spatzier.net

Service-Navigation


Radreise Lübeck - Nordkap: Tag 22 - 25

Tag 22 (8.7.): Sorsele - Arvidsjaur

86,30 Km, Vav 17,2 km/h, Vmax 36,8 km/h, Gesamtsteigung: 452 m, Gesamtgefälle: 440 m, Gesamtkilometer: 2114,27 km

16 - 19 °C

Ortszentrum Arvidsjaur
Nach dem Aufstehen zeigt sich mit aller Deutlichkeit, dass die sommerlichen Tage gezählt sind. Der Himmel ist bedeckt, es bläst ein lästiger Wind und ist etwas kühler geworden. Ein wenig demotiviert packe ich die Sachen und beeile mich dabei, damit mich nicht womöglich ein Regenschauer bei Zeltabbau erwischt. Zum Glück bleibt es den ganzen Tag trocken, obwohl es immer wieder so aussieht, als würde es jeden Moment zu regnen beginnen.

Auch auf der 45 bietet sich wieder das immergleiche Bild von schier endlosen Wäldern, die nur ab und zu mal von Moorflächen unterbrochen werden. Allerdings verläuft die Stecke weitegehend flach, was ein zügiges Vorankommen erlaubt. Ich habe gut gefrühstückt und radele fast ohne Pause durch. Nach wenigen Stunden erreiche ich Arvidsjaur (4.600 EW), die erste stark samisch geprägte Siedlung in Lappland. Das Stadtbild unterscheidet sich wenig von dem der meisten nordschwedischen Städte. Dafür glänzt Arvidsjaur mit "Lappstaden", einer historischen Samenunterkunft und einer mystisch aussehenden Kirche.

Angesichts der Wetterverschlechterung habe ich wieder keine Lust auf ein Wildcamp und baue mein Zelt auf dem örtlichen Campingplatz auf. Mit 160 SKR ist er mehr als teuer, vor allem, wenn man den Zustand von Dusche, WC und Küche sieht. Die einzigen Pluspunkte sind der gemütliche Aufenthaltsraum "Stockstugan" sowie der kostenlose Internetzugang.


Lappstaden in Arvidsjaur

Tag 23, (9.7.): Arvidsjaur - bei Majtum

128,32 Km, Vav 17,1, Vmax 37,3 km/h, Gesamtsteigung: ? m, Gesamtgefälle: ? m, Gesamtkilometer: 2242,59 km

   9 - 11 °C

Inlandsvägen bei tristem Regenwetter
Schon in der Nacht kündet das Regengeprassel auf der Zeltplane vom endgültigen Ende der Sommertage. Ich habe mich zum ersten Mal komplett in den Schlafsack gelegt und den Reißverschluss bis zum Hals zugezogen, weil die Temperaturen auf ein spätherbstliches Maß heruntergefallen sind. Ich gratuliere mir zu dem Entschluss, den warmen Schlafsack überhaupt mitgenommen zu haben - ursprünglich wollte ich aus Gewichtsgründen nur einen leichten Sommerschlafsack einpacken.

Nachdem das Gerödel am Rad verstaut ist, mache ich mich mit voller Regenmontur auf den Weg. Über den wärmenden Beinlingen trage ich die Regenhose, die außer dem Regen auch den Wind abhält. Zwar ist sie nicht atmungsaktiv, doch das macht wegen der Beinlinge nicht viel. Es wird zwar feucht an den Beinen, bleibt aber angenehm warm. Oben trage ich ein langärmliges Fleecehemd, darüber die Regenjacke. Auf dem Kopf reicht eine Kappe. So gerüstet mache ich mich auf den Weg in Richtung Jokkmokk. Die E45 windet sich trist durch hügelige Wälder und die Sicht wird von tiefhängenden Wolken behindert. Der Regen hat sich in einen lästigen Sprühregen verwandelt, der vom Wind in alle Poren gedrückt wird.

Am Nachmittag bessert sich das Wetter ein wenig, d.h. der Sprühregen lässt etwas nach. Weil ich weder Lust noch Kraft habe, die restlichen 30 Kilometer bis Jokkmokk abzureißen und mir die exorbitanten Preise auf dem letzten Campingplatz noch in den Knochen stecken, suche ich mir ein gemütliches Plätzchen im Wald und campe wild. Geschafft verbringe ich den Abend im Zelt und schlafe eingemurmelt im Schlaftsack schneller ein, als mir lieb ist.

Tag 24, (10.7.): Nähe Majtum - Gällivare

124,78 Km, Vav 17,6 km/h, Vmax 36,9 km/h, Gesamtsteigung: 476 m, Gesamtgefälle: 430 m, Gesamtkilometer: 2.367,37 km

   10 - 13 °C

Hauptstraße in Jokkmokk
So warm mir in der Nacht war, so kühl ist es am Morgen beim Aufstehen. Auch auf meinen morgendlichen Löskaffee verzichte ich und beeile mich, schnell loszukommen. Das Wetter hat sich kaum gebessert: es ist herbstlich kühl und immer wieder gehen Sprühschauer nieder. In einer Regenpause baue ich das Zelt ab, muss aber ein erstes Mal Innen- und Außenzelt getrennt verstauen. Die Kleidung konnte über Nacht zum Glück weitgehend trocknen - ein Hoch auf schnelltrocknende Funktionsmaterialien!

