Radreise Baltikum - Süd-Skandinavien, 22 - 25: T22 - 25: Stockholm - Mörkö

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Tag 22 (7.8.): Mariehamn - Stockholm

18,52 Km, Gesamtkilometer: 1.341,21

  13 - 17 °C


Regen in Stockholms Schären
Das Pech kündigt sich schon in den Stockholmer Schären an: Je weiter wir und von den Åland-Inseln entfernen, desto regnerischer wird es. Dabei hat alles so gut angefangen. Heute Morgen sind wir bei schönem Wetter zum Fährhafen in Mariehamn geradelt und haben als einzige Zusteiger eingecheckt. Die sechs Stunden im Schiff schlugen wir uns auf einer Sitzgruppe im Kinder-Spielparadies um die Ohren, weil sonst keine Sitzgelegenheiten mehr aufzufinden waren. Das Geplärre und Getobe in unserer unmittelbaren Nähe zerrte reichlich an den Nerven, doch so konnten wir wenigstens unseren Lesestoff auf einem Tisch ausbreiten. Nun stehe ich auf Deck und schaue in einen immer dichter werdenden Regen hinaus, während sich in Fahrtrichtung langsam die Stockholmer Vororte aus dem Dunst schälen.

Und tatsächlich, unsere Ankunft in der schwedischen Hauptstadt könnte trister nicht sein. Aus dem Bauch des Schiffes radeln wir in die Dunkelheit einer bösartigen Regenfront hinein. Es gießt wie aus Kübeln und ein Ende scheint nicht in Sicht. Angesichts der Wassermassen erscheint uns die Idee, auf dem Campingplatz Mälarhöjden zu übernachten, wenig praktikabel. Es würde uns kaum gelingen, das Zelt halbwegs trocken aufzustellen. Vom feuchtigkeitslosen Wohnen darinnen ganz zu schweigen. Ein Hotel muss her, koste es, was es wolle.


Stockholm im Platzregen
Doch Stockholm ist nicht Tallinn - und schon gar nicht am Wochenende. Das jedenfalls müssen wir schmerzlich in der Touristeninformation im modernen Norrmalm erfahren. Dort erzählt mir eine bemühte Angestellte betroffen, dass das einzige freie Hotel in ihrem Buchungssystem 30 Kilometer nördlich der Hauptstadt liegt. Ansonsten sei alles belegt. Hervorragende Aussichten - währende der Regen draußen noch einen Gang zulegt und sich nun als Dauer-Wolkenbruch über uns ergießt.

Was bleibt uns anderes übrig, als zum Campingplatz zu radeln und in den Hotels auf dem Weg nach Asyl zu bitten. Klatschnass und reichlich frustriert machen wir uns auf den Weg. Keine schöne Sache, denn auf den Straßen steht das Wasser und jedes dritte Auto sorgt für eine zusätzliche Seitendusche. Zum Glück kenne ich noch den Weg von meiner Radreise im Jahre 2005. Und so radeln wir geknickt einem ungewissen Schicksal entgegen - denn die Rezeption des Campingplatzes hat bereits seit einigen Minuten geschlossen.


Hörtorghusen
Zunächst geht es durch Södermalm, dann über die Lilljeholmsbron in Richtung E4, der wir bis zur Ausfahrt Hagersten folgen. Dabei stoßen wir auf ein erstes Hotel, das billig wirkende Formula 1 an der Autobahn. Alles belegt. Also weiter. Wir radeln durch den Västertorpsvägen immer weiter auf den Campingplatz Mälarhöjden zu. Am Ende der Straße, kurz vor der Abzweigung zum Mälarsee - ein Ibis-Hotel. Vor der Tür lungern zwei Motorradfahrer aus Kassel herum, die uns bewundernd anblicken. Ich hechte zur Rezeption. Vor mir diskutiert eine dritte Motorradfahrerin mit der Angestellten und es stellt sich heraus, dass es noch drei freie Zimmer gibt. Doch es hängt von den Motorradleuten ab, ob wir leiden oder leben dürfen. Sie begnügen sich mit zwei Zimmern und wir erhalten das letzte freie Zimmer ganz Stockholms.

