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Radreise Lübeck - Nordkap: Tag 26 - 29

Tag 26 (12.7.): Vittangi - Karesuando

113,11 Km (105 ohne Rumgegurke in K.), Vav 17,9 km/h, Vmax 37,2 km/h, Gesamtsteigung: 356 m, Gesamtgefälle: 261 m, Gesamtkilometer: 2597,80 km

17 - 20 °C

E45 zwischen Vittangi und Karesuando
Diesmal komme ich mit zehn Uhr erst spät los. Der Himmel ist bewölkt, es regnet aber nicht und somit ist das Wetter eigentlich ganz in Ordnung. Nach einem kurzen Plausch mit dem Hamburger Paar geht es auf E45, die ich heute bis zu ihrem Endpunkt an der finnischen Grenze in Karesuando beradeln will. Hier im hohen Norden Schwedens dünnt der Verkehr soweit aus, dass mich nur noch wenige Autos beim meditativen Radeln stören. Die Topographie ist angenehm, nur wenige Steigungen bringen mich aus dem Rhythmus. Die Vegetation ändert sich zusehends - die Bäume der umliegenden Wälder werden wegen der immer kürzeren Vegetationsphasen kleiner und kleiner. Allerdings ändert sich dieses Landschaftsbild kaum mehr, so dass die Etappe stellenweise recht langweilig wird. Ständig schaue ich auf den Tachometer und sehe zu, wie ich mich Kilometer für Kilometer meinem Ziel nähere - 100, 99, 98, 97, usw..

Von Zeit zu Zeit ergeben sich auch faszinierende Ausblicke über die weite hochnordische Landschaft. Das lenkt mich dann stets von meiner mental verkrampften Fahrhaltung ab. Überhaupt empfinde ich das Radeln hier, wo sich die Landschaften nun langsam grundlegend von den heimischen unterscheiden, als viel spannender und abwechslungsreicher, als etwa weiter im Süden. Nach der Hälfte der Strecke treffe ich auf ein deutsches Radlerpaar in fortgeschrittenem Alter (>60 Jahre), das von Berlin aus ebenfalls auf dem Weg zum Nordkap ist. Sie machen keine so langen Etappen, sind aber fest entschlossen, ihr Ziel bald zu erreichen. Angesichts meiner eigenen Mühen und der Tatsache, dass beide nicht wie langjährige Sportprofis wirken, habe ich großen Respekt vor ihrer Leistung und Entschlossenheit.


Dreisprachige Ortschilder: Schwedisch, Finnisch, Samisch
Am Nachmittag erreiche ich endlich Karesuando, einen Ort, zu ich eine ganz besondere Beziehung habe. Das gerade mal 313 Einwohner zählende Dorf gehört zu den nördlichsten Siedlungen in Schweden und besteht aus einem größeren Teil auf schwedischer sowie einem kleineren Teil auf finnischer Seite (fin.: Karesuvanto), der jenseits des Munio Älv liegt. Wegen der grenzüberschreitenden Dimension nennt sich der Ort auch Eurosuando. Hier befindet sich die nördlichste Kirchengemeinde und der nördlichste Markt Schwedens.

Das Besondere an Karesuando ist allerdings die Webcam, die sich im Eurosuando-Gebäude gegenüber der Holzkirche befindet. Sie liefert hochwertige bewegte Livebilder und gehört schon seit längerem zu meinen Favoriten. Rund ums Jahr schaue ich mit Hilfe dieser Webcam zu, wie sich die Verhältnisse 300 Kilomter nördlich des Polarkreises verändern. Da liegt es natürlich auf der Hand, einmal selbst im Fokus dieser Kamera zu stehen. So habe ich bekannt gegeben, wann ich mich vor die Linse stelle und man mich zu Hause live im Internet sehen kann. Weil ein Ruhetag mehr als überfällig ist, habe ich genügend Zeit, mich multimedial zu präsentieren.

  Webcam Karesuando


Endlose Straße nach Karesuando


Ausblick zur Seite

Tag 27, (13.7.): Ruhetag in Karesuando

30,02 Km, Gesamtkilometer: 2627,61 km

   18 - 20 °C, windig

Endlich in Karesuando!
Dieser Ruhetag ist schon lange überfällig. Weil ich ihn aber unbedingt in Karesuando mit der Webcam einlegen wollte, habe ich ihn lange herausgezögert. Nachdem ich bereits am Vortag abends - dank Webcam inklusive Bildübertragung - mit Claudi telefoniert habe, ist das Selbe nochmals für den heutigen Tag geplant.