Das Radeln ist heute wieder eintönige Routine vor einer eintönigen Landschaft. Die Wälder versinken in tiefhängen Wolken und immer wieder gehen Regenschauer nieder. Nach einer Handvoll Kilometern überquere ich den nördlichen Polarkreis, zu dessen Ehre man einen größeren Kiosk neben die Fahrbahn gesetzt hat. Meiner Kamera zuliebe verzichte ich wegen des Regens auf eine Foto-Trophäe und radele ungerührt einfach vorbei, ja ignoriere den nördlichen Polarkreis geradezu. Ich spüre ihn so wie so jede Nacht, wenn es nicht mehr dunkel wird. Und nicht zuletzt erinnert mich auch das Wetter daran, dass ich mich fortan in Gefilden bewege, die theoretisch schon zur Arktis gezählt werden können.


Bahnhof von Gällivare
Ein wenig angesäuert wegen des schlechten Wetters radele ich fast mechanisch weiter. In Jokkmokk (3.000 EW), einem ebenfalls stark samisch geprägten Städtchen, lege ich eine kurze Pause ein. Nach dem Ort verläuft die E45 erst eben und führt dann hinab ins Tal des Store Luleälven, der zur Stromgewinnung aufgestaut wird. Auf der anderen Seite geht es dann über einen kilometerlangen und zermürbenden Anstieg wieder nach oben. Wenigstens wird mir bei der Strampelei warm. Oben angekommen, bleibt die Straße relativ eben, was mir trotz der Abkühlung wesentlich lieber ist. Über Stunden radele ich durch weite Wälder, die in diesen Breiten aber zunehmend an Höhe und Dichte verlieren. Einzige Abwechwslung ist das Städtchen Porjus, das ein Zentrum für die Energiegewinnung aus Wasserkraft ist.

Am späten Nachmittag erreiche ich endlich Gällivare (8.450 EW), das zusammen mit dem angrenzenden Malmberget ("Erzberg") ein nordschwedisches Abbauzentrum für Eisenerz bildet. Auf dem Hausberg der Stadt, dem 823 Meter hohen Dundret, liegen noch Schneefelder. Um mal wieder zu duschen und dem miesen Wetter etwas zu entgehen, baue ich mein Zelt auf dem Campingplatz auf. Anschließend erkunde ich die sympathische Kleinstadt und erledige meine Einkäufe im gut ausgebauten Ortszentrum. Wieder zurück, koche ich mir mein wohlverdientes Abendmahl und trinke mein noch wohlverdienteres Feierabendbier.


Kirche von Gällivare, dahinter der Dundret (823 m)



Ortsnamen auf Schwedisch und Sami



Schilderbaum in Lappeasuando (Gemeinde Kiruna)

Tag 25, (11.7.): Gällivare - Vittangi

117,32 Km, Vav 18,9 km/h, Vmax 47,6 km/h, Gesamtsteigung: 406 m, Gesamtgefälle: 518 m, Gesamtkilometer: 2484,69 km

   14 - 22 °C

Inlandsvägen zwischen Svappavaara und Vittangi
Ich wache früh um fünf Uhr auf und kann wieder einmal nicht mehr einschlafen. Kurz darauf mache ich eine ausgiebige Morgentoilette (mit Dusche) und frühstücke anschließend lange. Das Wetter hat sich gebessert; die Wolkendecke ist aufgerissen und es ist ein wenig wärmer geworden. Frohen Mutes baue ich ab und radele zur Rezeption zum Auschecken. Während ich am Tresen stehe, spricht mich zu meinem großen Erstaunen ein deutscher Radlerkollege an, der zufällig zur gleichen Zeit vor Ort ist. Da er nach Kiruna möchte, können wir eine große Strecke zusammen radeln - eine mehr als willkommene Abwechselung nach all den einsamen Kilometern durch die endlosen nordschwedischen Wälder!

Uwe kommt aus Potsdam und ist mit seinem Liegerad ebenfalls auf dem Weg zum Nordkap. In Kiruna möchte er seine Frau abholen, die dort samt Rad mit dem Flugzeug landen wird. Gemeinsam wollen sie dann zum Kap fahren. Zu zweit macht das Radeln gleich viel mehr Spaß. Wir unterhalten uns über alles mögliche und die Zeit vergeht wie im Fluge. Ich merke fast nicht mehr, wie sich die Kilometer abspulen, und schaue auch nicht mehr ständig auf die Zahlen auf dem Tacho. Bis Svappavaara, wo sich unsere leider Wege trennen, sind es die 80 angenehmsten Kilometer der bisherigen Radreise, die wir fast ausschließlich nebeneinander radeln. Die einzigen Autofahrer, die deswegen gelegentlich hupen, sind übrigens deutsche Landsleute.


Brücke über den Torneälven
Wieder alleine, bringe ich noch die letzten Kilometer bis Vittangi hinter mich. Auf diesem Abschnitt herrscht wenig sehr Verkehr und die Wälder bestehen nur noch aus kleinen Bäumen. Die Wolken verziehen sich immer mehr und machen einer warmen Sonne Platz. Vittangi ist ein kleines Dorf mit zwei Supermärkten und einem Campingplatz auf der anderen Seite des breiten und wilden Torneälven. In einer sehr idyllischen Umgebung zelte ich so in unmittelbarer Nähe zum Fluss, wobei mich der Zeltaufbau mindestens ein Dutzend Mückenstiche kostet - trotz Mückenspray.

Nach dem Essen unterhalte ich mich noch mit einem Hamburger Paar, die mit Auto und Zelt unterwegs sind (kostet mich nochmal ein Dutzend Stiche...). Sie berichten mir von tagelangem Dauerregen in Finnland und meinen, dass dies der erste Tag seit zwei Wochen mit Sonnenschein sei. Ich kenne zwar den Wetterbericht nicht, baue aber auf die Statistik und hoffe auf eine Rückkehr des Sommers.


Der Torneälv



An den mückenverseuchten Flussauen



Nie einsam: Mücken leisten mir auf dem Innenzelt Gesellschaft

Route

  • Tage 22 - 25


Alle Inhalte © Frank Spatzier 2007