch Enten oder ähnliche Vögel, die gerupft, gepresst und getrocknet werden. Vieles in den Auslagen scheint, sofern man sich mit der Zubereitung auskennt, lecker zu schmecken. Anderes, wie etwa die Pressenten, Vogelnester und Klumpen unidentifizierbarer Masse, zeigen unmissverständlich an, dass wir uns im Geltungsbereich der kantonesischen Küche befinden - einschließlich all ihrer Klischees.


SheungWan, Des Voeux Rd. am frühen Abend. Links die Türme des HK-Macau Ferry Terminal, im Hintergrund Glasriesen von Central.


Wir biegen ab in die Ko Shing Street, wo sich ein Seafood-Laden an den anderen reiht. Über den Bonham Strand, die große Queens Rd. und die Upperkaskade Row erreichen wir die unscheinbare Ladder Street im Herzen SheungWans, wenn man so will der Altstadt Hong Kongs. Ganz in der Nähe hat Captain Charles Eliott Anno 1841 den Union Jack in den Boden gerammt und Hong Kong in britischen Besitz genommen. Damals reichte das Meer noch bis an diese Stelle, heute ragen dank Landgewinnungsmaßnahmen noch jede Menge Wolkenkratzer bis zur Wasserlinie in die Luft. Die enge Ladder Street, eher eine Treppe denn eine Straße, ist ein Rest des alten Straßenbildes der Stadt, als nur Treppen in die Hänge der Berge führten.

Während uns die enge Ladder Street trotz ihrer historischen Bedeutung weniger interessiert, erregt ein paar Häuserblöcke weiter der gigantische Turm The Center unsere Aufmerksamkeit. Das 346 Meter hohe Gebäude wächst aus einem gläsernen Arkadenbau in den Himmel; der Vorplatz ist mit künstlichen Teichen und Bambuspflanzen nett gestaltet. Die Arkaden beherbergen Einkaufs- und Gastronomieläden, das Gebäude selbst ausschließlich Büros. Wir lassen es uns nicht nehmen, mit dem Aufzug bis in die 72-ste Etage zu fahren, nur um vor verschlossenen Bürotüren zu stehen - aber immerhin waren wir mal oben.


The Centre (346 m): Blick aus dem gläsernen Arkadenbau den Turm hinauf.
Nach dem missglückten Sightseeing marschieren wir weiter zum Central Market und erreichen über ein paar Treppen die Hillside Escalators. Hierbei handelt es sich um eine ausgesprochen nützliche Einrichtung für eine in Berghänge hineingebaute Stadt. Um die Menschen morgens zu ihren Arbeitsplätzen in den tiefergelegenen Bürogebäuden zu bringen, fährt ein System aus überdachten Rolltreppen von den höhergelegenen Midlevels nach unten. Von den Wohngebieten in den Berghängen ist man so in wenigen Minuten "Downtown" (im wahrsten Sinne des Wortes) und spart sich die komplizierteren Wege über das Straßennetz. Ab Zehn Uhr vormittags kehrt sich die Laufrichtung um und man kann hinauf in die Midlevels rollen.

Wir nutzen diese ausgesprochen praktische Einrichtung und fahren nach oben. Immer wieder ist die Rolltreppe unterbrochen, so dass man aussteigen kann. Außerdem bieten sich immer wieder schöne Blicke von oben auf die Straßen. Wir machen Station in der Staunton Street, die recht klein und gemütlich wirkt und viele Esslokale westlicher Prägung beherbergt. Ähnliches lässt sich auch über die benachbarte Hollywood Rd. sagen. Das ganze Viertel nennt sich Soho und erscheint uns wie ein gemütliches Kneipenviertel mit engeren Straßen und einer angenehmen Atmosphäre.

Wir verlassen die Rolltreppe in der Caine Rd., fast ganz oben an der Endstation, und befinden uns mitten in den Midlevels, wo viele Hong Konger in den steil aufragenden Wohn-Wolkenkratzern hausen. Viele dieser Gebäude sind mit automatischen Toren und ähnlichen Einrichtungen abgesichert, was zeigt, dass in den für deutsche Verhältnisse eher grässlich wirkenden Wohntürmen durchaus die Mittel- bis Oberschichten wohnen. Wohnraum ist in Hong Kong knapp und teuer, besonders in den oberen Regionen von HK-Island.

Über die Caine Rd. marschieren wir zur Upper Albert Rd. und besuchen den Zoologischen und Botanischen Garten, der auf den ersten Blick wie ein mit Dschungel bewaldeter Berg mitten in der Großstadt wirkt. Der Eintritt ist kostenlos. Wir bestaunen eine für einen kostenlosen Zoo beachtliche Menge an Tieren (bis hin zu Menschenaffen) sowie die für diese Breiten typische subtropische Vegetation Hie und da ragen Wolkenkratzer durch die Palmen. Am unteren Ende des Parks befindet sich ein weiter Platz mit Springbrunnen und Sitzbänken, von denen sich ein herrlicher Ausblick auf die Hochhäuser von Central bietet.

