Radreise Baltikum - Süd-Skandinavien, 18 - 21: Tallinn - Helsinki - Naantali - Åland-Inseln - Mariehamn

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Tag 18 (3.8.): Tallinn - Helsinki - Naantali

31,85 Km (excl. Fähr- und Bahnfahrt), Gesamtkilometer: 1.174,10

  23 - 29 °C


Blick zurück auf Tallinn
Ein wenig weh tut er doch, der Abschied vom Baltikum. Nach einer kurzen Nacht schieben wir morgens um Fünf ein paar Stullen in die Münder und machen uns auf den Weg zum Hafen. Passend zum Anlass hat sich das hochsommerliche Wetter erst einmal verzogen und einem kühlen Nieselregen Platz gemacht. Kurz darauf sitzen wir auf dem Deck des Schiffes nach Helsinki und schauen zu, wie die Silhouette von Tallinn immer kleiner wird.

Zwei Stunden später spuckt uns das Schiff mitten in der finnischen Hauptstadt aus. Wir wollen uns hier nicht lange aufhalten, sondern schnellstmöglich nach Turku weiterreisen - allerdings mit dem Zug. Unsere Urlaubszeit ist begrenzt, und da wollen wir sie nicht mit dem Durchradeln der eher langweiligen Wälder Finnlands verschwenden. Im Vergleich zu Tallinn wirkt Helsinki geradezu blankgeputzt und steril. Wir wollen noch ein Trophäenfoto vor dem berühmten Dom schießen, doch der Vorplatz wird von einem albernen militärischen Zeremoniell eingenommen. Auch in Finnland kommt man nicht ohne zackige Waffenprotzerei aus.

So führt unser Weg geradewegs zum Bahnhof, wo wir gleich nach dem Ticketkauf in den Zug nach Turku einsteigen. Die Fahrradmitnahme ist in finnischen Fernzügen kein Problem - zumindest in der Theorie. Ganze drei Fahrradstellplätze beinhaltet der Zug, und man reserviert sie mit dem Fahrradticket. Allerdings sind sie derart mickrig, dass man dort kaum drei Kinderräder unterbringen kann - geschweige denn beladene Reiseräder. Wie so oft muss der Konstrukteur dieser Eselei ein Autofahrer gewesen sein, der keine Ahnung von Fahrrädern hat. Also machen wir das Beste aus der Situation und pferchen unsere Räder irgendwie in die lächerliche Ecke.


Helsinki
Zum Ausgleich hat sich das Wetter in Turku leicht gebessert. Die Stadt an der Südwestküste glänzt nicht unbedingt durch eine besondere Schönheit und ist mit ihren 176.000 Einwohnern auch groß genug, um uns ins Schwitzen zu bringen. Trotzdem kämpfen wir uns erfolgreich zur Touristeninformation durch, wo wir sehr freundlich beraten werden. Mit jeder Menge Infomaterial zum Thema "Radeln im Turkuer Schärengarten" machen wir uns auf den Weg nach Nantaali.

Naantali ist so etwas wie die Pforte zum Schärengarten, hier erreicht man über eine Brücke die ersten Inseln des riesigen Archipels. Unser Plan ist, über die Inseln bis zur Hauptstadt der Åland-Inseln nach Mariehamn zu gelangen. Angeblich soll das eine wunderbare Radtour sein, weshalb wir mehr als gespannt sind.

Doch zunächst müssen wir erst einmal Naantali finden. Das ist in dieser Ecke Finnlands kein Problem, denn es gibt vorbildliche Radwege mit einer ebenso vorbildlichen Beschilderung. 20 Kilometer später haben wir den etwas dröge wirkenden Ort erreicht und richten uns auf dem Campingplatz zeltlich ein. Bevor wir uns müde in die Schlafsäcke legen, müssen wir noch einen heftigen Schock verdauen: Beim Einkauf in einem gewöhnlichen Supermarkt hat uns das Preisniveau förmlich aus den Socken gehauen. Vorbei die Zeiten der erschwinglichen Lebensmittel - hier wird fortan Schmalhans die Küche leiten. Auch gibt es Bier und Wein nur noch im überteuerten Staatsmonopol-Laden. Da kann man nur sagen: Willkommen in Skandinavien!




Unsere Reiseräder in Helsinki


Vorbildliche Rad-Wegweiser


Ein ruhiges Fleckchen auf dem ansonsten recht vollen CP in Nantaali

Tag 19, 4.8.: Naantali - Teersalo

41,95 Km, Vav: 13,14 km/h, Vmax: 38,01 km/h, Gesamtkilometer: 1.216,05 km

  20 - 23 °C


Abfahrt in Naantali
Wie sehr Vorstellung und Wirklichkeit auseinander klaffen können, und wie ärgerlich es sein kann, sich uninformiert auf vage Vorstellungen zu verlassen, spüren wir bereits auf unserer ersten Etappe durch den Schärengarten von Turku.

