Radreise Baltikum - Süd-Skandinavien, Tag 30 - 33: Borensberg - Gränna - Ulricehamn - Borås - Göteborg - Lübeck

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Tag 30 (15.8.): Borensberg - Gränna

88,64 Km, Vav: 18,63 km/h, Vmax: 45,61 km/h, Gesamtkilometer: 1.694,28

  18 - 23 °C


Wegweiser
Nicht jede Etappe muss aufregend sein. Heute geht es von Skansund auf Mörkö nach Nyköping, und zwar durch überwiegend agrarisch geprägte Schon beim Zusammenpacken unserer Siebensachen zieht sich der Himmel zu. Aus kleinen Wolken wird eine dichte graue Decke, und von den morgendlichen Sonnenstrahlen ist immer weniger zu sehen. Bevor wir losradeln, ziehen wir vorsorglich die Regenklamotten an. Eine weise Entscheidung, denn kaum haben wir Borensberg verlassen, beginnt es auch schon zu tröpfeln. Und es ist durchaus entwicklungsfähig, denn phasenweise steigert sich das Tröpfeln in einen veritablen Landregen. Uns stört das nicht, denn wir haben Rückenwind! Beim Reiseradeln gilt, dass sonniges Wetter mit Gegenwind eindeutig negativer ist, als regnerisches Wetter mit Rückenwind.

Und so lassen wir uns wohlgemut durch die Östgöta-Ebene in Richtung Vätternsee blasen. Darüber hinaus kann uns das trübe Wetter nicht einmal die Landschaft vermiesen, denn zu sehen gibt es hier ohnehin nichts. Zwischen Borensberg, Skänninge und Ödeshog gibt es nichts als langweilige Ackerlandschaften. In Ödeshög, flapsig zu übersetzen mit "ödes Loch", machen wir eine Rast und verputzen unsere Mittagspizza.


Schweden im Regen
Frisch gestärkt entern wir die ufernahe Parallelstraße zur E4, wo die Landschaft wirrer abwechslungsreicher wird. Am Ufer des Vätternsees geht es leicht bergig zu, dafür werden wir ab und an mit schönen Ausblicken über den See belohnt. Am Nachmittag taucht auf einem Berg linker Hand die Brahehus slottsruine auf, danach rollen wir fast endlos bergab bis nach Gränna.

Das kleine Örtchen (2.500 EW) ist hauptsächlich bekannt durch die Produktion süßer Zuckerstangen. Davon abgesehen verfügt es über ein idyllisches Stadtbild und ist eines der touristischen Zentren der Region.

Wegen des regnerischen Wetters haben wir keine Lust auf eine Nacht im Zelt. Nachdem wir in der Touristeninfo von den hohen Preisen der Campinghütten (700 SKR) erfahren haben, gehen wir lieber gleich auf Hotelsuche. Keine zehn Minuten später werden wir fündig. Das altbackene Hotel Rabbrgården kostet nur knapp darüber und ist - einmal abgesehen von eintönigen Frühstück - im Großen und Ganzen ganz nett. Die Räder dürfen übrigens auch sicher im Flur übernachten.




Küstenstraße am Vätternsee


Gränna


Gränna

Tag 31, 16.8.: Gränna - Ulricehamn

95,23 Km, Vmax: 47,5km/h, (50,1 km/h Claudi) Gesamtkilometer: 1.789,51 km

  16 - 20 °C


Jönköping liegt in hügeligem Terrain
Mit dem Sommer scheint es hier in Schweden nun endgültig vorbei zu sein. Mit jedem Tag wird es kühler, und auch die Sonne zeigt sich nur noch in Ausnahmefällen. Nachdem wir das fade und für Vegetarier wenig erbauliche Frühstück im Ribbagården Hotel verschlungen haben, geht es los in Richtung Jönköping. Um dorthin zu kommen, muss einiges an Schweiß fließen, denn der Vätternsee ist umgeben von recht hügeligem Terrain. Über Ölmstad, Skärstad und Vaxholmen arbeiten wir uns durch das Mittelgebirge und erreichen gegen Mittag Jönköping.