In der Nacht hat es etwas geregnet, und auch der Morgen zeigt sich nicht ganz trocken. Aber das Wetter scheint sich langsam zu bessern. Um neun Uhr schlendere ich zur Touristeninformation und setze mich vor das kostenlose Internetterminal. Im gleichen Gebäude befindet sich auch das örtliche Arbeitsamt und die berühmte Webcam. Begeistert erzähle ich dem Angestellten davon, dass ich rund ums Jahr von Lübeck nach Karesuando schaue, was ihn sichtlich freut. Nach einem kleinen Einkauf im örtlichen Supermarkt beginne ich mich langsam zu langweilen, weil es in Karesuando schlechterdings nichts zu sehen gibt. Ab und an radele ich über die Brücke nach Finnland herüber und erkunde dort ein wenig die Gegend. Insgesamt überschreite ich an diesem Tag so oft eine Landesgrenze, wie ich es noch nie in meinem Leben getan habe.

Der Höhepunkt des Tages ist natürlich die abendliche Webcam-Session, die ich auch im Internet angekündigt habe. Es macht mir großen Spaß, mich telefonierend vor die Kamera zu stellen und von weiter Entfernung gesehen zu werden! Sehr zufrieden lege ich mich danach ins Zelt und beobachte die unzähligen Mücken, die vom Vorraum aus vergeblich versuchen, zu mir ins Innenzelt zu gelangen.


Nördlichste Punkte: Hier beginnen der Sverigeleden (Schwedens längster Radfernweg)
und die N45 (Schwedens längste Fernstraße)



Blick vom Zeltplatz auf Eurosuando-Haus mit der Webcam (links)
und die Holzkirche (rechts)



Weiter geht's in Finnland

Tag 28, (14.7.): Karesuando - Enontekiö (FIN)

74,19 Km, Vav 19,0 km/h, Vmax 37,2 km/h, Gesamtsteigung: 201 m, Gesamtgefälle: 225 m, Gesamtkilometer: 2.701,80 km

  15 - 17 °C, später:   18 - 20 °C

Finnische Tundra
Trotz des erfreulichen Webcam-Aurtritts konnte ich in der Nacht nur sehr schlecht schlafen. Ich lag fast nur wach und dachte daran, wie die Radreise nun weiter verlaufen würde. Das mochte auch damit zusammenhängen, dass mit der Überquerung der Grenze zu Finnland ein neuer Abschnitt der Radreise beginnt. Fortan wird es nur noch durch den hohen Norden gehen, wo sich Klima und Landschaft vollends vom Bekannten unterscheiden. Ich freue mich darauf, endlich die Nordkalotte durchradeln zu können, und bin natürlich ein wenig aufgeregt.

Früh um sieben Uhr krieche ich aus dem Schlafsack und frühstücke mein Morgenmüsli. Bereits eine Stunde später trete ich in die Pedalen und überquere die Brücke über den Munio Älv nach Finnland. Der Himmel ist völlig bedeckt, dafür hat sich der Wind vom Vortag zum Glück gelegt. Bis Palojuensuu komme ich bestens voran, obwohl es manchmal kurze, heftige Anstiege gibt. Am Straßenrand stehen zuweilen einige Rentiere, was mich erfolgreich davon ablenkt.

Die Fernstraße 23 nach Enontekiö ist gut beradelbar und hat nur moderate Anstiege. Ich komme erstaunlich gut voran und radele in fast meditativer Stimmung durch Wäler und tundraartige Landschaften. Mein Stundenmittel beträgt unglaubliche 20 km/h, was mich anspornt, noch schneller in die Pedalen zu treten. Mit 75 Kilometern ist diese Etappe allerdings auch nicht besonders lang, so dass ich mit meinen Kräften nicht gewissenhaft haushalten muss.


Enontekiö
Am späten Vormittag beginnt es schließlich zu regnen. Erst fallen nur wenige Tropfen, dann entwickelt sich ein veritabler Dauerregen. Die Temperatur fällt und ich fröstele, weil ich nicht warm genug angezogen bin. Egal, bis Enontekiö ist es nicht mehr weit.

Am Mittag schon komme ich an. Meine erste Amtshandlung in der Stadt ist die Suche nach einem Geldautomaten, denn Finnland ist Euroland, und ich besitze nur Schwedenkronen. Eine Bank scheint es in dem kleinen nordfinnischen Städtchen (2.000 EW) nicht zu geben, dafür aber einen Geldautomaten, der sich außen am örtlichen Supermarkt befindet. Die Transaktion gelingt und ich versorge mich mit Proviant.

Anschließend radele ich zwei Kilometer zurück und gönne mir wegen des Regens das erste Mal auf dieser Radreise den Luxus einer Hütte. Für 17 Euro beziehe ich ein kleines Holzhäuschen mit vier Betten, einem Tisch und einer Kochgelegenheit. Ich genieße es in vollen Zügen, nach fast einem Monat im Zelt endlich mal auf einem Stuhl zu sitzen und nicht alles mögliche im Liegen auf der Isomatte erledigen zu müssen. Zudem erweist sich der "Hüttenplatz" als sehr angenehm und weitläufig (Sehr empfehlenswert: Ounasloma Oy, gleich der erste Platz nach der Einfahrt in den Ort aus Süden). Kaum habe ich mich in der Hütte häuslich niedergelassen, beginnt die Sonne zu scheinen. Ich werte das als gutes Zeichen und schwelge den Rest des Tages in ungewohntem Luxus.


