spatzier.net

Service-Navigation


Radreise Lübeck - Nordkap: Tag 34

Tag 34 (20.7.): Honningsvåg - Nordkap

32,40 Km, Vav 14,6 km/h, Vmax ? km/h, Gesamtsteigung: 630 m, Gesamtgefälle: 330 m, Gesamtkilometer: 3.135,99 km

9 - 14 °C, windig

Honningsvåg
Um 11.45 legt die MS Nordnorge im Fährhafen von Honningsvåg an. Weil ich mein Rad aus dem Frachtraum holen muss, verzögert sich das Auschecken ein wenig, was aber nicht tragisch ist, da ich viel Zeit habe. Zunächst schlendere ich etwas durch die Straßen dieser nördlichsten Ortschaft Skandinaviens, die auf den ersten Blick erstaunlich geschäftig wirkt.

Honningsvåg ist Verwaltungssitz der Gemeinde Nordkapp, die neben der Insel Magerøya auch das Festland um die Mündung des Porsangerfjordes herum einschließt. Dies ist auch der Grund, weshalb Hammerfest nicht mehr die nördlichste Stadt ist. Es gibt es ein Abkommen zwischen den beiden Gemeinden, dass Hammerfest diesen Titel weiterhin tragen darf. Dafür spricht, dass Hammerfest größer und städtischer ist; allerdings besitzt Honningsvåg den bedeutendsten Fischereihafen Nord-Norwegens und, gemessen an der nördlichen Breite, eine hervorragende Infrastruktur.

Von letzterem kann ich mich vor Ort überzeugen. Im Touristenbüro erhalte ich ausführliche Informationen zu meiner Busverbindung nach Rovaniemi und Helsinki. Anschließend radele ich zum Ortsausgang und mache mich auf zur letzten und abschließenden Etappe. Schon nach wenigen Kilometern wird mir klar, dass meine dicken Klamotten zu warm sind. Weil es auf der kahlen Insel Maerøya kaum Büsche, dafür um so mehr Felsen gibt, muss ich das direkt am Straßenrand machen. Ich entledige mich meiner Regenhose und ziehe die Radlerweste aus, dann kann es weitergehen.


MS Nordnorge und Reiserad im Hafen von Honningsvå:g
Auf den ersten Kilometern zeigt sich Magerøya radlerfreundlich. Die E69 ist einigermaßen eben - genau so, wie man es braucht, um sich warm zu radeln. Doch nach knappen fünf Kilometern künden unschöne Schilder von den bevorstehenden 9-prozentigen Anstiegen. Und gleich darauf geht es zur Sache, und zwar gewaltig. In Serpentinen schraubt sich die Straße in die Felsen hinein und ein Ende ist nicht abzusehen. Mir rinnt der Schweiß und ich lege viele Fotostopps ein, denn immer wieder liefert mir die grandiose Landschaft gute Vorwände für Verschnaufpausen.

Die Wolkenlücken werden immer größer und der befürchtete Regen bleibt aus. Die Bedingungen sind ideal für diese letzte bedeutungsvolle Etappe. Auch wenn mir die enormen Steigungen die Kräfte rauben - ich habe genügend Zeit, die 32 Kilometer auch schiebend zurückzulegen. Zudem wird mir immer mehr bewusst, das dies das Ende der Radreise ist, das es hinauszuzögern gilt. Ich habe es nicht eilig; wie es auch kommt, ich werde auf jeden Fall früh genug am Nordkap ankommen.

Nach fünf Kilometern Serpentinen bin ich endlich oben auf der Hochebene. Die Ausblicke sind faszinierend, hie und da liegen sogar noch Schneefelder. Beinahe euphorisch radele ich durch diese subarktische Landschaft und genieße jeden Meter in vollsten Zügen. Schließlich geht es wieder bergab. Zu weit für meine Begriffe, denn ich weiß, dass das Nordkap auf einem 307 Meter hohen Felsen sitzt. Und in der Tat, gleich hinter dem Midnattsol-Campingplatz (wo Claudi und ich schon mal gezeltet haben) an der Abzweigung nach Skarsvåg schraubt sich die E69 wieder in die Höhe.


Immer steil nach oben....
Diesmal ist es noch schlimmer, als am Anfang. Hinter einer letzten Serpentine verläuft die Straße geradeaus, so dass man den kilometerlangen Anstieg beim Strampeln immer im Blick hat. Irgendwann, das gebe ich jetzt zu, habe ich genug davon und schiebe das Rad für ein paar Minuten. Trotz der Mühen kommt mir mein langsames Vorankommen sehr gelegen, denn so bleibt mir genügend Zeit, die faszinierende Landschaft zu bestaunen. Im Auto hätte man kaum Gelegenheit dazu.