Gerettet. Wir sind so durchnässt, dass man uns Handtücher reichen muss, um die Anmeldezettel nicht aufzuweichen. Und nachdem wir es uns im Zimmer eingerichtet haben, ist der gesamte Boden mit einer durchgehenden Wasserlache überdeckt. Doch wir haben ein Zimmer! Wir hätten es kaum für möglich gehalten, wieviel Freude und Glückseligkeit ein schnödes Ibis-Hotel in uns auslösen kann. Die Fahrräder dürfen übrigens als einzige Fahrzeuge die große Hotelgarage bewohnen - weil das Tor defekt und abgeschlossen ist.

So glücklich wir über diese Fügung des Schicksals sind, so nachdenklich stimmt uns das allerdings auch. Denn was ist mit all jenen armen Menschen, die kein Dach über dem Kopf und keine Kreditkarte für den Zugang zu einem Hotel besitzen? So verbringen wir einen zwar trockenen, aber auch nachdenklichen Abend in einem regengeschwängerten Stockholm.




Gamla stan, Västerlånggatan


Södermalm, Nähe Slussen


Sergels Torg

Tag 23, 8.8.: Stockholm

0 Km, Vav: Gesamtkilometer: 1.341,21 km

  18 - 23 °C


Mal wieder eine kaputte Therm-a-Rest Matte
Den ersten Ruhetag in Stockholm verbringen wir mit einer kleinen Besichtigung der Altstadt (Gamla Stan) und dem modernen Geschäftszentrum in Norrmalm. Ich muss mir hier eine neue Isomatte besorgen, da meine aktuelle schon in Lettland begonnen hat, ihren Geist aufzugeben. Im Falle dieser nicht gerade billigen Therm-a-Rest Matte heißt das, dass sich der Außenbelag vom Innenmaterial ablöst und unbequeme Beulen aufwirft, sobald Luft drinnen ist.

Zwar steht in wichtigen Lettern das Wort "Lifetime-Warranty" auf einem Etikett, doch nutzt das wenig, wenn man auf Reisen ist und funktionsfähiges Equipment braucht. Nebenbei bemerkt, haben diese Therm-a-Rest Matten die Eigenschaft, sich prinzipiell auf großen Radreisen zu verabschieden. Denn mein aktuell zerbröselndes Modell habe ich während meiner Nordkap-Tour 2007 in Mora erstanden, nachdem sich ihre Vorgängerin zwei Etappen zuvor auflöste. Zur Strafe kehre ich dem Hersteller nun den Rücken und kaufe eine Isomatte von Mc Kinley.


Drottninggatan

Tag 24, 9.8.: Stockholm

9,4 Km, Gesamtkilometer: 1.350,61 km

  23 - 26 °C


Abends an der E4
Stockholm ist ein teures Pflaster. Man kassiert ab, was das Zeug hält - und am allerliebsten im Toilettenwesen. Obligatorisch müssen für jede Erleichterung 50 Kronen berappt werden - und das sogar in der Kundentoilette im gehobenen Kaufhaus Åhlens City. Selbst Mc Doof möchte da keine Ausnahme machen und kommt nicht ohne die typischen Münzautomaten aus. Aber auch im Vorfeld der Erleichterung muss berappt werden: Der kleine Supermarkt in Gamla Stan verlangt Mondpreise. Eine Flasche Mineralwasser kostet weit über einen Euro (umgerechnet) und eine Dose Schwedenplörre das dreifache. Eine Kugel Eis kann mal locker drei Euro kosten, und auch sonst wird man sein Geld schneller los, als man gucken jann.

Erschwinglich scheinen in Schweden nur Pizzen zu sein. Und zwei davon nehmen wir abends in einer netten Pizzeria in Hagersten zu uns, bevor wir in unserem Hotelzimmer einen Schlummertrunk in Form einer Flasche Wein und mehrerer Dosen Starkbier (Arboga mit 10,2 Vol-%) zu uns nehmen. Diese Leckereien stammen übrigens aus dem Systembolaget, wo man im Grunde sehr gut einkaufen kann - sofern man den Preisschildern nicht allzu viel Beachtung schenkt. Im Gegensatz zur staatlichen Intention der Alkoholächtung verleitet die ansprechende Präsentation der Flaschen und Dosen erst recht zum Kauf. Doppelmoral ist auch in Skandinavien nichts Unbekanntes.