Wie die meisten schwedischen Städte, strahlt auch Jönköping (84.000 EW) den Hauch einer nüchternen Funktionalität aus. Und wie in Schweden auch recht üblich, hat man den Autoverkehr gerne bei sich in der Stadt und leitet die abgasschwangere E4 mitten hinein. Für uns ergibt sich dadurch die Schwierigkeit, irgendwie über die Autobahn zu kommen, da diese ausgerechnet zwischen Berghang und Vätternufer verläuft. Wir finden schließlich eine Fahrradbrücke, und radeln dann durch triste Industriegebiete auf das Zentrum zu.

Wir haben vor, noch heute Ulricehamn zu erreichen. Das geht nur über die Reichsstraße 40, da alles andere riesige Umwege bedeuten würde. In der Touristeninformation rät man uns dringend davon ab, d iese Straße zu benutzen. Doch angesichts fehlender Alternativen müssen wir diese Warnung in den Wind schlagen.

Leicht frierend setzen wir unseren Weg im Nieselregen fort. Schnell beginnen wir wieder zu schwitzen, denn Jönköping ist von Bergen eingekesselt, die bei jeder Ortsausfahrt erklommen werden wollen. Schließlich haben wir es geschafft und stehen vor dem Zubringer zur Fernstraße. Etwa 50 Kilometer liegen noch vor uns - die 50 schlimmsten und gefährlichsten Kilometer der gesamten Tour.


Blick auf Jönköping
Schweden ist ein ausgesprochenes Autofahrerland. Das trifft besonders auf die Verkehrs- und Straßenplaner zu, die bei der Konstruktion der Fernstraßen ausschließlich die Belange der Blechkistenlenker im Visier haben. Dass auch Radfahrer die Dreistigkeit haben könnten, diese verkehrsoptimierten Asphaltandern zu benutzen, kommt diesem Benzinhirnen nicht in den Sinn.

Um konkret zu werden: Zwischen Jönköping und Ulricehamn gibt es außer der Reichsstraße 40 keine vernünftige Verbindung. Diese ist für den Radverkehr auch nicht verboten - trotzdem aber nur unter Lebensgefahr zu befahren. Denn hier herrscht das in Schweden gern benutze 2-Spur-1-Spur Wechselsystem. Für zwei Kilometer ist eine Fahrtrichtung zweispurig ausgebaut, die Gegenrichtung einspurig. Dann wechselt das Ganze und man hat nur eine Spur, während der Gegenverkehr zwei hat. Immer schön abwechselnd. Das wäre an sich kein Problem, wenn all die Spuren nicht mit stabilen Leitplanken versehen wären. Am schlimmsten ist die Mittelleitplanke, die es LKWs unmöglich macht, beim Überholen eines Radfahrers auszuweichen. Um die Gefahr für Radler noch auf die Spitze zu treiben, haben die klugen Ingenieure manchmal auch Leitplanken am rechten Fahrbahnrand aufgestellt. Dann können weder Radfahrer noch LKWs ausweichen. Die Folge ist akute Lebensgefahr bei jedem überholenden Fahrzeug.


Jönköping, am Vättern-Ufer
Aber wir haben keine Wahl und stürzen uns ins Getümmel. Claudi fährt vor, während ich den Verkehr per Rückspiegel kontrolliere. Bei jedem LkW warne ich sie. Dann heißt es konzentrieren und unter keinen Umständen die handtuchbreite Spur verlassen, die einem noch bleibt. Dann rauschen die Sattelzüge mit Minimalabstand an uns vorbei, während wir hoffen, unversehrt davon zu kommen. So geht es über dreißig Kilometer durch Wind und Nieselregen.