Gegen vier Uhr am Nachmittag bin endlich oben und rolle auf das Nordkapzentrum zu. Ein Schild kündet an, dass der Eintritt pro Nase stolze 195 NOK kostet. Als Reiseradler werde ich von der netten Dame im Kassenhäuschen mit den Worten "It's free for you" durchgewunken. Vor dem Eingang zum Hauptgebäude stehen bereits zwei Reiseräder. Ich stelle meins dazu und gehe hinein.

Mein erster Weg führt durch die Nordkaphalle zum symbolhaften Bronzeglobus, der draußen auf dem Felsen steht. Ich bin in gehobener Stimmung, fast schon gerührt, endlich hier zu sein. Ich hocke mich auf die Steinstufe vor dem Globus und schreibe mit klammen Fingern ein paar SMS über meine Ankunft. Danach schlendere ich zurück in die Halle und trage mich in das "Gipfelbuch" am Informationstresen ein.


Zur Belohnung gibt es grandiose Ausblicke
Nun muss ich noch ein Trophäenfoto machen. Ich schiebe mein Rad zum Bronzeglobus, wo sich gerade ein italienischer Radlerkollege samt Rad ablichten lässt. Er ist von irgendwo in Italien in 26 Tagen bis zum Nordkap geradelt, sagt er. Unglaubliche Leistung. Ich lasse mich von ihm vor dem Bronzeglobus ablichten. Anschließend schiebe ich das Rad wieder vor die Nordkaphalle, packe meine Zivilklamotten aus und ziehe mich auf dem Klo um.

Nun gilt es, Zeit totzuschlagen. Es ist erst Nachmittag und mein Bus geht nachts um ein Uhr. So habe ich genügend Gelegenheit, das Nordkapzentrum von Vorn bis Hinten zu besichtigen. Außer einem Souvenirshop und einem Restaurant gibt es einen Tunnel, der ins Untergeschoss zu einer Bar mit Aussichtsterrasse führt. Vom Tunnel aus kommt man zu einem Super-Cinematographen (ein 125°-Kino, in dem ein Film über die Insel Magerøya gezeigt wird) und ein kleines Thailand-Zimmer. Der thailändische König Chulalongkorn war 1907 zu Gast am Nordkap und hat seinen Namen in einen markanten Stein gemeißelt. Um diesen Stein herum wurde viele Jahre später das Nordkapzentrum errichtet. Im Thailandzimmer schaue ich mir, fröstelnd wegen der nassen T-Shirts, die südostasiatischen Symbole an und wünsche mir, dort in der tropischen Wärme zu sein.

In den folgenden Stunden durchstreife ich das Nordkapzentrum einige Male, schaue mir die Vorstellung im Super-Cinematographen an und setze mich um 20.00 Uhr ins Restaurant Kompasset, wo ich mir das leckere Abend-Buffet gönne. Die immerhin 260 NOK sind bestens angelegt. Obwohl nach und nach ganze Busladungen von Leuten angekarrt werden, die die Mitternachtssonne sehen wollen, bin ich lange der einzige Buffet-Esser. So kann ich im Warmen sitzen und habe einen guten Blick auf Nordkapfelsen und Bronzeglobus. Bis 23.30 Uhr sitze ich im Restaurant und lasse es mir gut gehen. Dann schlendere ich hinaus und sehe nach dem Rechten, also nach meinem Rad und dem Bus. Dabei stoße ich auf die Besitzer der anderen beiden Reiseräder. Es sind Amerikaner, die schon lange in Warschau leben und dort als Lehrer arbeiten. Sie sind von Helsinki aus zum Nordkap gefahren und wollen nun auch mit dem Bus nach Helsinki fahren. Das trifft sich gut, so habe ich unterwegs wenigstens nette Gesellschaft.

Gegen Mitternacht haben sich ganze Menschenmengen um den Bronzeglobus versammelt. Obwohl noch vor Kurzem ein übler Regenschauer aus dichten und tiefen Wolken niedergegangen ist, lichten sich die Wolken pünktlich. Wie zum Abschiedsgruß für eine trotz Knieproblemen und vorzeitigem Abbruch ausgesprochen gelungenen Radreise reißt die Wolkendecke auf und lässt die Strahlen einer goldenen Mitternachtssonne auf deden Nordkapfelsen scheinen.


Auf zur letzten Etappe!


Blick in Richtung Nordkinn-Halbinsel


Blick über Magerøya


Am Ziel


Trophäenfoto 2

Impressionen von Magerøya und dem Nordkap:

Auf die kleine Bildvorschau klicken, und sie bleibt fest im Ansichtsfenster stehen!







Die Mitternachtssonne gibt sich die Ehre



Allein dafür lohnen sich 3.200 Kilometer auf dem Sattel

Route

  • Tag 34 / Magerøya


Alle Inhalte © Frank Spatzier 2007