spatzier.net

Service-Navigation


Radreise Lübeck - Nordkap: Tag 30 - 32

Tag 30 (16.7.): Kautokeino - Masi

62,72 Km, Vav 17,4 km/h, Vmax 39,7 km/h, Gesamtsteigung: 271 m, Gesamtgefälle: 297 m, Gesamtkilometer: 2855,09 km

14 - 16 °C, stark windig

Infoschild mit Einschusslöchern
Wie gewohnt, wache ich gegen sechs Uhr auf und wandere zunächst ins Bad, um meine Morgentoilette zu erledigen. Das Wetter hat sich geringfügig verschlechtert. Es ist nicht nur ein wenig kühler geworden, sondern der Wind hat zugenommen und zu allem Überfluss die Richtung geändert. Ein Blick auf die Norwegenflagge am Campingplatz lässt erahnen, dass er mir kräftig entgegen blasen wird.

Bevor ich mich zwei Stunden später auf den Weg mache, unterhalte ich mich in der CP-Küche noch nett mit einer schwedischen Familie, die sich sehr für meine Radreise interessiert. Anschließend kaufe ich noch etwas Proviant im örtlichen coop-Markt ein, weil zu befürchten ist, im Ödland bis Alta keine Einkaufsmöglichkeit mehr zu finden. Die Preise treiben mir die Tränen in die Augen und ich beschränke mich auf ein paar Tütensuppen sowie eine Packung Kekse für unterwegs. Außerdem treffe ich hier wieder auf das Berliner Radlerpaar, das die Nacht in einem teuren Hotel in Kautokeino verbracht hat. Als Pensionäre fällt ihr Budget sicher größer aus, als meins.

Bei trübem Wetter verlasse ich sodann schnell den trüben Ort über eine steil ansteigende Straße. Oben auf der Anhöhe sitzen zwei Männer auf einer Bank, trinken Bier und genießen die Aussicht. Ich unterhalte mich kurz mit ihnen, da sie sehr zu meinem Erstaunen gut Englisch sprechen. Sie wünschen mir alles Gute für meine Tour - und das kann ich angesichts des Gegenwindes mehr als gut gebrauchen.


Zwischen Kautokeino und Masi
Mit weniger als 70 Kilometern ist die heutige Etappe ziemlich kurz. Ursprünglich hatte ich geplant, die 130 Kilometer bis Alta in einem Rutsch abzuradeln. Doch seit der gestrigen Etappe haben meine Beschwerden im linken Knie zugenommen. Zum üblichen Belastungsschmerz tritt nun nach einer gewissen Zeit ein unangenehmes Reibegefühl hinzu. Aber auch der Gegenwind und die ziemlich hügelige Topographie sprechen für eine ruhigere Gangart.

Die ersten Kilometer nach Kautokeino lassen sich auch bei Gegenwind noch recht passabel radeln. Danach wird das Streckenprofil anspruchsvoller, der Wind noch kräftiger. Teilweise muss ich selbst bei stärkerem Gefälle noch in die Pedale treten, um vorwärts zu kommen. Es ist eine einzige Plackerei - eine Radetappe zum Abgewöhnen. Unterwegs holt mich die schwedische Familie vom Campingplatz ein und hält auf einen kleinen Plausch an. Eine willkommene Abwechselung von der anstrengenden Kurbelei. Auch lenkt mich die immer grandioser werdende Landschaft ab. Oft halte ich an, lasse meinen Blick schweifen und genieße die Aussicht. Dennoch zieht sich diese Etappe wie Gummi; jeder Kilometer erscheint mir wie ein kleiner Sieg. Allerdings schaffe ich trotz allem ein Stundenmittel von über 17 km/h, was ein deutliches Zeichen dafür ist, wie sehr der Kopf am Radeln beteiligt ist. Denn obwohl mir alles wie eine Ewigkeit vorgekommen ist, war ich kaum langsamer, als sonst.

Masi Måze als Ortschaft zu bezeichnen, wäre etwas verfehlt. Vielmehr handelt es sich dabei um ein paar verstreut liegende Gehöfte, denen man einen Namen zugewiesen hat. Es gibt eine Art Touristenstation mit Restaurant und Hüttenvermietung (keinen Campingplatz). Weil ich nach dem Kampf mit dem Wind ohnehin kaum Lust auf Zelten habe, quartiere ich mich für 260 NOK in eine geräumige Holzhütte ein. Wieder genieße ich es in vollen Zügen, an einem Tisch sitzen und auf einem Bett schlafen zu können. Fängt man erst mal an, sich an den Hüttenluxus zu gewöhnen, fällt das Zelten immer schwerer.