Die Eilande sind zumeist mit Brücken verbunden. Und gibt es mal keine Brücken, verkehrt in der Regel eine Fähre. Auf kleineren Distanzen verkehren sie häufiger, auf mittleren bis größeren Distanzen ausgesprochen selten - so ein bis zwei Mal pro Tag (!). Alles Dinge, die man wissen sollte, möchte man sich mit dem Rad über die Inseln arbeiten. Sonst kann es schnell passieren, dass man im Regen an einem vorläufigen "Ende der Welt" steht, nicht mehr weiter kommt und auch noch Probleme hat, eine Unterkunft zu finden.

Aber der Reihe nach. Nach einer regenreichen Nacht frühstücken wir ausgiebig und fahren erst am späten Vormittag los. Auf der ersten Insel des Archipels verfahren wir uns prompt, weil man hier keine Rad-Wegweiser mehr aufgestellt hat. Was uns wundert, denn das alles gehört hier schon zum touristisch angepriesenen Schären-Rund-Radweg. Trotzdem hält man den kleinen Seitenstreifen der verkehrsreichen Hauptstraße 191 für eine adäquate Radspur. Auf der 1931, ein paar Halbinseln weiter, radelt es sich dann ein wenig angenehmer. Dabei versüßt uns der ein oder andere Regenguss die Fahrt.


Brücke zwischen Nantaali und der Insel Luononnmaa
Am Ende dieser ersten Insel befindet sich der denkwürdige Weiler Teersalo - eigentlich nichts weiter, als zwei Straßen mit ein paar verstreuten Häusern daran. Hier erfahren wir, dass die Fahre nur zweimal täglich in unsere Richtung verkehrt, und dass diese beiden Termine bereits verstrichen sind. Nun muss eine Unterkunft her, denn für ein Wildcammp ist die Gegend zu zersiedelt. Außerdem ist es kühl und nass. Auf meine Nachfrage in der "Hafenkneipe" erhalten wir die Adresse eines privaten Zimmervermieters. Doch obwohl es im Ort nur eine Straße gibt, können wir ihn nicht ausfindig machen. Das hat damit zutun, dass man in Finnland (wie überhaupt in Skandinavien) sehr verstreut wohnt. Die Häuser einer Straße können sich theoretisch kilometerweit entfernt irgendwo in der Pampa befinden.

Mit einer Mischung aus Verärgerung und Verzweiflung fragen wir im einzigen öffentlichen Gebäude nach, das uns vor die Laufräder kommt - es ist der All-In-One Gemeindekomplex von Teersalo. Hierin befindet sich vom Altenheim über die Stadtbücherei bis hin zum Bürgermeisteramt alles, was das Herz begehrt. Und tatsächlich: hier kann man uns weiterhelfen. Obwohl ich mit meinem Anliegen mitten in eine geschlossene Sitzung irgendeiner Körperschaft hineinplatze, erhalten wir die Adresse einer Art Wandererheim. Auch ruft man für uns dort an, um uns anzukündigen - mit dem Privathandy und natürlich ohne Gegenleistung. Das ist skandinavische Freundlichkeit par excellence. Die Nacht verbringen wir so in einer gemütlichen Herberge, die zu einem Bauernhof kurz vor Teersalo gehört. So ist also doch noch mal alles gut gegangen - auch wenn unsere magere Kilometerleistung ein wenig ärgerlich ist...


Finnisches Schietwetter


Namenlose Brücke


Straße nach Teersalo

Tag 20, 5.8.: Teersalo - Torsholma / Brändö

58,83 Km, Gesamtkilometer: 1.264,88 km

  23 - 26 °C


MS Kvimo, das Fährschiff zwischen Teersalo und Hääkenpää
Diesmal machen wir alles richtig. Schon um 6.00 Uhr ist die Nacht zu Ende, denn um 8.15 Uhr läuft die seltene Fähre nach Hääkenpää aus. Wenn man seinen Weg über die Schärengärten macht, kann man entweder von Insel zu Insel hüpfen - oder, bei kleinerem Zeitbudget, eine Fähre zu einer weiter entfernten Insel nehmen. Wir tun letzteres und schippern schon am Morgen unserer nächsten Station entgegen. Und schnell zeigt sich der Nachteil einer Schärenrunde mit dem Rad: die Abhängigkeit von den Fähren grenzt die Freiheit des Radreisens ein.

Von Hääkenpää, das eigentlich schon wieder auf dem finnischen Festland liegt, radeln wir über ruhige Landstraßen nach Ösnäs, einem kleinen Fährhafen hinter der Ortschaft Kustavi. Auch die Fähre nach Brändö (Ava) verkehrt nicht gerade häufig. Wir müssen geschlagene zwei Stunden am Hafen Ösnäs (Vuosnainen) verbringen und ein paar seltsamen Leuten dabei zusehen, wie sie mit Angeln arme Fischlein aus dem Wasser ziehen.