Einmal hupt es vehement, und von hinten kommt ein Schwerlasttransporter mit Überbreite angefahren. Weil er nicht ausweichen kann, müssen wir samt beladenen Rädern die Böschung hinabrollen, um Platz zu machen. Einmal sehen wir rechts neben der Leitplanke ein Radweg-Schild. Den dazugehörigen Radweg finden wir dann auch. Aber er ist in einem erbärmlichen Zustand und wurde wohl aus Alibigründen angelegt, um Radfahrer an einer besonders gefährlichen Stelle nicht allzu offensichtlich in den Tod zu treiben. Ein Hoch auf das Fortschrittliche Schweden!

In Gullered haben wir die Schnauzen voll. Von hier führt eine Nebenstraße nach Ulricehamn. Ab hier mit vertretbarem Umweg und durch eine hügelige Landschaft - aber besser, als auf der 40 über den Haufen gefahren zu werden. Und so kommen wir erst gegen 20 Uhr in Ulricehamn an, nehmen uns ein Hotel und sind heilfroh, noch am Leben zu sein.






Am Ufer des Vättern


Pseudo-Radweg an der lebensgefährlichen Reichsstraße 40


Pseudo-Radweg an der lebensgefährlichen Reichsstraße 40

Tag 32, 17.8.: Ulricehamn - Borås - Göteborg

66,00 Km, Gesamtkilometer: 1.844,03 km

  17 - 20 °C


Auf dem Radweg zwischen Ulricehamn und Borås
Manchmal ist eine Reise schneller vorbei, als man glaubt. Das ist uns aber noch nicht bewusst, während wir am Morgen die Räder bepacken. Da wir immer noch nicht genau wissen, wie wir uns heutiges Etappenziel Borås erreichen wollen, fragen wir in der Touristeninfo um Rat. Wir müssen ein wenig warten und lesen derweil die Kommentare zu unserem Blog. Nordkapradler Frank Haake hat uns geschrieben. Er kennt auch diese Gegend sehr gut und berichtet uns von einem Radweg, der auf einem ehemaligen Bahndamm von Ulricehamn bis nach Borås führt. Das ist nicht nur die Antwort auf unsere Frage, sondern genau das, was wir nach dem gestrigen Straßen-Fiasko brauchen - einen langen, ruhigen Radweg ohne Autoverkehr.

Wir besorgen uns eine Regionalkarte und machen uns auf den Weg. Und tatsächlich - der Tipp ist Gold wert! Entspannt radeln wir durch Wiesen und Wälder, ohne jeglichen KFZ-Verkehr und sonstige Störungen. Erst kurz vor Borås müssen wir wieder auf die Straße.

Borås (63.000 EW) ist auf den ersten Blick keine schöne Stadt. Auch hier kreuzen sich mitten in der Innenstadt die verkehrsreichsten Fernstraßen und sorgen für ein motorlastiges Klima. Wir sind unschlüssig, ob wir hier ein Hotel nehmen, oder nach Göteborg weiterradeln sollen. Zu letzterem haben wir nicht viel Lust, denn es würde bedeuten, wieder verkehrsreiche Landstraßen zu beradeln - ganz zu schweigen vom Getöse in Schwedens zweitgrößter Stadt. Zum Übernachten im langweiligen Borås können wir uns aber auch nicht durchringen.

Und was macht der Radreisende in so einer Situation der Ambivalenz? Er besucht die Touristeninformation. Wir nerven eine Angestellte mit unserer Planlosigkeit und bringen sie am Ende dazu, im Bahnhof anzurufen und nachzufragen, ob man denn samt Rädern mit dem Zug nach Göteborg kommen könne. Man kann, lautete die Antwort. Eine Viertelstunde später stehen wir am Bahnhof beim Ticketschalter.


Göteborg
Auch hier heißt es, die Radmitnahme sei kein Problem. Fahrkarten könne man uns aber nicht verkaufen, das machten die Kollegen im Zug. Die nette Dame nennt uns die nächstmögliche Verbindung und wir verschwinden in Richtung Bahnsteig.