Am Etappenbeginn


Leider kann man den Gegenwind auf dem Foto nicht sehen


Vuolggarnasjavrre

Tag 31, (17.7.): Masi - Alta

89,25 Km (incl. Rumgegurke in Alta), Vav 19,0 km/h, Vmax 38,5 km/h, Gesamtsteigung: 381 m, Gesamtgefälle: 660 m, Gesamtkilometer: 2944,34 km

   13 - 19 °C

Auf in die Finnmarksvidda!
Der erste Blick aus dem Fenster nach dem Aufstehen lässt mich aufatmen. Zwar kleben immer noch dicke Wolken am Himmel, dafür hat sich der Wind gelegt. Um zehn Uhr verlasse ich meine gemütliche Hütte, rede noch kurz mit den Berliner Radlern, die ein paar Stunden nach mir auch eine Hütte bezogen haben und ähnlich schlechte Erinnerungen an den Vortag haben, wie ich.

Der erste Teil der Etappe nach Alta lässt sich erstaunlich gut radeln. Es gibt zwar immer wieder Anstiege, doch diese fallen in aller Regel moderat aus. Mit der Zeit werden die Berge immer schroffer und felsiger. Auf einigen liegen noch Schneefelder, oft gar nicht so weit weg von mir. Auf halber Strecke folgt die Straße einem langgezogenen See auf einer in den Fels geschlagenen Trasse. Die Ausblicke werden immer interessanter und das Radeln macht wieder enorm viel Spaß.

Circa 30 Kilometer vor Alta folgt die 94 einer steilen Schlucht und weist über viele Kilometer ein starkes Gefälle auf. Ich bin fasziniert von der wilden Umgebung. In der Schlucht donnert ein Bach über Wasserfälle und Felsstufen nach unten. Links und rechts ragen steile Felsen in die Höhe. Obwohl es steil bergab geht, komme ich nicht so richtig voran. Immer wieder muss ich gebannt von der Landschaft anhalten und fotografieren. Passend dazu öffnet sich die Wolkendecke und die Sonne scheint in immer längeren Abschnitten. In Hochstimmung radele ich auf Alta zu - genau so stelle ich mir eine gelungene Radreiseetappe vor. Für solche Erlebnisse lohnen sich die ganzen Strapazen!


Die Landschaft wird wilder
Kilometer für Kilometer lasse ich mich über die abschüssigen Serpentinen durch die Berge rollen. Nachdem ich das Gebirge hinter mir gelassen habe, ändert sich plötzlich die Vegetation. Waren bisher nur noch Büsche und Krüppelkiefern zu sehen gewesen, radele ich nun durch einen Wald mit mächtigen Kiefern. Alta liegt in einer klimatisch begünstigten Zone, so dass trotz der nördlichen Breite (immerhin fast 70°) Obstanbau möglich ist und selbst Nadelbäume eine veritable Höhe erreichen. Auf den nördlichsten Kiefernwald der Welt im Stabbursdalen folgt der bei Alta auf Rang Zwei.

Eine Handvoll Campingplätze befindet sich in Øvre Alta, etwa fünf Kilometer entfernt von der eigentlichen Stadt. Weil ich letzteres nicht weiß, baue ich mein Zelt auf dem erstbesten Platz, dem Alta River CP auf - mit direktem Blick auf den Altaelva (teuer, aber halbwegs passabel). Weil es erst früher Nachmittag ist, radele ich anschließend in die Stadt, die ich aus einer früheren Reise noch kenne. Ich staune nicht schlecht, wie weit es noch dahin ist. Alta ist mit knapp 18.000 Einwohnern die größte Stadt der Finnmark und verströmt tatsächlich so etwas wie städtisches Flair. Allerdings ist ihre kühle und von sachlicher Architektur dominierte Atmosphäre etwas gewöhnungsbedürftig. Alta wurde - wie viele nordnorwegische Städte - im Zweiten Weltkrieg von der Wehrmacht komplett zerstört und der Wiederaufbau folgte funktionalen Gesichtspunkten.

