Abschnitt 2: Hong Kong (2)
Straßenszene in Mong Kok (Kowloon)
Im Hintergrund der Langham Place Office Tower (255m)
Tsim Sha Tsui, Kowloon
In der nervigen Shopping-Hölle: Die Nathan Road
In einigen Reisführern wird die Frage als schwer zu beantworten dargestellt, ob der Reisende besser auf HK-Island oder in Kowloon unterkommen soll. Für HK-Island spräche das moderne Business- und Finanzzentrum sowie die Nähe zum HongKong-Peak. Für Kowloon dagegen das Shoppingparadies rund um die Nathan Road, wo ständig der Bär tanzt. Um die Frage endgültig zu beantworten: Wann immer möglich, nehmt euch ein Hotel auf HK-Island! Dann könnt ihr schnell mit der Bahn in die Einkaufshölle im engen Kowloon fahren und die mit unfassbaren Menschenmassen gefüllten Straßen ebenso schnell wieder ins luftigere und angenehmere HK-Island verlassen. Um es auch vorwegzunehmen: Die vielgerühmte Nathan Rd., die wegen ihrer Leuchtreklamen gerne mit dem New Yorker Broadway verglichen wird, ist nichts weiter, als eine nervige, laute und überfüllte Einkaufsmeile. HK-Island ist viel entspannter - und die meisten Sachen (insb. Unterhaltungselektronik) erhält man auch dort zu oft besseren Preisen.
Kowloon (englische Form des chinesischen Kaulung = Neun Drachen) liegt nördlich von HK-Island auf einer Festlandspitze, die in den Victoria Harbour hineinragt. Der chinesische Name bezieht sich der Sage nach auf eine im Norden liegende Hügelkette, deren acht Berge der achtjährige Kind-Kaiser Duan Zong auf seiner Flucht vor den Mongolen so bezeichnet hat, nachdem man ihn darüber belehrte, dass er sich selbst mitzuzählen habe. Nach dem Zweiten Opiumkrieg im Jahre 1860 konnten die Briten, die bis dahin nur HK-Island als Kolonie besaßen, Kowloon mit der
Konvention von Peking den Chinesen abringen. Anschließend (1898) pachteten die Briten die im unmittelbaren Hinterland liegenden
New Territories auf 99 Jahre. Der Aufstieg des ursprünglich als Militärstützpunkt zur Kontrolle des Schiffsverkehrs gedachten Gebiets begann mit dessen verkehrstechnischer Anbindung an China (Kowloon-Canton Railway) und den Rest der Welt (Kai-Tak Aitport). Seit dem führte nicht zuletzt ein aus China kommender Flüchtlingsstrom dazu, dass Kowloon bis in die jüngere Vergangenheit hinein zum dichtbevölkerteste Platz der Welt mutierte. Obwohl die Wohnsituation bis heute eindeutig verbessert werden konnte, drängen sich im Kowlooner Viertel
Mong Kok aktuell etwa 116.000 Menschen auf einem Quadratkilometer.
Im nördlichen Abschnitt der Nathan Road
Mit der unkomplizierten MTR (Mass Transit Railway) düsen wir in wenigen Minuten von
Central unter dem Wasser des Victoria Harbour hindurch zur Station
Jordan in Kowloon. Gleich nach dem Verlassen der unterirdischen Station schlägt uns mit dem Tageslicht gleich eine ganz andere Welt entgegen. Vorbei ist es mit der (relativen) Gelassenheit und Entspanntheit HK-Islands. Nicht, dass es dort nicht auch hektisch zuginge. Doch die
Nathan Rd. empfängt uns mit unaufhaltsam strömenden Menschenmassen und einer eher grauen und trist wirkenden Architektur. Ein Laden reiht sich an den nächsten, und in den meisten von ihnen werden Artikel der Unterhaltungselektronik verkauft. Wir stellen fest, dass die Preise in vielen Läden höher liegen, als auf HK-Island - sicherlich eine Folge der touristischen Anziehungskraft der welkbekannten Einkaufsstraße. Sofern sich das Hauptinteresse nicht auf konsumbezogene Aktivitäten richtet, wirkt die Nathan Rd. unangenehm und langweiig. Trotzdem latschen wir sie bis zu ihrem Südende im Viertel Tsim Sha Tsui hinab.