Meine erste Hütte



Ungewohnter Luxus



Rentier an der Straße nach Enontekiö

Tag 29, (15.7.): Enontekiö - Kautokeino (N)

90,57 Km, Vav 18,8 km/h, Vmax 38,9 km/h, Gesamtsteigung: 350 m, Gesamtgefälle: 322 m, Gesamtkilometer: 2792.37 km


   20 - 24 °C

Grenze zwischen Finnland und Norwegen
Wie immer wache ich gegen sechs Uhr auf. Der erste Blick aus dem Fenster zeigt einigermaßen gutes Wetter für die Etappe ins norwegische Kautokeino. Es ist viel zu schade, diese schöne Hütte so früh zu verlassen. Deshalb döse ich noch ein wenig im bequemen Bett und frühstücke anschließend recht ausgiebig. Erst um zehn Uhr radele ich schließlich los.

Es ist recht warm, und auch der Wind bläst moderat aus günstigen Richtungen. Selbst die gelegentlich auftauchenden Hügel sind unter diesen Umständen kaum der Rede wert. Noch auf finnischem Gebiet treffe ich auf das ältere Berliner Radlerpaar, das ebenfalls auf dem Weg zum Nordkap ist. Seit Vittangi radele ich immer wieder an den beiden vorbei, was stets Anlass für einen kleinen Plausch ist. Auch dieses Mal unterhalten wir uns für ein paar Kilometer, bis ich wieder in die Pedalen trete und in meinem eigenen Rhythmus und Tempo nach Norden radele.

Die Grenze nach Norwegen ist zwar mit Schildern markiert, doch auch hier sind weder Zoll- noch Grenzhäuschen besetzt. Das wundert mich ein wenig. denn immerhin handelt es sich hier um eine EU-Außengrenze. Mit dem Beradeln norwegischen Bodens scheint sich prompt die Landschaft zu ändern. Die in Finnland bereits sehr niedrig gewordenen Wälder verschwinden plötzlich komplett. An ihre Stelle treten niedrige Büsche und Krüppelkiefern, was die Landschaft in ihrer Weite ein erstes Mal "fjellhaft" aussehen lässt. Dieses hochnordische Ambiente motiviert mich ungemein und macht mich geradezu euphorisch. Fasziniert von dieser Umgebung trete ich lustvoll in die Pedalen und laufe zur Hochform auf.

Aus einigen Wolken kann ich aus der Entfernung heftigen Regengüsse niedergehen sehen. Immer wieder richte ich mich darauf ein, nass zu werden, doch zum Glück führt die Straße jedes Mal an den Regenwolken vorbei.


Auf der Fernstraße 93 nach Kautokeino
Beschwingt radele ich durch die weiten Landschaften Nordnorwegens. Meine Kondition und Kraft scheinen zugenommen zu haben, und so bereiten mir auch längere Anstiege kaum Schwierigkeiten. Am Nachmittag schließlich erreiche ich Kautokeino (3.000 EW).

Der erste Eindruck der überwiegend von Samen bewohnten Siedlung ist zwiespältig. Die Häuser stehen wie lose über die Landschaft gestreut in der Tundra umher. Einen Ortskern gibt es auch hier nicht, was mich etwas besorgt, weil ich einen Geldautomaten brauche, um an Norwegische Kronen zu gelangen. Insgesamt wirkt Kautokeino trist und wenig einladend. Fast am anderen Ortsende finde ich schließlich ein Informationsbüro, wo ich nicht nur einen Internetzugang erhalte, sondern auch den Weg zur nächsten "Minibank" (= Geldautomat) gezeigt bekomme. Mit der Landeswährung ausgestattet, radele ich wieder zurück zum anderen Ende des Kaffs und quartiere mich im Campingplatz "Arctic Motel & Camping" ein.

Weil es Sonntag ist und alle Geschäfte geschlossen sind, muss ich von meinen Vorräten leben. Zum Glück habe ich noch ein paar Packungen Asiasuppen im Gepäck. Ihre Zubereitung, das Essen und alle weiteren Verrichtungen kosten mich dabei unzählige Mückestiche. Aus diesem Grunde verziehe ich mich schnell im Zelt und schlafe dementsprechend früh ein.


Bedrohliche Regenwolken



Kautokeino 1



Kautokeino 2



Kautokeino 3

Route

  • Tage 26 - 29


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