Der Central District (Chung Wan) und seine Hochhäuser


Das 52 m hohe Atrium der Hong Kong & Shanghai Bank
Über ein System von Treppen steigen wir zur Queens Rd. ab. Unterwegs können wir einen Blick auf das Gouvernement House, den Sitz des Gouverneurs werfen. Das im Vergleich zu den umliegenden Stahlbetonriesen unscheinbare Haus im neoklassizistischen Stil gehört noch zum letzten Rest der alten Bausubstanz der Stadt. Wenig später stehen vor dem futuristischen Gebäude der Hong Kong und Shanghai Bank. Obwohl "nur" 179 Meter hoch, galt das von Norman Foster entworfene Hochhaus lange Zeit als teuerster Bau der Welt (670 Mio. US-$). Als einzigartige Besonderheit ist es aus Modulen zusammengesetzt, die in London fabriziert, nach HK-Island transportiert und dort zusammengesetzt wurden. Theoretisch lässt sich der Bau wieder auseinandernehmen und an einem anderen Ort neu aufbauen. Darüber hinaus verfügt das Gebäude über ein 52 Meter hohes Atrium, das eine Schalterhalle über einem Glasgewölbe beherbergt, das das Atrium nach unten abschließt. Um geomantischen Erfordernissen gerecht zu werden, wurde der Eingang ins Atrium hoch genug gehalten, um einem Drachen den Eintritt zu ermöglichen. Ebenso sind die in das Gebäude führenden Rolltreppen schräg installiert, so dass Geister sie nicht benutzen können. Es erstaunt immer wieder, wie nah in Hong Kong Hochtechnologie und traditioneller Aberglaube beieinander liegen.

Ein paar Ecken weiter stehen wir bewundernd vor einigen weiteren Wunderwerken der zeitgenössischen Architektur. Der Bank of China Tower (Architekt Ieoh Ming Pei) gilt mit seiner Fassade aus Dreiecken aus metallbedampftem Glas als eines der herausragendsten Beispiele moderner Architektur. Symbolisch angelehnt an das Wachstum des Bambusbaumes, besteht das Gebäude aus optisch unterscheidbaren Sektionen, die sich bis in eine Höhe von 367 Metern türmen. Die dreieckigen Fassadenbereiche sind mit Speziallampen versehen, so dass die markante Struktur auch Nachts die Skyline bereichert. Zum Zeitpunkt seiner Fertigstellung im Jahre 1990 war der BOC-Tower das erste Gebäude außerhalb der USA, das die 1000-Fuß Marke überschritt. Beim Bau verletzte man allerdings - ob zunächst versehentlich oder bewusst sei dahingestellt - die geomantischen Regeln des Feng Shui, korrigierte den Fehler aber. Da das Gebäude auf dem Gelände eines ehemaligen japanischen Gefangenenlagers errichtet wurde, mussten nachträglich die Geister der dort Gestorbenen besänftigt werden, wozu man sechs bereits errichtete Etagen wieder abreißen musste. Unmittelbar daneben ragt das CheungKong Centre 283 Meter in den Himmel, was die imposante Wirkung noch vertärkt.


Die markanten Zwillingstürme des Lippo Center (186 m)
Wir gehen die Queens Rd. nach Osten und erreichen The Mall, eine Shoppingpassage mit gediegenen Läden, wo wir uns zu einer kurzen Mittagspause in ein Café setzen. Auch hier verbindet ein Gewirr aus Gängen und Passagen die umgebenden Gebäude, so dass man sich auf einer zweiten Ebene durch weite Teile des Viertels bewegen kann, ohne runter auf die Straße zu müssen. Sofern man sich in diesem System aus Gängen orientieren kann, ist das für Fußgänger eine durchaus praktische Angelegenheit.

Auf dem Weg können wir die verschachtelten Zwillingstürme des Lippo Center bewundern, die mit 186 Metern Höhe für die hiesigen Verhältnisse eher bescheiden ausgefallen sind, dafür wegen ihrer fantasievollen Fassadengestaltung zu den markantesten Hochhäusern der Stadt zählen. In ihrer Nähe liegt auf den Hängen eines kleinen Berges der Hong Kong Park, den wir aber nicht besuchen.

An dieser Stelle beschließen wir, mit der U-Bahn (MTR) nach Kowloon, also auf die Festlandsite zu fahren, um von dort aus den Blick auf die berühmte Skyline von HK-Island zu genießen. Obwohl es auch in Kowloon genügend riesige Wolkenkratzer gibt, weist dieser Stadtteil keine so umwerfende Skyline auf. Das liegt vor allem daran, dass die bebaubare Fläche dort nicht durch steile Berge begrenzt wird und sich die Hochhäuser auf einer viel größeren Fläche verteilen können.



Karte

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    Hong Kong Island


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