Im Schärengarten


Um 13.20 schließlich läuft die Fähre ein, dann geht es mit Getöse über die See. 50 Minuten später erreichen wir den Anleger in Ava. Auch Brändö ist keine einzige Insel, sondern vielmehr ein Verbund aus unzähligen Felsen und Inselchen, die über eine Straße verbunden sind. Bei schönem Wetter radeln wir durch diese idyllische Wasserlandschaft, die genügend einsame Ecken für einen mehrwöchigen Aufenthalt zu besitzen scheint. Einfach toll! Hier ist es wirklich schade, dass wir so wenig Zeit haben. Im winzigen Hauptort Brändöby versorgen wir uns in einem Supermarkt mit teuren Lebensmitteln und nutzen das kostenlose Kunden-Internetterminal für unseren Blog-Eintrag.

Brändö gehört bereits zum Åland-Archipel, das im Grunde eine schwedische Exklave auf finnischem Terrain ist. Hier wird Schwedisch gesprochen - und auch in politischer Hinsicht besitzt die Inselgruppe eine weitgehende Autonomie vom Mutterland. Leider gilt das nicht für das hohe Niveau der Lebensmittelpreise.

Versorgt mit Essen und Wasser geht es weiter nach Torsholma, von wo aus uns am nächsten Tag eine letzte Fähre in Richtung Mariehamn bringen soll. In unmittelbarer Nähe zum Anleger schlagen wir unser Zelt auf einem Felsen in der Ostsee auf. Und so schlafen wir in rekordverdächtiger Nähe zum Seewasser - denn dieses plätschert in gerade mal 50 cm Entfernung von unseren Köpfen.




Auf Brändö


Auf Brändö


Wildcamp bei Torsholma / Brändö

Tag 21, 6.8.: Torsholma / Brändö - Mariehamn

57,87 Km, Vav 13,36 km/h, Vmax: 40,1 km/h Gesamtkilometer: 1.322,75 km

  24 - 26 °C


Morgens am Fähranleger
Auch diesmal müssen wir wieder früh aus den Hohlfasern, um die Fähre zu erreichen. In einer goldenen Morgensonne bauen wir unser Lager ab und radeln die 200 Meter zum Fähranleger. Pünktlich um 6.30 Uhr läuft die MS Alfågen ein, die uns nach Hummelvik auf der Insel Värdö bringt. Die Fahrt dauert zweieinhalb Stunden, weshalb wir es uns im Bordrestaurant bequem machen und Kaffee trinken. Auch diese Fahrt ist für uns Radfahrer wieder kostenlos. Bisher wurden nur Autler zur Kasse gebeten - und das nicht zu knapp. Gut so!


Auf Värdö ist die Welt noch in Ordnung
Auf der Insel Värdö überwiegt noch ruhige Landidylle. Zwar ist es hier nicht mehr ganz so lauschig, wie auf Brändö, aber immerhin. Doch je mehr wir uns der Mariehamn nähern, desto verkehrsreicher werden die Straßen und größer die Siedlungen.

Auf der Insel Sund kündigt sich das Ende der Schärenidylle langsam an, und auf der Hauptinsel Åland ist dann endgültig Schluss mit Lustig.
Leider gibt es keine Alternative zur verkehrsbelasteten Hauptstraße, und leider meint man es auch in Sachen Radweg nicht allzu gut mit uns. Zwar ist man hie und da am bauen, aber mehr als ein Tropfen auf heißem Asphalt wird dabei nicht herauskommen. Dabei wundern wir uns schon, wie viele Blechkisten auf einem an sich recht menschenarmen Archipel unterwegs sind. Wir sind schon ein wenig enttäuscht, dass wir uns Mariehamn auf dem minimalen Seitenstreifen eines Asphaltbandes nähern müssen, das es gut und gerne mit den unerfreulicheren Passagen der Via Baltica aufnehmen kann. Schade.

Am frühen Nachmittag erreichen wir schließlich Mariehamn, den mäßig interessanten Hauptort der Åland-Inseln. Dort schlagen wir unser Zelt auf einem Campingplatz auf, was mit stolzen 21 Euro zu Buche schlägt. Morgen um Viertel vor Zehn werden wir dieses Land in Richtung Stockholm verlassen. Angesichts des Preisniveaus wird es auch dringend Zeit dafür!


Separate Radwege sind auf Åland leider die Ausnahme


Mariehamn


Der teuerste Campingplatz der Reise: Gröna Udden, Mariehamn (2 Personen + Zelt: 21 EUR)

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