Unterwegs fallen uns graue, verwinkelte und dunkle Häuserblocks auf, die die Bezeichnung " xxx-Masions" tragen und sich als die nur in Kowloon vorkommenden Hostel-Ansammlungen ausweisen. Die bekannteste davon sind sicher die
Chungking-Mansions ("The Mansions"), über die schon mehrere Reportagen erschienen sind. In fünf düsteren Häuserblocks befinden sich an die 150 Hostels der unteren Preiskategorie, was angesichts des hiesige Preisniveaus für Unterkünfte und der ausgesprochen zentralen Lage durchaus eine Überlegung wert ist, sofern man absolut keine andere Wahl hat. Meistens hat man aber eine andere Wahl und sollte diese dem abweisenden, verwinkelten Komplex vorziehen.
Tsim Sha Tsui und die Promenade
Skyline des westlichen HK-Island. Links das Two IFC (415m) vor dem Peak (552m).
Nachdem wir uns die Nathan Rd. zu ihrem südlichen Ende heruntergekämpft haben, erreichen wir kurz hinter der MTR-Station die
Hafenpromenade von Tsim Sha Tsui (chin.: scharfe Landspitze). Ins Auge fallen zunächst die großen Kulturgebäude, insbesondere das geschwungene, fensterlose
Hong Kong Cultural Center, daneben das
Hong Kong Museum of Art sowie das
Space Museum. Wir interessieren uns aber nicht für die Ausstellungen in den Gebäuden, sondern für die Aussichten vor den Gebäuden, die ein kulturelles Highlight par excellence darstellen. Menschliche Artefakte; zu Stein, Glas und Stahl verwandelte Fantasien türmen sich auf der anderen Seite des Victoria Harbour zu einer der faszinierendsten Stadtansichten weltweit auf.
Die Skyline von HK-Island gehört zu den meistfotografiertesten der Welt und kann es gut und gerne mit der von New York aufnehmen. Der dichte Hochhausdschungel erstreckt sich über viele Kilometer in Ost-West Richtung, dahinter erheben sich die Berge von HK-Island, am markantesten ist der Hong Kong Peak hinter den Glasriesen von Central. Es ist später Nachmittag und uns scheint die Sonne entgegen, was die Sicht ein wenig trübt und die Hochhauskulisse in diesiges Licht taucht. Selbstredend müssen wir noch mal abends herkommen, denn die illuminierte Skyline setzt dem Eindruck bei Tageslicht noch einen drauf. Begeistert verweilen wir im frühlingshaft warmen Sonnenlicht des subtropischen Hong Konger Winters. Obwohl die Temperaturen über 20 Grad klettern, tragen viele Einheimische dicke Winterjacken. So ändert sich wohl das Temperaturempfinden, wenn man im Rest des Jahres nur brütende Hitze gewohnt ist.
Skyline des östlichen Central / WanChai.
In der Mitte dominant das Central Plaza (374 m), davor das Messezentrum.
Skyline der östlichen Nordseite von HK-Island (Causeway Bay)
Kowloon
Der Clocktower vor einem Flügel des HK Cultural Center bei Nacht
Nachdem wir uns sattgesehen haben, marschieren nach Westen in Richtung
Star Ferry Pier, denn wir wollen mit der berühmten Fähre zurück auf die andere Seite fahren. Am westlichen Ende der Promenade stoßen wir auf den
Clock Tower, der vor der Kulisse des HK Cultural Center eher bescheiden wirkt. Das ist nicht verwunderlich, denn bei dem kleinen Urtürmchen handelt es sich um den Rest des 1975 abgerissenen Bahnhofes, der im Jahre 1915 errichtet wurde. Heute ist das Türmchen ein beliebter Treffpunkt und gerne gewählte Kulisse für Hochzeitsfotos.