Altas Zentrum ist nicht etwa die Mitte der zersiedelten Stadt, sondern lediglich ein Stadtteil, der so heißt. Hier befinden sich die (sehr gute) Touristeninformation, Banken, Kneipen und Einkaufszentren. Ich bummele ein paar Stunden umher, gucke mir die Leute an, die durch die Fußgängerzone flanieren, und mache ein paar Besorgungen. Nach der Durchquerung der Finnmark und all den winzigen Käffern seit Gällivare tut es gut, mal wieder viele Menschen auf einem Haufen zu sehen. . Am Abend verzieht sich der Himmel wieder und es beginnt zu regnen. In der Hoffnung auf Wetterbesserung verkrieche ich mich ins Zelt.


Fernstraße 94 zwischen Masi und Alta


Wasserspiele am Straßenrand


Schroffe Felsen


15 Kilometer vor Alta, im zweitnördlichsten Kiefernwald der Welt


Zentrum von Alta

Tag 32, (18.7.): Alta - Skaidi

92,35 Km, Vav 16,8 km/h, Vmax 36,3 km/h, Gesamtsteigung: 564 m, Gesamtgefälle: 325 m, Gesamtkilometer: 3.036,69 km

  11 - 14 °C

Blick auf den Altafjord
Nach dem Aufstehen zeigt sich, dass meine Hoffnungen auf besseres Wetter nicht in Erfüllung gegangen sind. Es ist bedeckt, nieselt und zudem saukalt. Ich packe meine Siebensachen und treffe in der Küche wieder auf die schwedische Familie, die ich in Kautokeino kennen gelernt habe. Die Kinder sprechen perfekt Englisch; außerdem gehört noch eine Neuseeländerin zu ihnen, die auf Besuch ist. Sie meint, man könne Norwegen durchaus mit ihrer Heimat vergleichen. Nach einem kurzen Plausch mache ich mich in warmen Regensachen auf den Weg nach Skaidi.

Ich habe im Übrigen beschlossen, das Nordkap nicht direkt mit dem Rad anzusteuern, sondern über Skaidi nach Hammerfest zu radeln und von dort ein Schiff der Hurtigrouten nach Honningsvåg zu nehmen. Dieser Plan geht zurück auf den Tipp eines Schweizer Radlerpaares und hat den Vorteil, dass ich endlich mal nach Hammerfest komme (wollte ich schon immer) und mir die lästigen Tunnels auf der E69 erspare. Ich weiß, dass das nicht der alpine Radreisestil ist - aber die Vorteile sind nicht von der Hand zu weisen.

Bei unschönem Nieselregen mache ich mich auf den Weg. Zunächst muss ich Alta nach Osten hin durchqueren und dabei immer dem Altafjord folgen. Die Stadt zieht sich erstaunlich in die Länge, dafür sind die Ausblicke auf die schneebedeckten Berge auf der anderen Fjordseite grandios. Leider hängen die Wolken sehr tief, so dass die Aussicht nicht immer gut ist.


Schietwetter im Fjell
Kaum habe ich den "Großraum" Alta verlassen, folgt das böse Erwachen. Die lange Abfahrt aus der Finnmarksvidda auf Meereshöhe kann natürlich nicht ohne Folgen bleiben. Nun geht es von ganz unten in einem schier endlosen Anstieg wieder hoch hinauf. Bei kühlem Sprühregen arbeite ich mich mühsam nach oben, wobei unklar bleibt, ob ich vom Regen oder vom Schweiß durchnässt werde. Irgendwann komme ich oben auf dem Fjell an. Es wird deutlich, dass das günstige Mikroklima um Alta hier keinen Einfluss mehr hat. Es stehen kaum noch Bäume, und wenn, dann als krüppelige Miniaturausgaben. Es dominiert das kahle Fjell, das im Schietwetter mit niedrigen Wolken gleich doppelt so einsam wirkt, als sonst.

Glücklicherweise verläuft die Straße nach dem Anstieg einigermaßen eben, obgleich noch der ein oder andere Hügel zu überwinden ist. Nass und frierend erreiche ich nachmittags Skaidi, ein ödes Kaff inmitten des Fjells. Es gibt einen Campingplatz, auf dem ich mein Zelt aufbaue. Eine Hütte wäre mir lieber gewesen, doch die Preisvorstellungen des Betreibers vertreiben jeglichen Gedanken daran. Nach dem frühen Abendessen verkrieche ich mich im warmen Schlafsack. Was soll man auch sonst in einem Ort wie Skaidi tun?


Nichts als Kahlfjell (E6 zwischen Alta und Skaidi)



Alta, Stadtteil Bossekop



Impression aus dem Altaer Zentrum

Route

  • Tage 30 - 32


Alle Inhalte © Frank Spatzier 2007