Pünktlich rollt der Zug ein, doch Personal ist keines zu sehen. Egal, nun heißt es Fakten schaffen. Wir hieven unseren Kram in den engen Zug hinein und können alles mehr schlecht als recht zwischen zwei Abteilen deponieren. Kurz darauf kommt die Schaffnerin. Sie ist alles andere als begeistert und pflaumt uns an, dass die Mitnahme von Rädern nicht erlaubt sei. Wir erklären die Vorgeschichte, worauf sie meint, die Leute im Bahnhof hätten nicht mehr alle Tassen im Schrank. Da wir aber nun schonmal im Zug sind, kann sie nicht mehr viel machen und muss uns zähneknirschend dulden.

Zwei Haltestellen später bahnt sich Unheil an. Ein Rollstuhlfahrer möchte den Zug benutzen. Eine Situation, die im hochmodernen schwedischen Bahnsystem so nicht unbedingt vorgesehen ist. Der arme Mann muss auf einer kaum vertrauenswürdigen Behelfsrampe in den Zug rollen, was ihm nur dank Elektrorolli und Begleitperson gelingt. Platz ist auch für ihn nicht, obwohl ich mit meinem Rad vor die Kaffeeküche flüchte. Er muss sich also irgendwie ins Abteil zwängen, so dass jeder aussteigende Fahrgast förmlich über ihn hinübersteigen muss.


Göteborg
In Göteborg (507.000 EW) schließlich bedarf es der Hilfe von vier Personen, um den Rollifahrer rückwärts über die wackelige Rampe aus dem Zug zu hieven. Wir sind entsetzt und hätten von Schweden in dieser Hinsicht mehr erwartet.

Wir sind ein wenig lustlos, jetzt in der letzten Station unserer Radreise. Zwar befinden wir uns in Göteborg, haben aber irgendwie wenig Lust auf weitere Arbeit. Zu verlockend ist die Aussicht, noch heute mit der Fähre gen Kiel abzufahren. Und zu aufwändig erscheint uns der Gedanke, sich durchs Großstadtgetümmel zu quälen und ein Hotel zu suchen, das wir morgen eh wieder verlassen müssten, bevor wir zur großen Stadtbesichtigung schreiten könnten. Also überlassen wir alles Weitere dem Schicksal: Sollte es uns gelingen, noch rechtzeitig den Fähranleger zu finden und unser Ticket umzubuchen, reisen wir schon heute ab. Wenn nicht, bleiben wir noch einen Tag.

Das Schicksal ließ uns schließlich an Bord. Fast in letzter Sekunde erreichen wir die Check-In, können eine Umbuchung vornehmen und finden uns kurz darauf am Luchbuffet der Fähre wieder. Bier und Wein inklusive, dazu auch jede Menge Vegetarisches - so kann man eine Reise würdig ausklingen lassen.


Göteborg


Göteborg


Abschied von Schweden, dem siebten Land auf dieser Radreise

Tag 33, 14.8.: Kiel - Lübeck (Regionalexpress)

7 Km, Gesamtkilometer: 1.851,03 km

  17 - 19 °C

Das Wetter passt zum Anlass. Ähnlich wie in Stockholm, spuckt uns die Fähre in ein verregnetes Kiel aus. Egal, denn paar Meter zum Bahnhof sind auch im Regen nicht die Rede wert. Wir kaufen Tickets und besteigen den nächsten Regionalexpress nach Lübeck. Und soviel man auch der Deutschen Bahn herummäkeln kann - im RE herrscht viel Platz für Fahrräder. Soviel Platz, dass selbst noch ein zweites Reiseradler-Päärchen samt Rädern und Gepäck unterkommt. Die beiden stehen erst am Beginn ihrer zweiwöchigen Tour durch Vorpommern. Keine schönen Aussichten bei dem Wetter. Wir beneiden sie nicht, denn heute Abend schlafen wir wieder in unserem gemütlichen Bett in Lübeck. Ich das erste Mal wieder seit 33 Tagen.


Kiel - Laboe in Sicht

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