Den westlichsten Punkt der rund zwei Kilometer langen Hafenpromenade, die sich in östlicher Richtung bis zum KCR-Bahnhof Tsim Sha Tsui East erstreckt, markiert der
Star Ferry Pier. Hier legt die gleichnamige Fähre ab, die zwischen Kowloon und HK Central auf der anderen Seite verkehrt. Sie zählt zu den Wahrzeichen der Stadt, nicht zuletzt deshalb, weil sich bei der Überfahrt über den Victoria Harbour beeindruckende Ausblicke auf die Skyline ergeben. Die Benutzung ist denkbar einfach: Man wirft den Fahrpreis entweder abgezählt in die Drehkreuzautomaten oder zahlt an einem Schalter, falls man die passenden Münzen nicht hat (um die zwei HK$, etwa 20 Cent). Die Überfahrt ist ein wenig unruhig, dafür entschädigt die Aussicht. Nach wenigen Minuten sind wir wieder auf HK-Island und können die Skyline von Kowloon ansehen, die aus bereits genannten Gründen nicht so imposant ausfällt, wie die der Insel, die aber auch mit beeindruckenden Gebäuden aufwarten kann.
Gebäude auf der West Kowloon Recalamation: In der Mitte
The Harbourfront (255m), rechs davon
The Arch (231m), links davon das im Bau befindliche
International Commerce Center (später 484m), dahinter die Rohbauten der
Union Square Phase 7 Towers (später 270m).
Besonders fallen hier die riesigen Gebäude auf, welche auf dem Areal der
West Kowloon Reclamation, einer durch Landgewinnung gewonnen Fläche westlich von Kowloon, in den Himmel ragen. Seit der Jahrtausendwende wurden im Umfeld des
Union Square gigantische Gebäude errichtet, die nicht nur durch ihre Höhe, sondern auch durch ihre allgemeinen Dimensionen auffallen. Besonders sticht das 75-stöckige
The Harbouside ins Auge, das bei einer Höhe von 255 Metern nicht die übliche Turmgestalt aufweist, sondern stark in die Breite geht und so den Eindruck einer riesigen Gebäudefront vermittelt. Dahinter ragen die
Sorrento-Türme in die Luft, die ebenfalls 256 Meter Höhe erreichen.
Östlich ist
The Arch (231 m) zu erkennen, das die markante Form eines eckigen Torbogens hat. Westlich von The Harbourside hat man bereits die ersten von später mal 118 Stockwerken des
International Commerce Center errichtet, das am Ende eine Höhe von 484 Metern erreichen soll. Dahinter baut man fleißig an den beiden
Union Square Phase 7 Towers (270 m). Insgesamt wirkt die kompakte Ansammlung von Wolkenkratzern auf dem relativ kleinen Areal der West Kowloon Reclamation beeindruckend.
Der Fähranleger auf HK-Island liegt in unmittelbarer Nähe des
Two IFC Komplexes, der aus einigen Wolkenkratzern und einer darunter liegenden Shopping-Mall besteht (in der wir uns übrigens recht gerne aufgehalten haben - besonders empfehlenswert ist die Filiale der
Pacific Coffee Company mit Internetterminals). Magisch werden wir angezogen vom seinem spargelförmigen Turm, der mit 415 Metern Höhe zurzeit das dritthöchste Hochhaus der Welt und das höchste Hong Kongs ist - jedenfalls bis zur Fertigstellung des International Commerce Center.
Das Gebäude ist eines der weltweit wenigen mit doppelstöckigen Aufzügen und wurde im Film
Tomb Raider 2 als Kulisse benutzt. In der Hoffnung, auf diesem Riesenspargel eine Aussichtsplattform zu finden, marschieren wir zum Eingang. Wir werden nicht hineingelassen, und weil wir sicherlich nicht die einzigen mit einem solchen Anliegen sind, hat man auch ein kleines Schild vor die Pforte gestellt, auf dem steht, dass es keine Aussichtsplattform gebe. Das ist kein Wunder, denn in der obersten 88-sten Etage hat der Vorsitzende der Hong Konger Finanzbehörde sein Büro und möchte wohl keinen touristischen Mob in seiner Nähe haben.
Noch das höchste Hong Kongs: Das Two IFC - Gebäude (415m)
Das Westliche Kowloon: Links die riesige Mall Harbour City,