In den Stockholmer Vorstädten


In den Stockholmer Vorstädten

Tag 25, 10.8.: Stockholm - Skansund / Mörkö

46,00 Km, Gesamtkilometer: 1.396,61 km

  abends:   17 - 13 °C


Landstraße nach Mörkö
Nach drei Tagen in der schwedischen Hauptstadt wird es dringend Zeit, unsere Reise fortzusetzen. Heute steht uns nur eine kleine Etappe von knapp 50 Kilometern bevor. Allerdings heißt es zunächst einmal aus dem größten Ballungsraum Skandinaviens herauszufinden. Zwar befinden wir uns in unserem Hotel bereits nahe der Stadtgrenze Stockholms. Doch an die Hauptstadt schließen sich eine Reihe von Vorstädten an, die sich in Sachen Größe und Verkehrsdichte auch gut sehen lassen können. Und vor allem sind sie eines: hässlich. Botkyrka, Huddinge, Tullinge, Vårby oder Alby - alles wohlklingende Namen für graue Trabantenvorstädte, die im wesentlichen aus eintönigen Wohnblocks bestehen. Sicher haben auch diese Städte historische Kerne, aber viel ist davon nicht zu sehen. Dafür um so mehr schwedische Funktionalität, der der begrüßenswerte Gedanke zugrunde liegt, günstigen Wohnraum für Viele schaffen zu wollen. Das mag gelungen sein, aber in städtebaulicher Hinsicht hat man dabei nicht immer ins Schwarze getroffen - gelinde gesagt.

Mit einer Straßenkarte der gesamten Region bewaffnet, kämpfen wir uns so wacker durch die schwedische Wohn-Eintönigkeit, die so garnicht in das Bild des typischen Idylls in Falunrot passen will. Zum Teil folgen wir dabei dem Sverigeleden, der häufig durch Parks und ruhige Seitenwege führt. So umgehen wir nicht nur die Verkehrsadern, sondern erhalten interessante Einblicke in das Vorstadtleben der schwedischen Unterschicht. Leider ist die Beschilderung nicht immer eindeutig, doch insgesamt kommen wir problemlos voran. In Alby scheint ein Großteil der Stockholmer Migranten zu leben, und Tumbas Ortsmitte sieht so ähnlich aus, wie der Name verspricht: dumpf, dröge und deprimierend. Das Schulzentrum könnte auch aus der Sowjetunion stammen, während sich das übrige innerstädtische Leben in einem Betonblock abspielt, der durch Eisen- und Autobahn vom Rest der Stadt getrennt ist. Auch hier waren wohl Stadtplaner am Werk, die mit dem Auto zur Arbeit fuhren.


Zelten am Skansund / Mörkö
Hinter Tumba ist dann endlich Schluss mit der Betonbehaglichkeit. Es folgt Wald, dann die wieder "normale" Ortschaft Vårsta, wo wir auf der 226 nach links abbiegen und bis zur Abzweigung in Richtung Mörkö einen neuen und gut ausgebauten Radweg genießen dürfen. Die letzten 20 Kilometer führen uns nun wieder durch eine sehr dünn besiedelte Gegend mit kleinen idyllische Dörfchen. Mit der Pendelfähre geht es über einen kleinen Seitenarm der Ostsee auf die Insel Mörkö. Gleich am Fähranleger befindet sich der Campingplatz Skansund, wo wir unser Zelt direkt am Wasser aufschlagen. Leider gibt es keinen Supermarkt in der weiteren Umgebung, so dass wir unser Abendessen im angeschlossenen Imbiss zu uns nehmen: zwei Portionen Pommes Frites und zwei Gläser Dünnbier. Und das alles für umgerechnet weit über zehn Euro...




Skansund / Mörkö


Skansund / Mörkö


Skansund / Mörkö

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